Teamanalyse: Rumänien bei der UEFA EURO 2024
Zum sechsten Mal ist Rumänien mittlerweile bei einer Europameisterschaft dabei. Auf der großen Fußballbühne spielten die Tricolorii in den 1990ern auf, als man zweimal das Achtelfinale und einmal das Viertelfinale bei den Weltmeisterschaften erreichte. Mitverantwortlich für die damaligen Erfolge war Anghel Iordanescu, jetziger Nationaltrainer ist sein Sohn Edward. Die Erwartungshaltung unter ihm ist zwiegespalten. Eine solide Defensive rund um Starspieler Radu Dragusin ließ nur fünf Gegentore in der Qualifikation, aus der man als ungeschlagener Gruppensieger hervorging, zu – doch vieles lässt auch zu wünschen übrig.
Torhüter
Im vergangenen Jahr entdeckte Iordanescu Horatiu Moldovan. Sein Debüt bekam er zwar schon vor dem aktuellen Coach, blühte 2023 jedoch richtig auf. Im Winter holte ihn sogar Atlético Madrid als Back-Up für Jan Oblak. Als Ersatzkeeper im Klub kommt der 26-Jährige allerdings zu keiner Spielzeit, die Praxis muss er sich also bei der Nationalmannschaft holen.
Mit Florin Nita lauert ein erfahrener Torwart hinter Moldovan, der von diesem verdrängt wurde. Mit 36 Jahren kann der Routinier in der vergangenen Spielzeit auf neun Weiße Westen in 34 Spielen für den türkischen Klub Gaziantep zurückblicken. Moldovan und Nita spielten beide jeweils zwei der vier Partien im Jahr 2024, Nita ist also im Torwartduell nicht chancenlos.
Dritter im Tor ist klar Stefan Tarnovanu. Er hat lediglich ein einziges Länderspiel absolviert (November 2022, 5:0 gegen Moldawien), ist aber seit zwei Jahren regelmäßig als Ersatzkeeper dabei. Diese Rolle fällt ihm auch bei der EM zu.
Verteidigung
Radu Dragusin ist das größte Talent seines Landes. In den letzten 16 Länderspielen kam er ununterbrochen zum Einsatz, zwölf davon über 90 Minuten. Mit 16 Jahren verpflichtete ihn Juventus Turin, im vergangenen Winter kaufte ihn Tottenham für 25 Millionen Euro. Auf seinen Schultern lasten große Hoffnungen, der kampfstarke Mentalitätsspieler aber wohl mit dem Druck, der auf ihm lastet, umgehen können.
Neben ihm wäre eigentlich Saudi-Legionär Andrei Burca gesetzt, doch dieser verpasste die letzten beiden Testspiele verletzungsbedingt, könnte also von Bogdan Racovitan (Rakow), Ionut Nedelcearu (Palermo) oder Adrian Rus (Pafos FC) ersetzt werden.
Mit Linksverteidiger Nicusor Bancu hat man einen Spieler aus der heimischen Liga dabei. Bei Craiova ist er Kapitän und zeichnet sich vor allem durch seine Flexibilität aus. Der 31-Jährige spielte auf jeder Position außer Mittelstürmer und Torwart mindestens ein Spiel, vergleichbar mit James Milner. Iordanescus Rechtsverteidiger ist auch klar: Andrei Ratiu von Rayo Vallecano wird in Rumäniens A-Team fix spielen, muss aber im Klub öfter auf der Bank Platz nehmen. Sein Ersatz ist mit Vasile Mogos ein weiterer heimischer Kicker, bei Cluj steht er in einem Großteil der Spiele in der Startelf.
Mittelfeld
Im 4-2-3-1 von Iordanescu besetzt das „Marin-Duo“ bestehend aus den Italien-Legionären Razvan Marin (Empoli) und Marius Marin (Pisa), verwandt sind sie jedoch nicht. Ersterer hat bereits 55 Länderspiele auf dem Konto, spielte sogar bei Ajax Amsterdam und ist mit Barcu der am häufigsten eingesetzte Spieler unter Iordanescu. Letzterer ist indes ein Serie B-Routinier, über 160-mal lief er in Italiens zweiter Liga auf, seit knapp drei Jahren ist er im Dunstkreis der Tricolorii. FCSB-Stammspieler Adrian Sut ist erst seit diesem Jahr dabei, kann beide im defensiven Mittelfeld vertreten, genauso wie Darius Olaru, der zuletzt aber auch als linker Verteidiger ran musste.
Auf der Zehn agiert ein weiterer Saudi-Legionär, Nicolae Stanciu. 70-mal trug er das rumänische Trikot, wobei er 14 Tore schoss. Seit 2023 führt er sein Heimatland als Kapitän an. Alexandru Cicaldau ist quasi sein Ersatz, wird aber auch im oft von Iordanescu gewählten 4-1-4-1 als zentraler Mittelfeldspieler eingesetzt.
Sturm
Der linke Flügel gehört Florinel Coman, einem Teamkollegen von Adrian Sut. Beim FCSB war er in der abgelaufenen Saison der wichtigste Offensivspieler mit 14 Toren und acht Assists. Für Rumänien dürfte er gesetzt sein. Mit Valentin Mihaila ist ein weiterer Italien-Legionär dabei, der mit Parma die Rückkehr in die Serie A schaffte.
Auf der rechten Seite kann sich sein Teamkollege Dennis Man Hoffnungen auf den Startplatz machen, war er doch sogar Parmas bester Goalgetter mit elf Toren. Eingespielter ist jedoch Ianis Hagi, Sohn des Rekordtorschützen Rumäniens Gheorge Hagi, denn er hat mehr Länderspiele absolviert und saß nur einmal in den letzten zwölf Partien auf der Bank. Dennis Man lief im selben Zeitraum nur sechsmal auf. Ersatz ist der Allrounder Deian Sorescu, auf beiden Flügeln kann er offensiv und defensiv spielen.
Im Kampf um die Sturmmitte hat George Puscas die Nase vorne. Mit elf Länderspieltreffern ist er der erfolgreichste Stürmer der vier Nominierten. Denis Alibec ist Option zwei, mit Stanciu und Mihaila war er der beste rumänische Torschütze der Qualifikation (alle drei Tore). Weiters sind Denis Dragus verfügbar, der auch als Linksaußen spielen kann, sowie Neuling Daniel Birligea, Stammspieler bei Cluj und erst seit Oktober 2023 dabei.
Trainer
Iordanescu ist ein Nachname im rumänischen Fußball, der mit viel Ruhm verbunden ist. Vater Anghel prägte die erfolgreichen 1990er-Jahre, Sohn Edward darf sich nun seit über zwei Jahren als Chefcoach Rumäniens beweisen. Nach der enttäuschen Nations-League-Spielzeit 2022/23, in welcher man in Liga C abstieg, konsolidierten sich die Tricolorii und verloren danach nur zwei Freundschaftsspiele. Dabei besiegte man auch die Schweiz in der EM-Qualifikation. Nun muss er zeigen, dass seine Mannschaft auch bei der EM von diesem Zusammenhalt profitieren kann.
Gesamtbewertung
Ingesamt ist die rumänische Mannschaft im internationalen Vergleich eher mittelmäßig aufgestellt. Das Team kombiniert sich aus Spielern, die in der heimischen oder einer anderen eher mittelstarken Liga regelmäßig zum Einsatz kommen, sowie Kickern, die in Top-Ligen seltener auf dem Platz stehen. Die Abwehr formte Iordanescu zur größten Stärke, Starspieler Dragusin ist dabei elementar. Nichtsdestotrotz fehlt es in der Offensive an europäischer Top-Qualität. Insgesamt ist aber aufgrund des guten Kollektivs der Einzug in die K.O.-Phase möglich.
Rumänien in Gruppe E
Montag, 17.6., 15 Uhr | Rumänien – Ukraine (München)
Samstag, 22.6., 21 Uhr | Belgien – Rumänien (Köln)
Mittwoch, 26.6., 18 Uhr | Slowakei – Rumänien (Frankfurt a. M.)