Der Stellenwert des Fußballs in Österreich
Die Österreicher lieben Fußball, das ist keine Frage. Stehen große internationale Turniere an, strömen die Fans in die Lokale und geben sich dem Rudelgucken hin. Auch in den heimischen Wohnzimmern wird intensiv mitgefiebert. Die traditionellen Vereine wie Austria Wien, SK Sturm Graz und natürlich SK Rapid Wien können sich vor Fans kaum retten und doch sehen die Erfolge auf der Weltbühne sehr bescheiden aus.
Um auf wirklich große Siege zu stoßen, müssen wir in der Geschichte leider ein ganzes Stück zurückgehen. Eine Drittplatzierung beim Europapokal der Mannschaften gelang immerhin noch 1948/53 sowie 1955/60. Den ersten Platz im selben Turnier belegte die Nationalmannschaft 1931/32, kurz zuvor, nämlich 1927/30, hat es immerhin schon zum Vizemeister-Titel gereicht. Die Weltmeisterschaft 1954 wurde zu einem wahren Triumph, in diesem Jahr landeten wir auf dem ehrenvollen dritten Rang. Danach hat Österreich leider niemals wieder einen Platz in den vorderen Rängen einer EM oder WM belegt. Aber das soll uns nicht belasten, schließlich gilt es, den Blick nach vorn zu richten.
Die letzten EM-Jahre liefen schon relativ hoffnungsverheißend ab. Die EM 2016 begann mit einer Qualifikation zur Endrunde, immerhin mit einem Unentschieden und neun Siegen. Leider wartete trotzdem ein früher Abschied im Spiel gegen Island. Die höchste Platzierung auf der FIFA-Rangliste gelang am 5. November 2015: Zu diesem Zeitpunkt belegten die Österreicher immerhin einen stolzen 10. Platz. Auch der 2. Juni 2018 ging in die heimatliche Fußballgeschichte ein: In einem Testspiel besiegte Österreich zum ersten Mal seit 1986 die deutsche Nationalmannschaft – und das sogar, noch bevor diese den Weltmeistertitel wieder abgeben mussten.
Apropos Deutschland: Erstaunlich viele unserer Fußballer sind ins Nachbarland abgewandert und dort in den höchsten Ligen aktiv. Wir Österreicher sind also alles andere als unbegabt! Der mit Abstand bekannteste emigrierte Spieler ist wohl Bayern Münchens David Alaba, dieser debütierte bereits 2010 in der Bundesliga. Kein aktiver Österreicher in der deutschen Bundesliga hat mehr Einsätze zu verzeichnen als er. Mit den Münchnern hat er laut mehreren Bundesliga Prognosen die besten Chancen einen weiteren Meistertitel einzufahren. Alaba ist aber nur einer von vielen Spielern, die aufzeigen, wie erfolgreich wir »Ösis« im Ausland sind.
Insgesamt stellen Österreichs Fußballer sogar die größte Fraktion der Legionäre in Deutschland, damit haben wir die Schweiz als wichtigstes Rekrutierungsland abgelöst. Etwa 30 Sportler sind es derzeit, die sich in den Dienst der deutschen Bundesliga-Vereine gestellt haben. Kevin Wimmer gehört mit dazu, ebenso wie Phillipp Mwene und Philipp Lienhart: Diese Namen sollten in den Ohren passionierter Fußballfans eigentlich klingeln. Dass der deutsche Fußball ohne die österreichischen Spieler allerdings nur noch halb so gut wäre, ist eine steile These, die sich nicht ohne Weiteres untermauern lässt.
Natürlich wären da noch die österreichischen Rekordspieler zu nennen, die teilweise beachtliche Leistungen erbrachten. Die ältere Generation kennt sicher noch den jetzigen Fußballveteranen Gerhard Hanappi, ein wahrer Alleskönner mit einer überraschend geringen Körpergröße von nur 1,69 m. Er war der Schlüsselspieler der damaligen Nationalmannschaft, der das grandiose Abschneiden in der WM 1954 erst möglich machte. Seine Position: linker Außenverteidiger.
Auch Toni Polster gehört ganz sicher zu den internationalen Fußball-VIPs, er war noch gar nicht auf der Welt, als Hanappi im WM-Jubel ausbrach. Doch heute zählt der Toni auch schon weit über 50 Lenze und hat sich vom aktiven Spiel verabschiedet. Er trainiert stattdessen den Verein SC Wiener Viktoria und vermittelt den dortigen »Youngsters« hoffentlich viel von seinen altbewährten Fertigkeiten. Toni Polster gelang gemeinsam mit Austria Wien zweimal der Finalsieg in der österreichischen Meisterschaft – das war 1984 und 1986. Als Nationalspieler schoss er insgesamt 44 Mal den Ball ins gegnerische Netz und ist damit bis heute Rekordtorschütze geblieben.
Der in Wien geborene Andreas Herzog fungiert heute zwar als Cheftrainer des israelischen Nationalteams, doch war er immer ein echtes österreichisches Urgestein. In seiner Karriere als aktiver Spieler absolvierte er 103 Länderspiele und übertraf damit jeden Vorgänger – auch Toni Polster.
Der österreichischen Star-Riege gehört ganz gewiss auch Hans Krankl an, der sich heute ebenfalls als Fußballtrainer engagiert. 1999 schaffte er es zum Trainer des Jahres, aber auch davor, auf dem grünen Rasen, konnte er zahlreiche Erfolge feiern. Er holt sich zum Beispiel gemeinsam mit dem FC Barcelona 1979 den Europapokal und wurde viermal österreichischer Cupsieger mit dem SK Rapid Wien: 1976, 1983, 1984 und 1985. Legendär ist auch Krankls Schlagerkarriere ab den 70er Jahren, die bis ins nächste Jahrtausend andauerte.
2020 – die große Wende für Österreich?
Vielleicht befinden wir uns gerade jetzt im Jahr der großen Wende, denn Österreich hat sich wieder zur EM qualifiziert – und das vorzeitig mit einem überzeugenden Sieg gegen Mazedonien. Sowohl die EM 2016 als auch die WM 2018 erwiesen sich für unser Land nicht gerade als Sprungbretter in den Fußballhimmel, auch wenn wir dort ebenfalls die jeweilige Endrunde erreichen konnten. Doch unverhofft schnell kommt eine neue Chance auf Österreich zu, die wir vielleicht endlich zu nutzen wissen.