Reportage: Länderspiel ohne Fans, aber mit dem 12tenMann
Fußball ohne Fans war bis vor einem halben Jahr nahezu unvorstellbar. Die Corona-Pandemie bescherte dem Volkssport Nummer eins jedoch leere Stadien. Wir waren gestern stellvertretend für euch in der Wörthersee-Arena und haben euch vermisst – die Eindrücke, die wir mitgenommen haben, waren gespenstisch und fremd. Der geteilte Ärger ist uns spätestens nach dem Schlusspfiff abgegangen.
Photo Credits: Joseph C. Estl
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Hände-desinfizieren, Fiebermessen und Abstand-Halten – das kleine 1×1 der Pandemie findet auch vor dem Eingang zum Kärntner Rund statt. Schnell wird klar, wir sind bei keinem gewöhnlichen Länderspiel.
Ohne Gedrängel und ohne Fangesänge bahnen wir uns den Weg zur Tribüne der Wörthersee-Arena. Die kalten grauen Steinstufen bleiben menschenleer, mit dem Lift geht es zu den bereits vorher zugewiesenen Plätzen. Der Geruch nach Bier oder das Geschrei von Getränke-Verkäufern nach vier Euro teurem Cola, bleibt aus, stattdessen riecht es steril und kühl. Auf dem Weg zu den Presseplätzen treffen wir nur auf eine Handvoll Menschen, die vorbildhaft den erforderlichen Zwei-Meter-Mindestabstand einhalten. Der übliche Austausch über Aufstellung oder die Taktik fällt weg und auch die leeren Ränge raunzen nicht über des Teamchefs Ideen. Auf den Plätzen angekommen, schweift der Blick durch das leere Stadion. Anstatt wehenden Fahnen, die im Rhythmus des Radetzky-Marsches die Stimmung im Rund zum Kochen bringen sollten, herrscht gespenstische Stille, die nur von hektischem Tastatur-Klimpern unterbrochen wird.
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Anstatt gemeinsam mit 30.000 Fans die Aufstellung „unserer Nationalmannschaft“ zu skandieren, wird hastig ein Name nach dem anderen vorgelesen. So folgt auf Andreas kein frenetisch-schreiendes „Ulmer“, sondern nur eine Reihe von ruhigen und nüchternen Schulterzucken, die die Teamchef-Aufstellung quittieren. Nachdem die rumänische Aufstellung ebenso hastig und emotionslos den wenigen Anwesenden präsentiert wird, ist von der sonstigen Länderspiel-Gänsehaut keine Spur. Auch das obligatorisch sonst so verbindende und stimmungsvolle Grölen der heimlichen Bundeshymne bleibt aus. Reinhard Fendrichs „I am from Austria“ dröhnt zwar durch die Lautsprecher, verhallt jedoch in der Leere der Wörthersee-Arena. Als der Schiedsrichter die Partie anpfeift, vermag man förmlich den Luftzug zu spüren, der durch seine Pfeife geht.
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Ihr hättet gebangt
So blass die Stimmung an diesem Montag ist, so rasant beginnen die Rumänen sich den Weg zum österreichischen Tor zu bahnen. Bereits nach drei Minuten wird laut gejubelt. Nachdem Alibec [spielerprofil spieler=“Alexander-Schlager“] mit dem zweiten Torschuss überwinden konnte, explodiert die rumänische Ersatzbank förmlich vor Ekstase. Selten bekommt ein Gästetor einen derart lauten Zuspruch. Im Umkehrschluss wird auch wenig geraunzt und gesudert, fachlich werden nochmal die Stellungsfehler der österreichischen Hintermannschaft analysiert, während der Treffer über den Bildschirm flimmert.
Die Partie der Österreicher leidet nicht unter der gespenstischen Stille, zumindest vorerst. [spielerprofil spieler=“Christoph Baumgartner“] belohnt sich selbst für einen traumhaften Team-Einstand und trifft nach 17 Minuten sehenswert zum Ausgleich. Doch bereits das Anbahnen der Chance ist alles anders als gewohnt. Anstatt dass tausende Fans sich leicht von ihren Sitzen erheben, als [spielerprofil spieler=“Julian Baumgartlinger „] den Ball auf [spielerprofil spieler=“Stefan Lainer“] chippt und folglich in überschwänglicher Freude diese Sitze mit einem Freudenschrei entfliehen, als würden sie zum Mond springen wollen, wird nur anerkennend von den anwesenden Journalisten dreimal in die Hände geklatscht. Spätestens bei „Immer wieder Österreich“ hätten sich auch die letzten von ihren Plätzen erhoben, um das erste Teamtor des Torschützen rhythmisch zu skandieren, doch auch das spielt es nicht. Schade – Baumgartner hätte sich definitiv eine bessere Kulisse für sein erstes Länderspieltor verdient.
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Ihr hättet euch geärgert
Während spielfreudige Österreich das Spiel bis zur Pause immer besser in den Griff bekamen, wurde 18 Ränge über dem Rasen eifrig in die Tastaturen gehauen. Durch die Abwesenheit der Fans waren die Gespräche auf dem Platz genau nachzuverfolgen. Martin Hintereggers unaufhörlichen Bemühungen seine Mannschaft weiter nach vorne zu peitschen, verliefen jedoch bereits zu Beginn der zweiten Spielhälfte im Sande. Rumänien traf postwendend nach Wiederanpfiff und konnte nach einem haarsträubenden Fehler von [spielerprofil spieler=“Stefan Posch“] zwischenzeitlich auf 3:1 erhöhen. Zumindest hier kam dem jungen Hoffenheim-Legionär das Geisterspiel zugute, sein Fehler wurde nur von aufmunternden Schulterklopfen begleitet und nicht von verhöhnenden Pfiffen. Maxims Heber war objektiv betrachtet ein wahrer Zungenschnalzer, doch statt Zungen schnalzte laut hörbar für alle das Tornetz, als der Ball einschlug.
Kurz geschockt fehlte erneut ein mitreisendes Publikum, das die österreichische Mannschaft zu einer notwendigen Schlussoffensive nach vorne hätte peitschen können. Kein Gesang, keine Pfiffe, kein Geschrei, keine Anfeuerung – nur Tastaturenklimpern begleitete die Nationalmannschaft auf ihrem steinigen Weg zurück in die Partie und auf die Ergebnistafel. [spielerprofil spieler=“Karim Onisiwo“] verwertete schließlich in der 80. Minute souverän nach Baumgartner-Flanke. Ähnlich wie beim Treffer seines Vorbereiters sprang kein Funken über, da die Zündschnur auf der Tribüne fehlte.
Ihr habt gefehlt
Es fällt in die Kategorie der Kaffeesudleserei, wenn darüber nachgedacht wird, ob eine vollbesetzte Wörthersee-Arena die heimische Mannschaft noch zum Ausgleich motiviert hätte. Klar ist jedoch, dass ihr am Ende gefehlt habt – in allen Belangen, zu jeder Phase des Spiels. Nur mit Fans ist der Fußball die schönste Nebensache der Welt. Denn so wurde die Nachspielzeit von einer frenetisch schreienden rumänischen Betreuerbank dominiert, die letztlich über einen Sieg jubeln durfte. Kein Wort der Enttäuschung begleitete uns die Liftfahrt hinunter und auch die Leere der Straße neben dem Stadion festigte die Niederlage nur noch mehr. Egal ob in Zeiten des Sieges oder der Niederlage der Fußball braucht euch, mehr als das Nationalteam einen Strafraumstürmer.
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