Österreichische Bundesliga

Redaktionswickel zum Bundesliga-Start: Soll die Liga starten?

Österreichs Fußball kehrt nach der Coronapause wieder zurück auf den Rasen. Doch ist die Fortsetzung der Bundesliga die richtige Entscheidung? In unserem Redaktionswickel diskutieren unsere Redaktuere Tobias Kurakin und Filip Vukoja über den Sinn des Wiederanpfiffs in Österreich.

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Pro von Filip Vukoja – Das Kapital gehört zum Geschäft

Betrachten wir uns die aktualisierte Statistik der Corona-Infizierten von heute dem 13. Mai 2020 09:30, dann sind laut dem Sozialministerium nur noch mehr 993 Menschen in Österreich aktiv an dem Erreger SARS-CoV-19 infiziert. Dank der hervorragend wirkenden Maßnahmen ist die Corona-Kurve stetig am Sinken und ermöglicht es uns, in langsamen Schritten zur (neuen) Normalität zurück zu kehren, so auch im Profifußball. Die Vereine der TIPICO-Bundesliga befinden sich seit mehreren Wochen bereits im Kleingruppentraining und dürfen nun ab dem 15. Mai wieder in das Mannschaftstraining einsteigen, um sich für den Restart Anfang Juni in Form zu bringen. Auch wenn sich viele Geister an diesem Thema scheiden, gibt es einige Gründe für die Weiterführung der Saison 19/20. „Geld regiert die Welt“. Ein Grundsatz der im Profifußball einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste ist. Aufgrund der coronabedingten Pausierung des Meisterschaftsbetriebs blieben Einnahmequellen wie Eintrittskarten, Sponsoren- und TV-Gelder, etc. aus und es mussten neben der Gehaltskürzungen der Spieler und Funktionäre die vereinseigenen Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden.
 
Da nun der Ball in den österreichischen Bundesligastadien wieder ins Rollen kommt, blühen den Erstligisten laut Angaben des Bezahlsenders SKY Sport Austria rund 13 Millionen Euro für die Beendigung der Meister- und der Qualifikationsgruppe. Ein Betrag, der trotz Geisterspiele, den Großteil der Bundesligisten über den Sommer hinaus über Wasser halten könnte. Würde die Wiederaufnahme des Spielbetriebs genauso wie die Einnahmen aus den zuvor genannten Quellen ausbleiben, dann würden bis auf LASK, RB Salzburg und SK Sturm Graz, die restlichen neun Vereine im September Gefahr laufen insolvent zu werden, so zumindest die Meinung der Kollegen von der Kleine Zeitung. Stichwort Zweite Welle: Folgt man den Meinungen international-renommierter Virologen wird das Coronavirus mit hoher Wahrscheinlichkeit nach eine zweite Welle an vermehrten Infizierungen auslösen. Auch wenn das erneute Ansteigen der Zahl der Corona-Erkrankten nicht genau prognostiziert werden kann, befinden wir uns was die Infizierten-Zahlen betrifft in einer günstigen Phase, die es den Klubs ermöglicht ohne relativ große Gefahr die diesjährige Saison auf dem sportlichen Weg zu Ende zu bringen. Alles natürlich unter der Prämisse, dass es bestenfalls keine Corona-Infektionen mehr geben wird. Der vorgesehene Zeitraum von Anfang Juni bis Ende Juli kann neben den gesundheitlichen ebenfalls gute zeitliche Rahmenbedingungen für die zehn Playoffrunden, die drei Europa-League Qualifikationsspiele und das Cupfinale anbieten.
 
Entscheidet man sich für den Abbruch der Saison 19/20 könnte es im Worst-Case Szenario gleich zu Beginn der kommenden Saison zur nächsten Corona-Pause kommen, falls die zweite Welle nicht lange auf sich warten lässt. Darauf würden nicht nur viele Anhänger und Geldgeber abhanden gehen, sondern man würde die Professionalität in dem Vorstand der Bundesliga in Frage stellen, was schlussendlich den gesamten österreichischen Fußball schaden könnte. Ähnlich äußert sich Leo Windtner: „Wenn wir jetzt nicht starten, dann würden wir in einem Jahr die Fußball-Landschaft in Österreich nicht mehr wiedererkennen“. Zu guter Letzt, die Liebe zum Spiel. Während sich die Profis der zwölf Bundesligavereine sehnlichst auf den Restart der Bundesliga freuen und dementsprechend auch vorbereiten, bereitet die Wiederaufnahme des Fußball in der TIPICO-Bundesliga einer ganz besonderen Personengruppe viel Freude: den Fans. Unzählige Male erinnerten sich die treuen Anhänger an den Wochenenden, dass sie ohne SARS-CoV-19 ihr Lieblingsteam aus der österreichischen Beletage vermutlich bestaunen hätten können. Da es jetzt mit hoher Sicherheit weiter geht kann der Fußball jetzt für viele Menschen als psychische Entlastung fungieren. Unbezahlte Haushaltskosten, coronabedingte Arbeitslosigkeit, ausbleibende Gehälter, etc. können für 90 Minuten beiseitegelegt werden, um dem Herzensverein vor den Fernsehschirmen zum Sieg zu verhelfen. Weiters können eine großartige Leistung oder ein Sieg den Fans neuen Mut und Zuversicht geben, damit diese mit kühlem Kopf und minimalem Schaden durch die Krise kommen.

 

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Contra von Tobias Kurakin – Abbruch als Chance

Seit Jahren sind grölende, singende und jubelnde Fans nicht mehr die wichtigsten Akteure im Fußball. Funktionäre und Sponsoren sind im Doppelpass mit der Kommerzialisierung des Fußballs die stillen Totengräber unseres heißgeliebten Sports. Die Wiederaufnahme der Liga ist letztlich nur ein Sieg für das Geschäft Fußball, nicht für den Sport.

Stellt euch vor es ist Fußball und niemand geht hin, statt frenetischen Jubelschreien und Emotion herrscht in den Stadien gähnende Leere, einzig TV-Kameras begleiten die heimischen Kicker bei der Jagd über den Rasen. Selbstverständlich können aufgrund der aktuellen Situation keine Zuschauer die Stadien stürmen, jedoch sind Geisterspiele die falsche Alternative. Durch die bereits stetig wachsende Kommerzialisierung des Fußballs sind in vielen Ligen die TV-Rechte wichtiger geworden als die Fans, die den Sport groß gemacht haben. In England schlägt sich die Entwicklung in lächerliche hohen Ticketpreisen und halbvollen Stadien wieder. Anstoßzeiten verschieben sich in ganz Europa in Richtung Prime-Time und unter die Woche. Das idyllische Bild der Gruppe von Freunden oder vom Vater, der mit seinem Sohn das Spiel seiner Lieblingsmannschaft besucht, wird ein Auslaufmodell – logisch, ihre Teilnahme auf den Tribünen ist nicht mehr ausschlaggebend für die Konten der Vereine.

Begeht Österreich den Schritt der Wiederaufnahme des Spiels, begibt man sich in die Zwänge der TV-Anstalten. Bisher gelang es Österreich noch aufgrund adäquater Stadionpreise und angenehmer Spielzeiten dem Schreckgespenst des Kommerzfußballs teilweise zu entfliehen, die völlige Auslieferung durch Geisterspiele würde jedoch ein Eigentor sein. Die heimische Liga ist in Europa ein Aushängeschild könnte sie nicht mit einem Abbruch einen fairen Abschluss der Liga begehen. Nach 22 gespielten Runden, in denen jede Mannschaft einmal daheim und einmal auswärts seine Gegner empfing, könnte problemlos die Saison vorzeitig für beendet erklärt werden. Der LASK wäre verdient Meister, die Europacupplätze werden nach Tabellensituation besetzt und die Abstiegsfrage könnte man für heuer aussetzen. Österreich würde demnach einen richtigen Schritt für die Vernunft und für die Liebe zum Spiel setzen. Auch wenn wie von Kollegen Vukoja angemerkt, die Zahlen der Corona-Infizierten stetig sinken, ist das Risiko bei einem Neustart gegeben. Spieler und Trainerstab müssten folglich einen logistischen Marathonlauf zwischen Training, Spiel und dauerhaften Coronatests über sich ergehen lassen.

Aufgrund der wirtschaftlich angespannten Situation müsste der Staat in die Presche springen. Mit Erstaunen und Unverständnis meinerseits wurde bereits groß berichtet, dass lediglich drei Vereine überleben würden. Mit staatlicher Hilfe wäre die Existenz aller Vereine gesichert, dennoch müssten sich diese in der Folge wirtschaftlich hinterfragen. Der Sport muss sich bei jeder Hilfe, die ihm zweifelsfrei als Kultursektor und Gesellschaftsmittelpunkt zusteht, hinterfragen, ob das Konzept von schneller-höher-weiter zumindest wirtschaftlich überdacht werden müsse. Demut und Nachhaltigkeit sollten folglich die neuen Grundsätze seien, keine Millionentransfers oder andere Geschäfte. Weil es um die Schönheit und die Grundsätze des Fußballs geht, plädiere ich für einen sportlich fairen, gesundheitlich-vernünftigen und gesellschaftlich-fördernden Abbruch der aktuellen Bundesliga-Saison.

 

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Tobias Kurakin

  Tobias Kurakin (Redaktionsleitung) Bei 12ter Mann seit 3/2018