Wuchtel-Ecke: Als ein absichtliches Eigentor zum Aufstieg führte – die absurdeste Schlussphase aller Zeiten
In unserer neuen Serie 12terMann Wuchtel-Ecke möchten wir euch in der fußballfreien Zeit mit kuriosen und lustigen Geschichten aus der Welt des Fußballs versorgen. Heute starten wir mit einem der absurdesten Fußballspiele. In den 90er-Jahren hat die FIFA nämlich in der Karibik herumexperimentiert und eine neue Regel getestet. Konkret sollten Gruppenspiele bei Endrunden spektakulärer werden. Nach einem Remis in der regulären Spielzeit würde es in ein Golden Goal gehen – also das nächste Tor entscheidet und dort würde der Siegestreffer dann gleich doppelt zählen. Falls in den zwei Mal 15 Minuten dann kein Tor fallen würde, dann hätte es ein Elfmeterschießen gegeben. Das heißt bei einem Remis gibt es keine Punkteteilung, sondern es wird ein Sieger ermittelt. Den ersten und auch letzten Einsatz gab es in der Qualifikation für die Karibikmeisterschaft 1994.
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Die Qualifikation hat im Jänner 1994 begonnen – in Gruppe A trafen Grenada, Barbados und Puerto Rico jeweils nur einmal aufeinander – der Gruppensieger qualifizierte sich für die Endrunde in Trinidad Tobago. Vorm letzten Gruppenspiel zwischen Grenada und Gastgeber Barbados sah die Tabellenkonstellation wie folgt aus: Grenada führte die Tabelle mit drei Punkten und einer Tordifferenz von plus zwei Toren an, Puerto Rico war mit drei Punkten und einer schlechteren Tordifferenz Zweiter, Barbados mit null Punkten und einer Tordifferenz von minus Eins Letzter. Bei Punktegleichheit entschied die bessere Tordifferenz.
Grenada – 3 Punkte – 2:0 Tore
Puerto Rico – 3 Punkte – 1:2 Tore
Barbados – 0 Punkte – 0:1 Tore
Vor dem direkten Duell zwischen Barbados und Grenada am 27. Jänner 1994 war also klar: Barbados hätte sich bei einem Sieg mit mindestens zwei Toren Unterschied für die Endrunde qualifiziert, Grenada bei allen anderen Ergebnissen. Bis zur 83. Minute lief für Barbados im Nationalstadion in St. Michel alles nach Plan. Die Mannschaft führte mit 2:0, war auf dem besten Weg zum Gruppensieg – ehe Grenada der Anschlusstreffer zum 1:2 gelang.
Nun gab es folgende Konstellation. Bei 2:0 führte Barbados (3 Punkte/ 2:1 Tore) die Tabelle vor Grenada (3 Punkte/2:2 Tore) an, durch den Anschlusstreffer hatte nun Grenada die bessere Tordifferenz (3 Punkte/3:2 Tore) als Barbados (3 Punkte/2:2 Tore). Und genau das sorgte für die seltsamste Schlussphase aller Zeiten.
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Denn nun wäre eben Grenada Gruppensieger gewesen. Die Nationalmannschaft von Barbados hatte aber noch ein Ass im Ärmel – die neue FIFA-Regel. Tore in der Verlängerung zählten doppelt. So spielte Barbados in der Schlussphase nicht aufs eigentlich logische 3:1, sondern einfach aufs Eigentor zum 2:2, das in der 87. Minute auch gelang. Wäre das Spiel ohne der neuen Regel mit 2:2 geendet, dann hätten beide Teams einen Punkt bekommen und Grenada wäre logischerweise aufgestiegen. Nun war die Ausgangslage jene: Verlängerung bei 2:2 und die Chance für Barbados doch noch mit zwei Toren Unterschied zu gewinnen und dadurch aufzusteigen. Das heißt ein 2:1-Sieg hätte das Aus von Barbados bedeutet, das 2:2 ebnete aber die neue Chance auf einen Sieg mit zwei Toren Vorsprung.
Grenada wäre nun hingegen auch bei einer 3:2-Niederlage aufgrund der besseren Tordifferenz aufgestiegen – natürlich genauso falls noch der 3:2-Siegestreffer gelungen wäre. So musste jetzt Barbados in den letzten Minuten plötzlich beide Tore verteidigen und hoffen, dass es beim 2:2 und der Verlängerung bleibt. Grenada hätte nämlich mit einem Eigentor zur 2:3-Niederlage oder auch mit dem 3:2-Siegestor die Verlängerung und die Gefahr einer Niederlage mit zwei Toren abwenden können. Damit hätte Grenada nun auch ein Eigentor zum Gruppensieg gereicht.
Doch Barbados verteidigte beide Tore – also das Eigene und das Gegnerische – bis zum Schlusspfiff erfolgreich. In der Verlängerung schoss Barbados dann auch den Siegestreffer. Das Spiel war durch die Golden Goal-Regel vorbei, das Tor zählte zudem eben doppelt und Barbados zog dank des 4:2-Sieges mit einer besseren Tordifferenz doch noch an Grenada vorbei. Die Folge: Grenadas Trainer James Clarkson bezeichnete die Person, die diese Regel erfunden hat „als einen Kandidaten fürs Irrenhaus“ und die FIFA probierte diese Regel nie wieder aus.
Quelle: Buch Sports Law