Alexander Gorgon: „In Kroatien laufen Dinge etwas eigen ab“
In der Vorsaison wurde [spielerprofil spieler=“Alexander Gorgon“] mit dem HNK Rijeka überraschend Meister und Cupsieger in Kroatien, war zudem mit der auffälligste Offensivakteur des Teams. Mit uns spricht der symapthische Ex-Austrianer über die Vorsaison, erklärt den etwas holprigen Start in die laufende Spielzeit und blickt zudem auf die internationalen Spiele des HNK Rijeka zurück.
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12terMann.at: Alex, vielen Dank, dass du dir für das Interview mit 12terMann.at Zeit nimmst. Die letzten Wochen waren für HNK Rijeka nicht gerade einfach. Habt ihr daran gedacht, dass die Saison nach der überraschenden Meisterschaft so schwierig sein wird?
Alexander Gorgon: Die Zielsetzung für die laufende Saison war von Beginn weg eher der zweite Platz. Wir wissen alle, dass die Dinge hier in Kroatien etwas eigen ablaufen. Das heißt, dass Dynamo Zagreb bereits angekündigt hat, dass der Titel in den nächsten zehn Jahren nur über sie gehen wird. Ich will das jetzt nicht weiter vertiefen, aber wenn Dynamo so etwas sagt, dann wird dies auch eintreten.
Die Niederlage zuletzt gegen Hajduk Split hat uns natürlich weh getan, sowohl Osijek als auch Split ist uns nun um drei Punkte enteilt. Klarerweise hatten wir in dieser Saison bislang in einigen Spielen nicht die Leistung gezeigt, die wir gewohnt sind, aber das hängt auch damit zusammen, dass es im Sommer einige Änderungen geben hat. So haben uns beispielsweise zwei wichtige Spieler verlassen (Anmerkung der Redaktion: Franko Andrijasevic ging zu KAA Gent und Stefan Ristovski zu Sporting Lissabon) und dies zerstört natürlich die Automatismen, die wir in der Vorsaison verinnerlicht hatten.
Aber dennoch, die Saison bislang ist nicht wirklich schlecht, trotzdem blieben wir bislang unter unseren Möglichkeiten.
Das mit den Abgängen ist natürlich ein Problem von Überraschungsteams – dass die Abläufe dann auch nicht mehr passen, ist leider oft das daraus resultierende Ergebnis.
Genau, aber nicht nur das. Durch den Erfolg der Vorsaison ist auch unsere eigene Erwartungshaltung gestiegen, einige dachten, es liefe so weiter, wie in der Saison zuvor. Ich glaube, nach den bisherigen Runden sind jedoch alle langsam wieder auf dem Boden der Realität angekommen.
Aber man muss auch daran denken, dass wir in dieser Saison mit der Europa League-Gruppenphase ebenso wunderschöne Zeiten erlebt haben, wo wir uns lange alle Möglichkeiten offen gehalten haben.
Stichwort Europa League: Da kam es im Zuge der Gruppenphase ja zu einem Wiedersehen mit der Austria – wie waren die Spiele gegen die alten Kollegen?
Nachdem ich doch sehr lange für die Austria gespielt habe, war das natürlich etwas Besonders für mich – egal ob aus medialer Sicht in der Woche vor dem Spiel oder beim Treffen der alten Kollegen. Dennoch versuchst du als Spieler dich aufs Spiel zu fokussieren, um deine Leistung zu bringen und um als Team die drei Punkte zu holen.
Ich wollte außerdem beweisen, dass ich mich mit meinem Abgang sportlich verbessert habe, wollte die Austria unbedingt schlagen. Einmal ist es mir bzw. uns gelungen, im zweiten Spiel haben wir die Retourkutsche bekommen, wobei bei uns da vieles nicht gepasst hat und der Austria alles aufgegangen ist. Klarerweise war für uns das erste Spiel bedeutend schöner.
Ich wollte außerdem beweisen, dass ich mich mit meinem Abgang sportlich verbessert habe, wollte die Austria unbedingt schlagen.
Trotz des gestrigen Sieges – leider in deiner Abwesenheit– gegen den AC Mailand hat es nicht zum Aufstieg gereicht – was nehmt ihr dennoch aus den internationalen Partien für euch mit?
Ich glaube, dass jede einzelne Minute für jeden Spieler sehr wichtig war. Viele in unserem Kader hatten vor der Saison noch kein einziges internationales Spiel bestritten und dennoch hat man gesehen, dass wir in den meisten Spielen sehr gut mithalten haben können. Es geht jetzt einfach darum, dass wir Jahr für Jahr solche Spiele bestreiten können, dann löst man auch gewisse Situationen anders. Gegen AEK Athen haben wir beispielsweise kurz vor der Halbzeit noch den Anschlusstreffer zum 1:2 bekommen – mit mehr Erfahrung würden wir die Situation, die dazu geführt hat, wahrscheinlich anders lösen. Das sind kleine Details, die dann dennoch eine große Auswirkung haben
Oder nehmen wir das gestrige Spiel gegen den AC Mailand her. Wir waren hier die klar spielbestimmende Mannschaft. Auch wenn die Italiener mit dem B-Team aufgelaufen sind, man sah, dass zwischen uns keine Welten mehr liegen, es gibt international kaum mehr Teams, die sich abschießen lassen. Der ganze Klubfußball ist einfach dichter zusammengerückt.
Du hast zuvor gesagt, dass du mit deinem Wechsel nach Rijeka einen Schritt nach vorn machen wolltest. War dir von Anfang an bewusst, dass in Rijeka etwas Größeres entstehen könnte? Es gab bezüglich deines Wechsels doch die ein oder andere, in Österreich leider übliche, kritische Stimme.
Das Gefühl war am Anfang, als ich das Trainingsgelände erstmals gesehen und die Leute vor Ort kennengelernt habe, sehr gut. Ich wusste zwar noch nicht, was mich fußballerisch erwartet, habe aber bald gemerkt, dass im Kader einige Spieler vorhanden sind, die dank ihrer Fähigkeiten zu einem nächsten Schritt fähig waren bzw. sind.
Ich bin damals nach sieben oder acht Saisonspielen zum Team gestoßen, schon damals lag Rijeka vor Dynamo, und habe mich rasch in die Mannschaft gespielt. Von da an hat dann auch für mich dieses Märchen begonnen, wo ich gemerkt habe, dass etwas Großes entstehen kann. Das Gefühl wurde im Anschluss von Woche zu Woche immer intensiver und dann haben wir als Team schon so sehr daran geglaubt, dass für uns im Endeffekt nichts anderes als der Titel möglich gewesen ist, da die Enttäuschung sonst umso größer ausgefallen wäre. Das Double war dann natürlich das I-Tüpfelchen und dies hat uns auch zu Beginn der neuen Saison mit viel Selbstvertrauen starten lassen. Wir wollten unbedingt in die Champions League, waren in den entscheidenden Spielen gegen Olympiakos Piräus auch durchwegs auf Augenhohe, dennoch hat es dann „nur“ für die Europa League gereicht, die wir – wie zuvor gesagt – aber sehr genossen haben und wo uns nicht viel auf den zweiten Platz gefehlt hat.
An dem Erfolgslauf selbst hast du einen enormen Anteil. Seit deinem Wechsel zu Rijeka hast du in insgesamt bislang 55 Einsätzen beinahe in jedem zweiten Spiel genetzt und zudem zahlreiche Vorlagen geliefert. Gibt es einen Grund, dass es in Kroatien so gut für dich läuft – ähnlich wie bei der Austria spielt ihr zumeist in einem 4-2-3-1-System? Ist das einfach das System, in dem du dich am wohlsten fühlst?
Ich glaube, dass mir generell eine Luftveränderung sehr gut getan hat – ich wollte unbedingt neue Spieler und eine neue Philosophie kennenlernen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es bei der Austria schlecht war, doch ich habe den Kick gebraucht, etwas Neues zu machen, denn ich bin der Meinung, dass man sich auch mit 28 bzw. 29 noch weiterentwickeln kann.
Die vielen Scorerpunkte erklären sich mitunter dadurch, dass wir als Team in der Vorsaison einfach wirklich ausgezeichnet funktioniert haben, dadurch einzelne Offensivspieler extrem gut zur Geltung kamen – ich war einer davon.
… ich wollte unbedingt neue Spieler und eine neue Philosophie kennenlernen.
Sieht man sich die aktuelle Tabelle der Liga an, so erkennt man, dass die erste kroatische Liga dreigeteilt ist. An der Spitze liegt derzeit Dynamo Zagreb, bereits zwölf Punkte dahinter folgen Osijek und Rijeka. Der Tabellenachte aus Vinkovci ist wiederum bereits zwölf Punkte hinter dem Vierten. Ist das Gefälle der Liga tatsächlich so groß oder ist dies nur eine Momentaufnahme?
Dieses Gefälle ist im Vergleich zu Österreich wohl der größte Unterschied. Es erklärt sich dadurch, dass es in Kroatien Mannschaften gibt, die enorme finanzielle Probleme haben, wo Spieler teilweise monatelang auf ihr Gehalt warten. Das ist natürlich weder für die betroffenen Spieler noch Vereine lustig. Einige Teams taumeln leider auch permanent am Abgrund und es ist teilweise nur noch eine Frage der Zeit, bis es gewisse Vereine nicht mehr gibt. Auch hinsichtlich der Infrastruktur ist es sehr problematisch, da ist in den letzten Jahren wenig weitergegangen. Die HNL ist gerade bei Auswärtsspielen – im Speziellen wenn man auf kleiner Gegner trifft – sehr gewöhnungsbedürftig. Diese ganzen zuvor aufgezählten Faktoren spiegeln sich dann auch in der Tabelle wieder.
Die HNL ist gerade bei Auswärtsspielen – im Speziellen wenn man auf kleiner Gegner trifft – sehr gewöhnungsbedürftig.
Enorme Unterschiede gibt es auch hinsichtlich der Zuschauerzahlen. Da kann es schon mal sein, dass der aktuelle Meister auswärts vor lediglich knapp über 400 zahlenden Zuschauern spielt und das in einem Stadion, das etwa 10.000 Männer und Frauen fasst. Das muss für einen Spieler eine enorme Umstellung sein. Wie motiviert man sich da als Profisportler, wenn von den Rängen so gar nichts oder nur wenig zu vernehmen ist?
Klar, das ist eine enorme Umstellung. In der Meistersaison war das noch anders, da waren zumeist 1000 Fans von uns bei den Auswärtsspielen vor Ort, haben gute Stimmung gemacht. Prinzipiell ist es aber schon ein Schock, wenn du vor leeren Rängen spielst, wo wirklich überhaupt keine Stimmung herrscht. Da musst du dich als Profi schon extra motivieren und dich sehr professionell verhalten, damit du deine Leistung abrufen kannst, weil es ist ja kein Geheimnis, dass man vor einer großen Kulisse, wo noch dazu der Rasen schön gemäht ist, zu einer besseren Leistung fähig ist.
Das ist wahrscheinlich bei den Auswärtsspielen von Dynamo Zagreb etwas anders, oder?
Nein, derzeit nicht mal so. Auch Dynamo hat aktuell ein großes Problem mit den Zuschauerzahlen, das ist auf die derzeitige Vereinspolitik zurückzuführen, da herrscht immer wieder mal Streit zwischen den Fans und dem Verein. Von den aktuellen Zahlen ist, wenn ich mich nicht irre, Hajduk Split derzeit am stärksten.
Dein Vertrag in Rijeka läuft noch bis Sommer 2019. Wie ist denn dein Plan – strebst du noch einen Wechsel in eine größere Liga an oder hast du vor, deinen Vertrag in Kroatien zu erfüllen?
Nachdem ich ja noch eineinhalb Jahre einen gültigen Vertrag besitze, habe ich derzeit aus karrieretechnischer Sicht nicht wirklich Stress. Ich muss jetzt nicht unbedingt etwas Neues probieren, wäre aber auch nicht wirklich abgeneigt. Ich glaube, ich habe meine Aufgaben in der letzten und auch in dieser Saison sehr gut erfüllt und wer weiß, vielleicht tut sich ja demnächst etwas auf. Aber ich bin froh, dass ich noch bis 2019 ein Arbeitspapier habe, kann dadurch ruhig schlafen und muss mir keine Gedanken machen, sondern kann alles so nehmen, wie es kommt.
Du bist ja nicht der einzige Österreicher in Kroatien, mit Sandro Gotal und Markus Pavic finden sich zwei weiter Kicker in der HNL. Stehst du mit den beiden in Kontakt oder sieht man sich nur bei Spielen?
Eigentlich sieht man sich nur bei Spielen – ich habe mich zwar zuletzt mit Sandro ausgetauscht, als sie uns geschlagen haben, aber mehr auch nicht.
Kommen wir am Ende kurz auf das Nationalteam zu sprechen – hattest du mit dem ehemaligen Nationaltrainer Marcel Koller je Kontakt bezüglich einer Einberufung?
Nein, wir hatten nie Kontakt.
Mit Franco Foda ist nun ja ein neuer Trainer am Ruder, erhoffst du dir, dass es mit einer Einberufung ins Nationalteam unter seinen Fittichen vielleicht doch klappt?
Ich glaube jeder träumt davon, mal für sein Land auflaufen zu können. Ich hatte ja schon ein paar gute Phasen in meiner Karriere, da hat es nicht für eine Einberufung gereicht. Ich mach mir jetzt aber hinsichtlich einer Einberufung auch keinen Stress – wenn es klappen sollte, dann klappt es.
Du hast zuvor angesprochen, dass die kroatische Liga sportlich nicht mit der österreichischen Bundesliga mithalten kann. Hinsichtlich des Nationalteams ist es jedoch genau anders rum – Kroatien hält seit Jahren eine Topplatzierung, Österreich hat nach langer Zeit der Dürre zuletzt eine Hochzeit erlebt. Was macht man in Kroatien aus deiner Sicht anders, dass das Nationalteam durchgehend gute Leistungen zeigt?
Das ist nicht so einfach zu sagen – vielleicht liegt es einfach an den Genen und an den Talenten. Hier im Balkanraum weiß man, dass es zahlreiche Talente gibt, Dynamo entwickelt wirklich viele Spieler, die sie dann aus der HNL heraus um Millionen ins Ausland transferieren. Und wenn man sieht, wo die danach landen, egal ob bei Barcelona oder bei Real, dann ist das natürlich die oberste Liga und das ist ehrlicherweise einfach noch ein bis zwei Schritte über Österreich zu stellen.
Alexander, ich danke dir vielmals für das nette Gespräch!
Gern geschehen!
Das Interview führte Christian Semmelrock am 08.12.2017
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