Nationalteam: Wie die beiden Schlager-Ausfälle kompensiert werden können
Die Verletzungen und Ausfälle von Xaver Schlager (Kreuzbandriss) und Alexander Schlager (Knie/Meniskusverletzung) trafen das Nationalteam so kurz vor der Europameisterschaft ziemlich hart. Mit Xaver fehlt der österreichischen Elf ein essenzieller Baustein, was die Balleroberung, das Umschaltspiel und die Kompaktheit im zentralen Mittelfeld betrifft. Er liest das Spiel, zeichnet sich durch kluge Laufwege aus, klebt an jedem Gegenspieler, läuft als hätte er zwei Lungen und stabilisiert das Spiel der Österreicher wie kein anderer. Sowohl bei Balleroberungen als auch bei der Passquote liegen seine statistischen Werte im besten Drittel aller Spieler der deutschen Bundesliga. Aus Rangnicks Startelf ist er somit normalerweise nicht wegzudenken.
Sein Namensvetter Alexander spielte diese Saison 13 Mal zu null, war zuletzt unumstrittene Nummer Eins im Tor Salzburgs und des Nationalteams und wurde nicht umsonst zum Torhüter der Saison der österreichischen Bundesliga gekürt. Dies verdeutlicht relativ rasch, dass die beiden Ausfälle für eine vergleichsweise kleine Nation wie Österreich nur schwer zu verkraften und genauso schwierig zu kompensieren sind. Fakt ist allerdings: Ersetzen wird man die beiden müssen! Die Frage lautet lediglich: Wie?
Die Torhüterfrage
„Bei Alex Schlager gibt es schon noch ein bisschen Hoffnung“, sagte Ralf Rangnick bei der ÖFB-Pressekonferenz und Kadernominierung vor wenigen Tagen. Jedoch fügte der Teamchef unmittelbar danach hinzu, dass er es für ausgeschlossen halte, dass Schlager gegen Frankreich bereits im Tor steht. Die Kombination beider Aussagen lässt mit Interpretationsfreiraum erschließen, dass man Alexander Schlager wohl zwar Mut und Hoffnung zusprechen möchte, aber schon jetzt weiß und auch vorgibt, dass man mit einem anderen Torhüter ins Turnier starten wird und sich keinesfalls auf ein Glücksspiel einer möglich rascheren Genesung einlässt. Zudem ist es nicht unbedingt ratsam, einen Torhüter inmitten des Turniers auszutauschen.
Es ist daher anzunehmen, dass man Patrick Pentz (Bröndby IF/DEN; 5 Länderspiele) gegenüber seinen Konkurrenten Niklas Hedl (SK Rapid/AUT; 1), Tobias Lawal (LASK/AUT; 0) und Heinz Lindner (Royale Union Saint-Gilloise/BEL; 36) den Vorzug geben wird, was auch die nachvollziehbarste und sinnvollste Lösung wäre. Pentz überzeugte mit einer großartigen Saisonleistung in der dänischen Liga, spielte dort zehnmal zu null, zeigte auch die konstanteste Formkurve, ist zudem ballsicher am Fuß und stand bereits in der Nations League zweimal gegen Frankreich im Tor. Besonders beim 1:1 in Wien hielt er mit sicherer Ausstrahlung und guten Paraden das Tor der ÖFB-Elf lange sauber. Die Summe dieser Komponenten lässt also schon einiges dafür sprechen, dass Pentz die Nummer Eins Österreichs sein wird. Er kennt Frankreich und er kann Frankreich.
Als Alternativen dahinter drängt sich leider niemand zwingend auf, was den Konkurrenzkampf zumindest von außen etwas undurchsichtig macht. Lindner wäre zwar der routinierteste Torhüter der Vier, kommt bei Union St. Gilliose aber nicht über einen Platz auf der Sitzbank hinaus. Für Tobias Lawal spräche abseits der guten Form, dass er mit 195 cm Körpergröße, der größtgewachsene Ballfänger des ÖFB-Kaders ist. Ein Aspekt, der gegen Präzisionsschützen, wie sie die Franzosen, aber auch die Niederländer in ihren Reihen haben, nicht zu unterschätzen ist. Allerdings hat er noch kein einziges Länderspiel bestritten und müsste bei einem Debüt dieser Kragenweite wohl einerseits Nerven aus Stahlseilen besitzen, sowie andererseits blindes Vertrauen von Rangnick. Davon ist nicht auszugehen. Niklas Hedl dürfte in diesem Kreise wohl die schlechtesten Karten für die Nummer Eins haben und gilt als unwahrscheinlichster Kandidat.
Mittelfeldmotor gesucht
Theoretische Varianten, um Österreichs Mittelfeldmotor Xaver Schlager personell und ohne Qualitätsverlust zu ersetzen, ohne dabei auch nur die kleinste Stellschraube an taktischen, strategischen und philosophischen Ausrichtungen drehen zu müssen, gibt es eigentlich nur eine: Und diese lautet Konrad Laimer. Bayerns zentrale Arbeits- und Mentalitätsmaschine ist der einzige Spieler in Österreichs Kader, der bis auf die Rechtsfüßigkeit, dieselben Attribute wie Schlager erfüllt und die Position des Sechsers in seiner Pressing-Ausrichtung mehr lebt als spielt. Bayerns Rekordspieler Thomas Müller sprach nach dem Hinspiel gegen Real Madrid nicht umsonst vom sogenannten „Konni-Laimer-Gefühl“, mit dem Müller auf den unbedingten Willen Laimers in Zweikampfsituationen anspielte. Der Grund, warum Laimer im österreichischen Nationalteam für gewöhnlich im rechten Mittelfeld aufläuft, liegt lediglich daran, dass es sich Österreich nicht leisten kann, die Frage Laimer oder Schlager zu stellen und an der Gegebenheit, dass Laimer im Gegensatz zu Schlager auch auf der Außenbahn einsetzbar ist.
Die Doppelsechs Österreichs beim EM-Auftaktspiel gegen Frankreich kann somit nur Laimer und Seiwald lauten, da man mit Grillitsch einen völlig anderen Spielertypen ins Boot holen würde, dessen Physis und Spielauslegung derzeit nicht in die taktische Ausrichtung passt und man Marcel Sabitzer, der für diese Rolle auch noch infrage käme, der Offensive rauben würde, wo man ihn händeringend und de facto noch dringender braucht.
Es ist für Nationen wie Österreich kein Leichtes, Spieler ersetzen zu müssen, die im Gesundheitsfall unangefochten zur ersten Wahl gehören. Auf einen genauen zweiten Blick zeigt sich allerdings, dass es möglich ist und man als Fußballfan der österreichischen Nationalmannschaft ruhig mehr Vertrauen in die Kaderbreite haben darf. Fazit: Die EURO kann kommen, der Verletzungsteufel aber, darf ihr von nun an gefälligst fernbleiben!
Markus Keimel, 12termann.at