Marcel Koller – ein Ausblick auf die zweite Amtszeit.
Vier wichtige Fragen vor der EM-Qualifikation.
Mit dem freundschaftlichen Länderspiel gegen Uruguay startet das österreichische Fußballnationalteam in das Länderspieljahr 2014. Es ist dies zudem der zweite Auftritt nach der ersehnten Vertragsverlängerung von Teamchef Marcel Koller, das erste der offiziellen zweiten Ära. Was darf man sich erwarten? Wo muss man die Hebel ansetzen um die bevorstehende Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 erfolgreich zu absolvieren?
Die Fortschritte, die dem ÖFB-Team unter dem Schweizer gelungen sind, sind augenscheinlich. Insbesondere im Spiel gegen den Ball zeigte man, aufbauend auf hoher taktischer Ordnung, dass man sich vor keinem Gegner verstecken muss. Symbolisch dafür steht vor allem das Heimspiel gegen Deutschland in der abgelaufenen WM-Qualifikation. Nichtsdestotrotz gibt es die eine oder andere Sache, die man in Zukunft verbessern muss, will man den Aufwärtstrend fortsetzen.
Kann man das Aufbauspiel verbessern?
Große Probleme hatte das ÖFB-Team, wenn es das Spiel machen musste. Augenscheinlich war dieses Manko beispielsweise im ersten Auswärtsspiel der WM-Qualifikation, als man gegen tiefstehende Kasachen kaum brauchbare Torchancen hatte. Zum einen fehlten einstudierte taktische Laufwege, mit denen man Lücken aufreißen hätte können, zum anderen individuelle Überraschungsmomente. Man neigt dazu, dies auf das damalige Fehlen von David Alaba umzuwälzen, doch die Probleme liegen tiefer.
Selbst mit Alaba am Spielfeld zeigte sich das Aufbauspiel des ÖFB-Teams phasenweise ideenlos und stellte die Gegner kaum vor schwere Aufgaben. Es reicht im Allgemeinen eine simple Manndeckung gegen den Bayern-Legionär um den Spielaufbau lahmzulegen. Die Folge sind dann meist lange Bälle, die jedoch kaum zum Erfolg führten. Vor allem in diesem Punkt wird sich das ÖFB-Team verbessern müssen. Dass sich Koller darüber bereits Gedanken gemacht hat, sah man gegen die USA.
Mit Lukas Hinterseer begann ein physisch starker Spieler auf der Zehnerposition. Damit hatte man mehr Präsenz in der Luft und auch am Boden konnte man die robuste Spielweise des Tirolers ausspielen. Er agierte als Wandspieler, ließ Bälle prallen, wodurch man immer wieder schnelle Doppelpässe sah. Allerdings hat Hinterseer Mängel im technischen Bereich und bewegt sich im Pressing nicht so dynamisch und präzise wie etwa Zlatko Junuzovic.
Es ist daher nicht davon auszugehen, dass Hinterseer eine dauerhafte Rolle als Zehner spielen wird, als Alternative unter bestimmten Voraussetzungen ist er jedoch durchaus interessant. Vielmehr wird es Impulse von den weiteren Zentrumspielern brauchen. Veli Kavlak gilt landläufig als spielmachender Akteur, allerdings ist er in seinem Passspiel oft zu hektisch und agiert zu wenig verlagernd. Die größten Qualitäten hat der Besiktas-Legionär im Pressing, wo er stets zuverlässig für Rückendeckung sorgt.
Berechtigte Hoffnungen darf man in Christoph Leitgeb setzten. Der Salzburger, der mittlerweile auch bei seinem Klub regelmäßig zu Einsätzen kommt, wäre prinzipiell der passende Spielertyp. Sein Passspiel ist zuverlässig, zudem kann er den Ball auch am Fuß nach vorne treiben. Ein weiterer Ansatzpunkt, vor allem wenn man davon ausgeht, dass Julian Baumgartlinger an der Seite von Alaba spielen wird, wäre es die Flügelspieler stärker einzubeziehen.
Wichtig ist jedenfalls, dass man diesen Problemen nicht derartig gegenübersteht, dass man von einzelnen Spielern verlangt, ihre grundlegen Eigenschaften und Fähigkeiten zu ändern. Es gilt vielmehr die Stärken des Einzelnen so einzubringen, dass unter dem Strich das Niveau gesteigert wird. Man kann dies einerseits über neue Automatismen und Laufwege erreichen, andererseits auch über eine neue Grundformation.
Wird es eine neue Grundformation geben?
Unter Koller wurde weitestgehend aus einer 4-2-3-1-Grundformation heraus agiert. Die Unterschiede zu anderen Formationen, etwa einem 4-4-2 oder 4-3-3, sind fließend und hängen in erster Linie von den eingesetzten Spielern ab. Mit Hinterseer als Zehner sah man oft eine klare 4-4-2-Aufteilung, da dieser als gelernter Stürmer naturgemäß nach vorne drängt. Andererseits lässt sich Junuzovic häufiger fallen. Man sieht, vor allem die zentralen Positionen geben in dieser Hinsicht den Ausschlag.
In Schweden und auf den Färöer entschloss sich Koller dazu, auf eine nominelle 4-1-4-1-Grundformation umzustellen und bot Aleksandar Dragovic als alleinigen Sechser auf. In Anbetracht dessen, dass dieser eigentlich Innenverteidiger ist, löste er seine Aufgaben beachtlich gut. Nichtsdestotrotz machte er einige Fehler, die auf dieser Position für das Team tödlich sein können und damals auch waren. Er orientierte sich immer wieder zu sehr in Richtung des Balls und öffnete dadurch das Zentrum, was die Schweden unter anderem beim zwischenzeitlichen 1:1 nutzten.
Dennoch scheint die Idee, die Grundformation auf 4-1-4-1 umzustellen, interessant zu sein. Im Aufbauspiel hätte man so einen weiteren tiefen Spieler zur Verfügung und könnte es variabler gestalten. So könnte man etwa sowohl die defensiv stabilisierenden Elemente Baumgartlingers als auch die Kombinationsstärke von Leitgeb gleichermaßen einbringen. Ein Problem könnte es jedoch im Spiel gegen den Ball geben, denn die Abläufe scheinen mittlerweile verinnerlicht zu sein.
Der Zehner schiebt auf Höhe des Stürmers nach vorne und stellt so ein 4-4-2 her. Dadurch schafft man es die Passwege ins Zentrum weitestgehend zuzustellen. Spielt der Gegner zwischen den Stürmern hindurch, werden die gegnerischen Sechser von ihren nominellen Gegenspielern umgehend attackiert. Fehlt nun dieser Zehner, fehlt auch der Druck auf das Aufbauspiel. Zwar könnte man damit argumentieren, dass auch einer der beiden Achter nach vorne pendeln könnte, allerdings fordert dies einen höheren läuferischen Aufwand und bietet potenzielle Löcher im Umschaltspiel.
Wie reagiert man auf die vermeintlichen Schwachstellen?
Ein seit Jahren stark diskutiertes Thema ist das Problem auf den Außenverteidigerpositionen. Christian Fuchs gilt zwar als stark in der Offensive, hat aber Probleme im Stellungsspiel und ist bei seinem Verein zudem nicht mehr unumstrittener Stammspieler. György Garics spielt auf der rechten Seite sein Pensum zwar im Allgemeinen sachlich runter, jedoch fehlen dem gemeinen Fan die außergewöhnlichen Dinge. Oft werden daher schlicht andere Spieler gefordert.
Ob diese dann jedoch auch tatsächlich eine merkbare Verbesserung darstellen, ist fraglich. Die Alternativen sind rar gesät, sodass Koller hier an das vorhandene Personal gebunden ist. Man kann lediglich versuchen, das Spiel so zu gestalten, dass die Schwächen der jeweiligen Spieler nicht schlagend werden. Im Defensivspiel könnte man etwa versuchen das Spiel des Gegners so zu leiten, dass man ihn im Zentrum in Pressingfallen drängt, d.h. man bietet bewusst Räume an, die man dann blitzartig verengt.
Ähnliches gilt für die Stürmerposition, auf der Koller zwar eine vielfältige Auswahl hat, jedoch keiner der Angreifer unverzichtbar scheint. Genau das könnte sich aber auch als nützlich erweisen. Mit Marc Janko hat man beispielsweise jemanden, der im und um den Strafraum äußerst präsent ist. Spielt man ihm den Ball in den Fuß, weiß er meistens damit was anzufangen. Hinzu kommt seine Kopfballstärke und Antrittsstärke auf den ersten Metern.
Im Kontrast dazu steht etwa Andreas Weimann. Er ist aufgrund seiner technischen Mängel und geradlinigen Spielweise für ein Angriffspressing schlecht geeignet. Hingegen ist er, wie man bei Aston Villa sieht, durchaus effektiv im klassischen Konterspiel, wenn sich seine Mannschaft tief in die eigene Hälfte zurückzieht. Mit Philipp Hosiner und Philipp Zulechner stehen zudem zwei Hybridtypen zur Verfügung. Diese Vielfalt erlaubt es auf spezielle Situationen und einzelne Spiele flexibel zu reagieren.
Was jedoch ausbaufähig ist, ist die Art und Weise wie man die Stärken der jeweiligen Spieler einsetzt. Flanken auf Janko waren beispielsweise rar gesät. Andererseits setzte man in einzelnen Spielen schlicht auf die falschen Typen. Während sich Hosiner und Weimann gegen die körperlich starke Innenverteidigung der Iren abmühten, blieb in Kasachstan mit Janko der kombinationsstärkste Stürmer eine Stunde lang auf der Bank.
Gibt es Möglichkeiten den Kader breiter zu machen?
Ein besonderes Merkmal bei der Arbeit von Koller ist es, dass er seinen Spielern die Treue hält. Zum Beispiel hat er Marko Arnautovic ständig Spielzeit gegeben obwohl dieser immer wieder medial im negativen Licht erschien, war es aufgrund vermeintlicher Fehltritte abseits des Rasens oder schlechter Leistungen bei seinem Klub. So stand keiner unter dem Schweizer öfter am Platz als der Stoke-Legionär.
Es war dies aber wohl zu Teilen auch eine Konsequenz der dünnen Kaderdecke. Einen zweiten Spieler mit derartiger individueller Klasse findet man Österreich praktisch nicht – Alaba ausgenommen. Es gab Phasen, in denen der Großteil der Legionäre quasi ohne Spielpraxis zum Team kam. In der Startelf im Heimspiel gegen Schweden standen beispielsweise fünf Spieler, die in den Wochen oder gar Monaten davor keine einzige Pflichtspielminute absolvierten.
Auch hier gilt: ob ein Spieler bei seinem Verein zum Zug kommt oder nicht, kann Koller im Allgemeinen nicht beeinflussen. Er muss aus dem vorhandenen und beschränkten Material das Beste machen. In der abgelaufenen WM-Qualifikation setzte er auf einen festen Kader, den er nur punktuell auf den „hinteren“ Positionen veränderte. Für die anstehende EM-Qualifikation sollten die Karten jedoch – zumindest an einigen Positionen – neu gemischt werden. Schon gegen die USA brachte Koller vier Debütanten, die allesamt realistische Chancen auf einen Kaderplatz haben.
Die Einsatzmöglichkeiten von Hinterseer und Zulechner wurden bereits oben erläutert. Mit Kevin Wimmer und Martin Hinteregger drängen in der Innenverteidigung zwei moderne Spielertypen nach, die vor allem über ein starkes Antizipationsvermögen verfügen, was für pressingorientierte durchaus wichtig ist. Aber auch auf anderen Positionen drängen sich interessante Alternativen auf. Dabei muss man noch nicht mal über die Grenzen hinausgehen und mit Leistungsexplosionen einiger Legionärstalente spekulieren.
Im zentralen Mittelfeld stünde mit Stefan Ilsanker ein Spielertyp bereit, der wie geschaffen für eine Formationsumstellung auf 4-1-4-1 wäre. Bei Red Bull Salzburg sorgt der 24-Jährige mit seinem außerordentlich gutem Stellungsspiel für die Balance zwischen Offensive und Defensive. Zudem findet man bei den Mozartstädtern in Robert Zulj einen potenziellen Backup für den nahezu unverzichtbaren Junuzovic. Der Neo-Bulle ist ähnlich dynamisch und laufstark wie der Bremer, kennt die grundlegenden Abläufe des 4-4-2-Pressings bereits aus Rieder Zeiten.
Der Kader ist meist die Grundlage dafür, wie ein Trainer seine Spielphilosophie auslegt – vor allem auf Nationalteamebene. Es wird daher neben neuen Abläufen auch auf die Auswahl des Kaders ankommen, ob Österreich die EM-Qualifikation meistern kann. Für das anstehende Länderspiel gegen Uruguay berief Koller zwar weitestgehend die alt bewährten Spieler ein, das ist jedoch auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich um einen kurzen Lehrgang handelt. Das nächste längere Trainingslager findet erst zu Saisonende statt. Für dieses stellte Koller in Aussicht, auch Neulinge einzuberufen. Welche Spieler dafür infrage kommen, lest ihr in unserer vierteiligen Serie "Das ÖFB-Teamcasting", die morgen startet. (Alexander Semeliker / in Kooperation mit abseits.at)