UEFA EURO 2024

Teamanalyse: Die Türkei bei der UEFA EURO 2024

Zwei Jahre lang betreute der Deutsche Stefan Kuntz mit seinem Co-Trainer Kenan Kocak die Türkei, bis sie nach einem 2:4 gegen Japan im September 2023 entlassen wurden. Mit Vincenzo Montella folgt ein Trainer, der bei Adana Demirspor bereits zuvor in der Türkei einen Trainerjob hatte. Nach seinem Amtsantritt schien es ganz gut zu laufen, das Jahr 2023 beendete man mit drei Siegen und einer Niederlage. Seit 2024 verlor man jedoch drei Spiele, trotzte Italien immerhin ein Remis ab, wobei das 1:6 im März gegen Österreich die klar herbste Klatsche darstellte. Die Türkei kann in Deutschland aber auf starken Fansupport zählen.

Torhüter

Vincenzo Montella rotierte im Tor durch und nominierte für den vorläufigen Kader gleich fünf Keeper, drei nahm er letztendlich mit. Der erfahrenste im Dreigespann ist Mert Günok, der als Besiktas‘ Stammeinser den türkischen Pokal in einer eher enttäuschenden Ligasaison holte, in der man nur Sechster wurde.

Erfolgreicher schloss Trabzonspor die abgelaufene Spielzeit ab. Kapitän Ugurcan Cakir war maßgeblich für Platz drei verantwortlich, wodurch der Klub in der Europa-League-Qualifikation dabei ist. Mit 27 Einsätzen spielte er nur zweimal weniger als Günok für die Milli Takim.

Der dritte im Bunde ist mit Altay Bayindir ein Talent, das in über 140 Spielen das Tor von Fenerbahce verteidigte. Mittlerweile ist er 26 Jahre alt, wechselte letzten Sommer zu Manchester United, wo er aber bisher nur einmal spielte (2. Runde FA Cup). Bayindir verbucht nur neun Länderspiele, die Entscheidung fällt also zwischen Günok und Cakir

Verteidigung

Der Leuchtturm der türkischen Defensive ist Merih Demiral. Nach einer Meniskusverletzung fand der Saudi-Legionär 2024 wieder seinen Weg in das Team und ist mit 44 Nationaleinsätzen der erfahrenste auf der Position. Die meisten Minuten in der zentralen Abwehr bekam aber Galatasarays Abdulkerim Bardakci, sechs von acht Spielen, die Montella bisher betreute, spielte er durch. Das dürfte sich auch in Deutschland fortsetzen. Nur einmal weniger kam hingegen Samet Akaydin zum Einsatz, dem nach der abgelaufenen Saison aber etwas die Spielpraxis fehlt. Fenerbahce verlieh ihn im Winter zu Panathinaikos, wo er immerhin fünfzehn Mal spielte, bei Fener waren es nur elf Spiele. Ajax-Talent Ahmetcan Kaplan wartet hingegen noch auf sein Debüt.

In Fenerbahces Team, das mit 99 Punkten hinter Galatasaray (102) nur Vizemeister wurde, sowie bei der Milli Takim ist Ferdi Kardioglu der nominell beste Linksverteidiger. 2024 kam er aber verletzungsbedingt noch zu keinem Einsatz für seine Heimat. Es half der in Wien geborene Ex-Rapidler Mert Müldür links hinten aus, dessen Stammposition die rechte Abwehrseite ist. Auf jener ist Roma-Legionär Zeki Celik, der Teil von Lilles Meistermannschaft von 2021 war, gesetzt, musste im letzten Testspiel gegen Polen aber ebenfalls aufgrund einer Verletzung passen.

Mittelfeld

Vincenzo Montellas bevorzugte Formation ist ein 4-2-3-1. Kapitän Hakan Calhanoglu ist dabei der Dreh- und Angelpunkt, der italienische Meister ist der beste türkische Spieler auf dem Feld und zeichnet sich als Spielmacher aus, der im Mittelfeld jede Position bespielen kann. Seit diesem Jahr findet er sich auf einer der beiden Sechsen ein.

Neben ihm teilen sich BVB-Akteur Salih Özcan und Feners Ismail Yüksek die Spielzeit, wurden aber auch bereits mehrere Male gemeinsam eingesetzt, wenn Calhanoglu offensiver agiert. Reservist ist indes nur Okay Yokuslu, der knapp drei Jahre nicht für sein Land spielte, erst für die EM-Vorbereitung wurde er wieder nominiert. Kaan Ayhan ist ebenfalls ein nomineller Sechser, muss aber öfter in der Abwehr ran.

Im offensiven Mittelfeld tummeln sich gleich drei Top-Spieler. Orkun Kökcü kam für 25 Millionen Euro im letzten Sommer von Feyenoord zu Benfica. Das Vertrauen zahlte er mit sieben Toren und elf Vorlagen zurück, auch Kuntz und Montella gaben ihm insgesamt 28-mal das Vertrauen. Für ihn müssen daher der „türkische Messi“ Arda Güler und ein weiterer Lille-Champion Yusuf Yazici ausweichen, tendenziell auf eine Flügelposition.

Angriff

Linksaußen ist Kerem Aktürkoglu Montellas Dauerbrenner und saß nur einmal auf der Bank, das 19-jährige Juventus-Talent Kenan Yildiz ist quasi sein Ersatz, kann aber auf diversen Positionen seine Künste zur Schau stellen.

Auf der rechten Seite ergibt sich eine gemischte Lage. Feners Irfan Can Kahveci bekam die meisten Minuten am rechten Flügel, doch auch Yunus Akgün erzielte bereits ein Tor auf eben jener Position.

Zwar ist mit Cenk Tosun der beste aktive Nationalgoalgetter dabei, den Mittelstürmer gibt aber der 24-jährige Baris Alper Yilmaz, der beim letzten Testspiel den zwischenzeitlichen Ausgleich gegen Polen schoss. Dieselbe Partie war erst der zweite Einsatz von Tosuns erst 18-jährigem Besiktas-Teamkollegen Semih Kilicsoy, dem wie Bertug Yildirim eine Reservistenrolle zufällt.

Trainer

Vincenzo Montella kann bereits auf Trainerstationen beim AC Milan, Sevilla und bei der AS Roma zurückblicken. Bei seiner letzten Klubstelle bei Adana Demirspor gewann er die Herzen der Fans, als er die Bevölkerung nach den verheerenden Erdbeben im Februar 2023 mit Materialspenden unterstützte. In seinen acht Spielen als Chefcoach der Milli Takim ergibt sich mit drei Siegen, zwei Remis und drei Niederlagen sowie einem Torverhältnis von 11:12 eine ausgeglichene Statistik. Darunter ist jedoch auch die 3:2-Überraschung gegen Deutschland des vergangenen Oktobers. Jetzt muss Montella aber beweisen, seine Mannschaft perfekt für die bisher größte Herausforderung seiner Amtszeit eingestellt zu haben.

Gesamtbewertung

Insgesamt fällt der Türkei eine machbare Gruppe zu, wobei die Mannschaft an schlechten Tagen oft keine Top-Leistungen abrief, auch schon vor Montella. Man mag dabei an die 1:2-Blamage gegen die Färöer-Inseln im September 2022 denken. Das Auftaktspiel gegen Georgien ermöglicht aber einen verhältnismäßig leichten Einstieg, auch wenn der eine oder andere wichtige Spieler, wie beispielsweise Caglar Söyüncü, Ozan Kabak oder Enes Ünal nicht dabei ist.

Die Türkei in Gruppe F

Dienstag, 18.6., 18 Uhr | Türkei – Georgien (Dortmund)
Samstag, 22.6., 18 Uhr | Türkei – Portugal (Dortmund)
Mittwoch, 26.6., 21 Uhr | Tschechien – Türkei (Hamburg)