Kommentar

#Einwurf: Respekt im Fußball

Unablässig geht dem Fußballbusiness ein eigentlich unverzichtbarer Wert verloren: der Respekt. In den letzten Jahren gab es immer wieder Tabubrüche. Dinge, die einst unvorstellbar schienen, werden immer mehr zur Normalität. Dennoch gibt es glücklicherweise immer wieder postive Lichtblicke, die für ein wenig Hoffnung sorgen.

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Gibt es im Fußball denn noch Respekt?

Ja, er lebt noch! Ein gutes Beispiel lieferten kürzlich die Fans von Sturm Graz, als sie Rapid Wien-Ikone Steffen Hofmann mit einem Transparent mit der Aufschrift „Trotz allem: Zum Abschied Respekt für Steffen Hofmann“ die Ehre erwiesen. Dieser zeigte sich im Gegenzug ebenso als Gentleman, als er sich via Facebook-Posting mit den Worten „Ein großes Dankeschön an die Fans von SK Sturm. Das hat mich überrascht und sprachlos gemacht. RESPEKT!!!!!“, herzlich bedankte.

Die Geste der Sturm-Fans war sicher nicht die aufwändigste, jedoch durchaus überraschend und einfach schön. Die Anhänger der „Blackies“ haben dem langjährigen Rapid-Kapitän „trotz allem“ Respekt gezollt. Ein Geste, welche absolut heraussticht in Zeiten, wo Respekt nicht immer seinen Platz in den Stadien der Welt findet. In Zeiten, wo Spiele unterbrochen und Vereinsverantwortliche tätlich attackiert werden (wie es zuletzt beim Istanbul-Derby geschah), sind es diese kleinen Dinge, welche die Fußballwelt wieder etwas gerade rücken. Ich kann nur inständig hoffen, dass die Aktion der Sturm-Fans nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein war und das Weitere folgen werden, auch wenn mir vollkommen klar ist, wie naiv ich da wohl bin. Respektvoller Umgang miteinander findet sich in der Gesellschaft, besonders in den sozialen Medien, immer seltener wieder. Die Distanz zwischen uns wird immer größer, als hätten wir es nicht mehr nötig miteinander zu sprechen. Wir senden uns Whatsapp-Sprachnachrichten, anstatt miteinander zu telefonieren oder uns persönlich zu treffen. Wir posten auf Facebook einen Wut-Status, anstatt zu hinterfragen aus welchen Beweggründen andere etwas tun, um es dadurch auch nachempfinden zu können. Niemand kann von uns verlangen, die Beweggründe anderer zu teilen, jedoch schafft es eine Brücke zwischen den Menschen, wenn man zumindest versucht, das Vorgehen des jeweils anderen zu verstehen. Dadurch entsteht die Basis dafür, Dinge schlichtweg annehmen zu können und ebendas sein zu lassen, was sie sind.

Kurz gesagt: Es macht unbestritten Sinn zu versuchen, die Ansichten anderer zu verstehen. Letztlich um seiner selbst Willen, denn der den ich (aus seiner Sicht) verstehe, über den brauche ich mich auch nicht mehr groß zu ärgern. Denn Ärger können wir nur dann ins uns entstehen lassen, wenn wir nicht in der Lage sind, etwas zu verstehen. Meist ist dem so, weil wir uns gar nicht die Mühe machen und ich nehme mich da keinesfalls aus.

Um zurück zum Fußball zu kommen: Auch hier scheint es so, als würde die Kluft zwischen einander immer größer. Die Trainer der Wiener Klubs dürfen beispielsweise vor dem Derby nicht mehr zusammen bei einem Interview auftauchen, weil das unter den Fans für Probleme sorgt. Ich bin kein Freund davon Fangruppen eine so große Macht zuzusprechen. Die Fans sind unbestritten das Um und Auf im Sport, jedoch speziell im Fußball sehe ich das sehr differenziert. In einem Verein sollen – ganz gemäß dem demokratischen Grundgedanken – alle ein Mitspracherecht haben, jedoch nicht einer mehr als der andere.

Erst wenn man beginnt Menschen in Gruppen einzuteilen, entsteht überhaupt die Möglichkeit zu werten.

Anstatt sich in friedlicher Konkurrenz gegenüber zu treten, attackiert man sich verbal wie physisch in und um die Stadien – und sägt sich damit den Ast ab, auf dem man sitzt. In Istanbul und Athen wird es, wenn es so weiter geht, über kurz oder lange keine Derbys mehr geben (können). Hier ist man auf dem besten Wege, sich einer der größten Fußballfeste des Landes zu berauben, ich gratuliere herzlich und wünsche den Beteiligten viel Freude dabei, wenn sie an jenen dann inexistenten Derby-Sonntagen zuhause an die Decke starren. Denn letztlich sind wir alle eines: Menschen. Das klingt extrem einfach – und ist es auch. All diese Menschen, die hier auf einander losgehen, haben ebenso ihre Familien und Freunde zuhause, die sich um sie sorgen. Es kann ungemein hilfreich sein, sich diesen Gedanken nochmals durch die Gehirnwindungen zu quetschen, ehe es zu seiner Eskalation kommt. Ein passendes Zitat dazu lieferte einst Christian Streich, der Coach des deutschen Bundesligisten SC Freiburg, dazu aber später.

Die Verantwortung der Medien

Kommen wir auf die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang zu sprechen. Wer für ein Medium tätig ist, dem muss klar sein, wie sehr man Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nimmt. Als aktuelles und passendes Beispiel möchte ich hier das Rückspiel im Europa League-Halbfinale zwischen Red Bull/FC Salzburg und Olympique Marseille ins Treffen führen. Konkret geht es um die Szene, die in der Nachspielzeit zum Treffer der Franzosen führte.

Vorweg: Wer die Szene gesehen hat, dem ist klar, dass es diesen Eckball niemals hätte geben dürfen. Es ist als Fan enttäuschend zu sehen, wenn sechs (!!!) Schiedsrichter am oder um den Platz dies nicht erkennen (können). Nichtsdestotrotz liegt die Hauptaufgabe eines Mediums noch immer in der Wahreheitsfindung und vor allem darin, eine möglichst objektive Berichterstattung zu bieten und hierfür alle verfügbaren Quellen auszuschöpfen. Medien in Österreich sind dazu sogar per Gesetz verpflichtet (vgl §§ 6 Abs 2 Z 2 lit b, 29 MedienG, journalistische Sorgfaltspflicht, Erklärung siehe hier).

Nicht einmal im weitesten Sinne möchte ich der geschätzten Kollegschaft auch nur den Hauch eines Vorsatzes ans Zeug flicken, denn unbestritten geschah dies zur Gänze aus der Emotion heraus und das ist in höchstem Maße nachvollziehbar. Es veranschaulicht jedoch sehr gut, wie schnell man in einem unachtsamen Moment der Vernunft entrinnen kann:

Die Roten Bullen sind nur zu unverdient ausgeschieden, da gibt es wohl kaum zwei Meinungen. Wir als Medien tragen aber die Verantwortung dafür, ob wir mit alle Ereignissen und den Beteiligten fair und respektvoll umgehen. Es gewinnt eben nicht immer das Team, welches es sich mehr verdient hätte und so bleibt uns nichts anderes als das hinzunehmen und nach vorne zu blicken.

Respekt: Ein Sache des Gebens und Nehmens

Ein großartiges Beispiel lieferte einst der bereits angesprochene Christian Streich, der Coach von ÖFB-Legionär[spielerprofil spieler=“ Philipp Lienhart“]. „Ich finde das unmöglich, alles zu dramatisieren, in Gut und Böse zu unterteilen“, meinte der Kulttrainer einmal über das Verhalten im Paralleluniversum Fußball. Der badische Mahner gilt in Deutschland als das Gewissen der Liga – und das zurecht. Kaum gibt es Journalisten, die sich getrauen ihm zu widersprechen, denn Streich ist einer, der die Dinge beim Namen nennt. Er tut dies in einer entwaffnenden Ehrlichkeit, bei dem mir häufig schlichtweg der Mund offen stehen bleibt.

Bullen-Coach Marco Rose zeigte nach dem Spiel gegen Marseille eine bemerkenswerte Reaktion, vor der ich nur meinen imaginären Hut ziehen kann: „Ich habe dann aber eine Information bekommen, die mich als Mensch auch dann das sein lässt, was ich gerade bin, sehr ruhig. Wenn ich vom Schiedsrichter-Beobachter erfahre, dass die russischen Schiedsrichter in der Kabine sitzen und ziemlich fertig sind mit den Nerven, weil sie wissen, dass sie da vielleicht nicht ganz richtig lagen – dann zeigt das auch menschliche Größe. Man kann immer Fehler machen, aber wenn man dazu steht und sie einsieht, dann bin ich der Erste, der Fehler entschuldigt. Das mache ich dann in diesem Fall. Da ist der Ärger vom Platz dann auch jetzt schon verflogen.“

Kurzum: Wer Respekt sät, der wird ihn auch ernten.

Lösungs- statt Problemfokus

Die Gedanken sollten nicht darum kreisen, was zwischen einander steht, sondern darum, was einander verbindet. Angenommen ein junger Mann sieht in einem Lokal eine junge, hübsche Frau. Die beiden kommen sich näher und lernen einander näher kennen. Wir alle kennen diese Situationen, doch worauf beruht wohl deren beider Fokus? Darauf, was sie an ihrem Gegenüber gut finden, oder darauf was sie am jeweils anderen stört? Und wollen diese beiden eine Beziehung eingehen, so werden sie eher dazu neigen, Wege zu suchen, jene Dinge, die sie aneinader nicht mögen zu lösen, zu akzeptieren und zu respektieren, als sie wie eine Mauer zwischen sich zu stellen. Mir ist klar, dass sich sich dies nicht vollkommen auf den Fußball übertragen lässt, jedoch könnenn wir durchaus daran Anleihe nehmen.

Man kann sich schon von diesen teils untergriffigen Feindschaften alle Mal lösen, wenn man denn will. Doch genau darin liegt in diesen Tagen wohl das Problem: Scheinbar haben (noch) zu viele ein Interesse daran, es nicht zu tun. Hope ist the last to die, wie der Brite sagt.

Ich danke meinem Redaktionskollegen Lukas Lorber für die Mitarbeit an diesem #Einwurf.

Ich verneige mich und danke für Eure Aufmerksamkeit,

Euer

René Dutchy

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