Nationalteam

Österreich vs Ukraine – unsere Nachbetrachtung

Österreich – Ukraine 3:2 (1:0)

Spieltag: 1. Juni 2012 / Anpfiff: 20.30 Uhr MEZ

Spielort: Innsbruck (13.000 Zuschauer)

 

Aufstellung Österreich: Lindner; Klein, Scharner, Prödl, Suttner; Baumgartlinger, Alaba; Ivanschitz, Arnautovic, Junuzovic; Janko

Aufstellung Ukraine: Gorjainow; Gusew, Chatscheridi, Michalik, Rakizki; Timoschtschuk; Jarmolenko, Nasarenko, Konopljanka; Woronin, Devic

 

Das Publikum  

Auch dieses zweite Heimspiel Marcel Kollers ging in einem ehemaligen Stadion der Euro 2008 über die Bühne – auf dem Innsbrucker Tivoli. Das Stadion fasst nach dem Rückbau noch 15.200 Zuseher in internationalen Bewerben und war somit fast ausverkauft. Ein erster Unterschied gegenüber dem Austragungsort Klagenfurt. Der zweite Unterschied betrifft das Verhalten der Fans: keine Pfiffe für das österreichische Team. Nicht, dass es sich diese verdient hätte, aber das Publikum war einfach ruhig, es kam also auch zu selten zu Anfeuerungen. Schade!

Zu Beginn fiel auf, dass David Alaba nicht bei der Hymne mitgesungen hat – vermutlich konnte für ihn so kurzfristig kein englischsprachiger Text aufgetrieben werden. ;)


Spielverlauf/taktische Beobachtungen

Wir konnten noch nicht viel Taktisches beobachten, als Andreas Ivanschitz knapp vor dem ukrainischen Strafraum gefoult wurde. Den dafür verhängten Freistoß verwertete Zlatko Junuzovic sehenswert zur frühen Führung für Österreich. 

Danach kam leider nicht mehr viel. Die Österreicher standen in der Verteidigung grundsätzlich kompakt und sicher. Im Bereich von 20 – 25 Metern um die Mittellinie überließen sich die Gegner relativ unbedrängt gegenseitig den Platz, die Österreicher verfolgten ein offensichtliches Defensivpressing. Dies führte dazu, dass die Mannschaft der Ukraine in Halbzeit 1 nur zu einer wirklich guten Chance kam, besonders der von ORF-Kommentator Oliver Polzer wieder und wieder geschmähte Marko Arnautovic arbeitete defensiv sehr fleißig mit. Nach vorne tat sich aber gar nichts Nennenswertes mehr, uns Zuschauern bot sich über fast 40 Minuten ein Mittelfeldgeplänkel. Dies war natürlich für die ruhige Stimmung im Stadion auch kein Zeichen zum Aufwachen. Aber vielleicht hätte ein ambitioniertes Publikum das Team aufwecken können? 

Marc Janko als Solospitze hing völlig in der Luft und hatte kaum nennenswerte Ballberührungen. Zu oft wurde im österreichischen Spielaufbau zu hastig gespielt und oftmals wurden unnötig Bälle an den Gegner verschenkt – vor allem Julian Baumgartlinger hatte nicht seinen besten Tag erwischt.

Hier zeigte sich auch ein großes Manko im österreichischen Spielaufbau: durch das Fehlen von Christian Fuchs und die gleichzeitig – hoffentlich letzte – Startelfnominierung von Florian Klein kam von den Außenverteidigern praktisch nichts, was man als Offensivaktion bezeichnen konnte. Florian Klein hat leider bei weitem nicht die Anlagen, auf internationalem Niveau einen mordernen Außernverteidiger spielen zu können. Diese Problemzone wurde in der 28. Minute verletzungsbedingt behoben, als György Garics den angeschlagenen Florian Klein ersetzte, von da an entstand auf der rechten Seite deutlich mehr Offensivdrang. Markus Suttner spielte defensiv zwar sehr solide, aber auch ihm fehlt der Zug nach vorne. So gut wie nie wurde der davor spielende Flügelspieler hinterlaufen wodurch auch keine Flanke für Marc Janko in den Strafraum geschlagen wurde.  

Der fehlende Spielaufbau aus der Verteidigung heraus wurde duch das Innenverteidiger-Duo Sebastian Prödl und Paul Scharner ebenfalls nicht ausgemerzt, ganz im Gegenteil. Sebastian Prödl ist zwar ein solider Innerverteidiger, seine Spieleröffnung hält sich aber noch in Grenzen. Noch schlimmer sieht das bei Paul Scharner aus, der für viele überraschend an Stelle von Aleksandar Dragovic in der Startelf stand. Dragovic hätte sehr wohl die Fähigkeiten, ein Spiel zu eröffnen, wie sich das heutzutage für einen modernen Innenverteidiger gehört – hier wollte Marcel Koller etwas probieren und hat sicher seine Erkenntnisse gewonnen.

Dass 1:0 reichte aber bis zur Pause, weil auch die Ukraine keine entscheidenden Akzente setzen konnte. Unser Gegner und auch EM-Teilnehmer war absolut harmlos in seinem Spiel. 

 

Nach der Pause präsentiert sich das österreichische Team personell unverändert. Bei der Ukraine wird der Sturm verändert, es spielen nun Schewtschenko und Milewski. Beide Mannschaften agieren etwas beherzter, es kommt auch wieder zu Torszenen. Österreich verlagert sein Angriffsspiel auf die Flanken; eine gute Entscheidung. In diese Phase fiel jedoch auch der unnötige Ausgleichstreffer für die Ukraine. Dieser entstand auch aus einem Freistoß, welcher zwar nicht platziert den Weg ins Gehäuse fand, aber über Umwege zu einem freistehenden Spieler der Ukraine fand, der dann nur noch abstauben musste.

Wie wird nun Österreich reagieren? Zu unserer Freude sind keine Anzeichen von einer Schockstarre zu sehen. Ganz im Gegenteil: alle versuchen sich in ihren Bemühungen zu steigern. Alaba kombiniert auf der linken Seite immer wieder gefällig mit Junuzovic und manchmal auch Suttner. Aus so einem Zusammenspiel ergibt sich auch die abermalige Führung für Österreich. Ivanschitz bekommt den Ball von dem links antretenden Alaba, den er – unfreiwillig – zu Arnautovic weiterspielt. Marko schiebt die Wuchtel überlegt, flach und unhaltbar ins lange Eck. Marcel Koller nimmt in der 63. Minuten den farblosen Marc Janco vom Platz und ersetzt ihn durch den Debütanten Patrick Bürger vom SV Mattersburg.

Offener Schlagabtausch nun. Das 2:2 der Ukrainer folgt nahezu postwendend durch einen gefühlvollen Schuss ins Kreuzeck. Heinz Lindner war hier machtlos, wie auch schon beim ersten Treffer. In den für ihn wenigen Aktionen rechtfertigt er seine Aufstellung, die der Teamchef auch mit einer respektablen Rückrunde als Ersatz für den verletzten Pascal Grünwald beim FK Austria Wien begründete. Dennoch hätten wir uns für eine Halbzeit auch gerne das Können von Lukas Königshofer angesehen.

Veli Kavlak kommt nun in der 68. Minute für Julian Baumgartlinger in der Zentrale zum Einsatz. Der Mainzer hatte wie schon zuvor erwähnt nicht seinen kreativsten Tag. Später kamen auch noch Burgstaller für Ivanschitz (75.) und Pehlivan für Alaba (82.). Letzterer hatte aber noch ein Traumtor auf den Füßen. Alaba fordert in vollem Lauf den Ball, den er von Garics bekommt, und versucht den Direktschuss aufs Tor. Eine sehr lässige Aktion, der Ball geht nur knapp an der Stange vorbei.

Kurz vor Schluss wollten wir eigentlich nur, dass sich manches umdreht. Dass nicht unser Team die späten Tore kassiert, sondern selbst macht. Wir wurden diesmal nicht enttäuscht. Junuzovic, der seinen Fixplatz im Team haben sollte, passt auf seinen Bremer Kollegen Arnautovic. Dieser lässt seinen gegnerischen Verteidiger am Strafraumeck aussteigen und schlenzt den Ball perfekt ins Kreuzeck. Ein wunderschönes Tor, das kurz vor dem Schlusspfiff also das siegbringende 3:2 für Österreich darstellt.


Fazit

Wir sind zufrieden, definitiv wieder ein Schritt nach vorne! Die Probleme im Spielaufbau in der ersten Halbzeit wurden in der zweiten Halbzeit einigermaßen behoben, es wurde viel ruhiger gespielt und nicht so viel hergeschenkt. Weitere Verbesserungen sind zu erwarten, wenn wir in der Abwehr wieder mit der 1. Garnitur von Beginn an spielen (Garics, Pogatetz/Prödl, Dragovic, Fuchs). Außergewöhnlich gut war diesmal auch die nahezu perfekte Chancenauswertung. Alles in allem ein verdienter Sieg, der gegen diesen Gegner nicht nur machbar war, sondern auch gemacht wurde!

Aber besonders beeindruckt haben uns zwei Tugenden, die vom ORF und dem sogenannten Analytiker Herbert Prohaska natürlich nicht erkannt wurden: Marcel Koller und sein Betreuerteam haben der österreichischen Nationalmannschaft die erste Dosis einer Siegermentalität eingeimpft, die wir seit Jahren so neidvoll bei unseren deutschen Nachbarn bewundern konnten/mussten. Genau dieser unbedingte Wille, ein Spiel zu gewinnen,  ist es, der diese entscheidenden Tore in der Endphase eines Spiels bringt. Mit dieser Einstellung spielt man erfolgreiche Qualifikationen! Ebenfalls augenscheinlich war der Teamspirit, der in der gesamten Mannschaft herrscht. Marcel Koller versteht es offensichtlich auch sehr geschickt, Marko Arnautovic so zu führen, wie es für ihn wichtig ist – alleine die Umarmung nach dem 3:2-Siegtreffer zwischen Trainer und Spieler beweist dies eindrucksvoll.

 

Die Berichterstattung – einmal mehr eine Niederlage

Richtig zum Ärgern fanden wir heute ORF-Kommentator Oliver Polzer, der keine Gelegenheit verstreichen ließ, sich auf lächerlichstem Niveau auf Marko Arnautovic einzuschießen. Man ist versucht zu glauben, dass dieser Mann nur einen sehr begrenzten Fußball-Fachverstand hat und nicht erkennt, dass Arnautovic sehr viele gute Defensivaktionen geboten hat. Es zählt bei der Bewertung eines Spiels nunmal nicht die Vergangenheit, sondern das aktuell Gebotene. Und das rechtfertigt weder ein Verteufeln des einen noch ein Lob für irgendeinen anderen Spieler – auch nicht für David Alaba. Und zwar auch dann nicht, wenn er mit dem FC Bayern München im Champions League Finale war. Eine selten überflüssige Meldung konnte sich auch Prohaska – wieder einmal – nicht verkneifen, in dem er meinte, dass Arnautovic noch viel mehr helfen würde, wenn er seine „Geschichten außerhalb des Platzes“ weglässt. Irgendwas hat der gute Mann wieder einmal nicht mitbekommen, denn Marko Arnautovic fällt schon lange nicht mehr durch schlechte Presse auf.

 

Unsere Topspieler des Abends:

1. Marko Arnautovic
2. Zlatko Junuzovic
3. David Alaba

 

Unsere Flops des Abends

1. Oliver Polzer (überlegen)
2. Herbert Prohaska
3. 
Das etwas zu verhaltene Innsbrucker Publikum


(Autoren: newton, thelex)


Linktipp: 12terMann.at auf facebook und twitter   


Alexander Doubek

Alexander DOUBEK (Gründer/Chefredakteur) Bei 12terMann seit: 09/2011 M: alexander.doubek@12termann.at T: @AlexanderDoubek  

Schreibe einen Kommentar