Karriere auf der Überholspur – Interview mit Karim Onisiwo
Der Mainz-Legionär [spielerprofil spieler=“Karim Onisiwo“] hat bislang eine spannende Karriere hinter sich. Spät entschied er sich den Traum des Profifußballers umsetzen zu wollen und geigt mittlerweile in der höchsten deutschen Spielklasse. Bei uns erzählt Karim über seinen Aufstieg, die Unterschiede zwischen der österreichischen und deutschen Liga und über seine Erfahrungen im Nationalteam.
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Karim, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, mit uns ein Interview zu führen. Erste Frage gleich vorweg – wie geht es Ihnen bzw. dem Nachwuchs und bekommen Sie wohl ausreichend Schlaf, seit der Kleine im Hause ist?
Danke, es geht mir sehr gut. Mit dem Nachwuchs läuft es auch gut, seit vier Wochen ist er nun bei uns zu Hause und mit dem Schlaf gibt es derzeit überhaupt kein Problem, da das auch seine derzeitige Lieblingsbeschäftigung ist.
Sie haben wohl eine der steilsten Karrieren im österreichischen Fußball durchlaufen. Mit 17 haben Sie sich dazu entschieden, den Weg des Profifußballers zu gehen, sind 2010 in die Regionalliga gewechselt, haben in der Saison 2015/2016 eine halbe Spielzeit in Österreichs höchster Liga absolviert und im Jänner 2016 schlussendlich den Sprung nach Deutschland zum 1. FSV Mainz 05 gewagt. Wie ist diese Leistungsexplosion, die Sie im Laufe dieser Jahre erlebt haben, im Nachhinein erklärbar?
Seit dem Wechsel zu Austria Salzburg (Anm. der Redaktion: 07/2012) ist es wirklich steil bergauf gegangen. Der Aufstieg ging damit einher, dass ich mich dazu entschlossen habe nach zwei Jahren wieder einen Berater zu nehmen; ein Schritt der heutzutage nötig ist, um sich erfolgreich im Profifußball etablieren zu können. Mit Günther Starzinger habe ich einen wirklich guten Mann gewonnen, der an mich geglaubt hat. Für mich selbst war die Situation nicht so einfach, da ich erst wieder Vertrauen zu einem Spielerberater aufbauen musste, da es mit vorherigen Beratern leider nicht so gut gelaufen ist. Ab dem Zeitpunkt als Günther Starzinger mich zu beraten begonnen hat, habe ich bei Austria Salzburg regelmäßig Tore erzielt und Assists geliefert.
Dann kam der Schritt nach Mattersburg in die zweite Liga, obwohl ich damals schon Angebote aus der österreichischen Bundesliga bekommen habe. Wir haben uns aber gesagt, dass wir alles Step-by-Step machen wollen und ich mich erstmals in der zweiten Liga beweisen soll. Das hat dann ja auch gut geklappt, wir sind sofort in die Bundesliga aufgestiegen und nach nur einer halben Saison in der höchsten österreichischen Liga ging es dann schon weiter nach Deutschland.
Das bringt mich gleich zur nächsten Frage. Der Wechsel nach Deutschland erfolgte, wie Sie bereits erwähnt haben, nach nur einem halben Jahr in Österreichs höchster Spielklasse. Hatten Sie keine Sorge, dass dies möglicherweise ein etwas zu großer bzw. zu schneller Schritt sei?
Ich habe schon in jungen Jahren viel Erfahrung im Erwachsenenfußball sammeln dürfen, da ich ja keine Akademie durchlaufen habe. Dadurch habe ich mir ein paar andere Dinge aneignen können, die es im Profifußball benötigt. Ich denke, dass der Schritt definitiv nicht zu früh war, manche setzen diesen ja bereits mit 18 Jahren. Ich wusste, dass ich die Voraussetzung dafür habe, dass ich in Deutschland bestehen kann, also dachte ich mir vor dem Wechsel, wenn ich jetzt nicht wechseln würde, wann dann. Dass man sich hier durchsetzt oder Fuß fasst, das ist natürlich eine andere Sache, den Schritt muss man aber wagen oder eben nicht.
Das bedeutet, dass Sie durch die frühen Erfahrungen im Erwachsenenfußball gestärkt in den Profifußball wechseln konnten?
(lacht) Ja, so kann man das wohl sagen.
Aufgrund einer Verletzung und der Unsicherheit bezüglich Ihres alten Arbeitspapiers haben Sie am 26. Spieltag der Vorsaison gegen Borussia Dortmund auswärts Ihr Bundesligadebüt absolviert. Damals jedoch nicht vor einer atemberaubenden Kulisse, sondern in einem nahezu beängstigend leisen Stadion. Ein Fan von Dortmund ist im Stadion verstorben – wie schwierig war für Sie die Situation als Sie eingewechselt wurden?
Die Vorfreude war riesig, man weiß ja, dass das Stadion und die Atmosphäre der absolute Hammer sind. Der Todesfall hat die Stimmung natürlich überschattet, das Stadion war still und für uns als Spieler komisch. Wir wussten ja während des Spiels nicht, was vorgefallen war.
Also wurden die Spieler am Spielfeld von dem Vorfall nicht unterrichtet?
Nein, wir haben normal gespielt, als dann die Stimmung plötzlich nachließ. Klar fragt man sich, was da los sei, aber wir haben erst nach dem Spiel von dem traurigen Vorfall erfahren.
Bereits in den neun Einsätzen, die Sie in der Vorsaison noch für den FSV Mainz bestreiten konnten, gelang Ihnen der Sprung in die Startelf, den Sie auch noch mit einem ersten Meisterschaftstor krönten. Waren Sie ob der starken Konkurrenz selbst etwas überrascht, dass sich alles so schnell entwickelt hat?
Ich hatte zu Beginn des Engagements in Mainz ja leider gleich eine Verletzung und als ich dann fit war, war es erst mal schwierig, wieder reinzukommen; gerade da man die Liga noch nicht kennt und der Sprung von Österreich nach Deutschland doch ein großer ist. Ich habe anfangs etwas gebraucht, bin dann aber gegen Ende der Saison immer besser in Form gekommen und habe, wie Sie schon gesagt haben, auch noch ein Tor erzielt.
Mir wurde gerade in der Zeit der Verletzung seitens des Vereins viel Unterstützung entgegengebracht, ich wurde wirklich gut auf meine neue Situation in Deutschland vorbereitet. Ich muss sagen, dass haben sie hier wirklich top gemacht. Durch das gute Saisonfinish bin ich auch deutlich gefestigter in diese Saison gestartet.
In welchen Bereichen haben Sie seit dem Wechsel nach Mainz die meisten Fortschritte erzielt?
Das fängt schon bei der Spielvorbereitung an – hier wird man auf jeden Gegner viel intensiver vorbereitet, es gibt zahlreiche Videoanalysen, das bringt einfach die Liga mit sich. Im taktischen Bereich habe ich vor allem im Defensivverhalten viel gelernt, da hatte ich starke Defizite, da ich, wie zuvor gesagt, keine Akademie absolviert habe. Mein Verhalten diesbezüglich am Platz hat sich mittlerweile schon deutlich verbessert, natürlich kann ich hier auch noch viel erlernen. Das gilt auch für meine Rolle in der Offensive, man lernt einfach nie aus.
In der neuen Saison gehören Sie zum Stamm, durften auch in der Europa League zumeist ran. Während es in der Meisterschaft für Mainz wiederholt sehr gut läuft, ist man in der Europa League eine Runde vor Schluss bereits fix ausgeschieden. Was nehmen Sie aus Ihren ersten internationalen Einsätzen mit?
Allein die Möglichkeit in der Europa League spielen zu können, bietet zahlreiche einmalige Momente. Schon die Reisen zu den Spielen sind etwas Besonderes und ich denke, dass mich diese Einsätze auch als Persönlichkeit noch einen Schritt weitergebracht haben.
Nach dem passablen Saisonstart liegt Mainz derzeit auf dem neunten Rang, am Freitag wartet der FC Bayern München. Was sind in dieser Spielzeit die Ziele des Teams – strebt man wiederholt einen internationalen Startplatz an?
Als Ziel ist definiert, dass wir so gut wie möglich abschneiden. Der Start in die Spielzeit war schon mal sehr gut, den jetzigen Platz würden wir zumindest sehr gerne verteidigen. Auf die internationalen Startplätze schielt jeder, man muss halt darauf achten, dass man Woche für Woche konstant auftritt. Das Team freut sich schon sehr darauf und wir werden versuchen, dass wir es unseren Gegnern so schwer wie möglich machen.
Ihr Trainer Martin Schmidt gilt als sehr spezieller Typ – Julian Baumgartlinger nannte ihn mal Menschenfreund -, der immer eigene Wege geht, um dem Team Zusammenhalt einzuprägen und dem ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Spielern nachgesagt wird. Läuft man da als Spieler Gefahr, dass die Beziehung zu kumpelhaft wird?
Nein, das sehe ich nicht so. Schmidt ist wirklich ein besonderer Trainer, der sehr viele Gespräche mit den Spielern führt und der auch einen guten Draht zu den jungen Spielern hat. Diese Gespräche sind auch nie zu viel, denn man kann einem Spieler eigentlich nicht oft genug sagen, wo und wie er sich verbessern kann. Dass ein kumpelhaftes Gefühl aufkommt, da besteht auch keine Gefahr, eine gewisse Distanz ist immer vorhanden, gerade bei den Trainingseinheiten merkt man dies dann auch, wenn mal eine Aktion nicht so gut läuft.
Schmidt bevorzugt den Konterfußball, für den Sie mit Ihrer Schnelligkeit auf der Außenbahn prädestiniert sind. War die Spielanlage der Mainzer damals ein Mitgrund für den Wechsel?
Ja, natürlich. Wir haben uns vor dem Wechsel intensiv ausgetauscht und da hat einfach alles für diesen Transfer gesprochen. Es ist der perfekte nächste Schritt, ich bekomme hier Zeit mich zu entwickeln und werde nicht ins offene Feuer geworfen. Mainz hat schon in den letzten Jahren bewiesen, dass sie Spieler perfekt heranführen können und diese Philosophie gepaart mit der Spielanlage war auch der Ansporn, dass ich schlussendlich nach Mainz gewechselt bin.
Das Spiel Ihrer Mannschaft fordert durch die immensen Laufwege und Sprints enorme Fitness. Welche neue Methoden zur Steigerung der Fähigkeiten haben Sie unter den Trainern kennenlernen dürfen?
Schon die Vorbereitungen hier sind etwas (lacht) härter, wir haben zwei Athletiktrainer, die ihren Job wirklich super erledigen. Jedes Training ist an die Spieler angepasst, wenn jemand nicht fit ist, dann wird er rausgenommen, da herrscht perfekte Abstimmung zwischen dem Trainer und den Athletiktrainern. Dies ist auch ein Grund, dass die Mannschaft auf einem sehr hohen Fitnesslevel ist und die vielen Kilometer abspulen kann.
Kommen wir zum Ende des Interviews noch kurz auf das Nationalteam zu sprechen. Sie durften im Vorjahr gegen die Schweiz erstmals das Teamtrikot überstreifen. Wie war das Gefühl, erstmals für sein Heimatland auflaufen zu dürfen?
Das war ein unglaubliches Gefühl, gerade auch, da ich damals ja noch in Mattersburg unter Vertrag stand. Das haben bislang noch nicht so viele Spieler geschafft. Es war für mich eine große Ehre erstmals das Nationalteamtrikot tragen zu dürfen, leider hat das Ergebnis nicht gepasst.
Leider hat es für Sie nicht für die Europameisterschaft gereicht – haben Sie von Marcel Koller eine Begründung bekommen, warum er Sie nicht mitgenommen hat?
Eine direkte Begründung gab es damals nicht. Ich denke allerdings, dass ich einfach zu spät meine Leistung in der Bundesliga zeigen konnte. Ich bin ob meiner Verletzung etwas von der Bildfläche verschwunden und habe erst die letzten Partien in Deutschland wieder gespielt. Dort dürfte dann der Kader auch schon ziemlich fix beschlossen gewesen sein und dann war es halt schwierig da noch dazuzustoßen.
Nach einem Jahr Absenz im Nationalteam wurden Sie für das Länderspieldoppel gegen Irland und die Slowakei erstmals wieder in den Kader einberufen. Hatten Sie das Gefühl, dass die verpatzte Europameisterschaft nach wie vor in den Köpfen der Teamspieler steckt?
Ich habe davon gar nichts bemerkt, die Spieler haben einen freien Kopf und man merkt, dass sich im Team etwas verändert hat. Das Mannschaftsgefüge ist noch enger zusammengewachsen, trotz der verpatzten EM wurde ein Schritt nach vorne gemacht. Es hat eine Weiterentwicklung stattgefunden, da viele Spieler so etwas noch nie erlebt haben und man aus dieser Niederlage auch lernen kann.
Sie durften sich gegen die Slowakei 84 Minuten lang präsentieren, leider reichte es nicht für einen Sieg. Was stimmt Sie positiv, dass das Nationalteam im Jahr 2017 wieder die Kehrtwende schafft?
Das hängt natürlich von etwaigen Verletzungen und den jeweiligen Leistungen der Teamspieler im Verein ab. Läuft es im Verein gut, dann nimmt man dies mit ins Nationalteam. Gelingt dies den meisten Spielern, dann stimmt mich das positiv, dass das Jahr 2017 wieder ein gutes Jahr für den österreichischen Fußball werden kann.
Auch in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft ist noch nichts verloren, die nächsten zwei Spiele müssen gewonnen werden und ich kann versprechen, dass wir darauf akribisch hinarbeiten.
Karim, vielen herzlichen Dank für das Interview!
(das Interview fand am 30.11. statt und wurde von Christian Semmelrock geführt)
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