UEFA EURO 2024

Teamanalyse: Die Ukraine bei der UEFA EURO 2024

Bereits zum vierten Mal ist die Ukraine bei einer Europameisterschaft dabei, vor drei Jahren schafften es Zinchenko und Co. sogar ins Viertelfinale. Seit Juni 2023 ist Sergiy Rebrov Trainer der Ukraine, die in der Qualifikation zwar auf Platz drei hinter England und Italien landete, sich aber in den Play-Offs gegen Bosnien & Herzegowina, sowie Island durchsetzte.

Die Ambitionen sind hoch, denn viele Spieler sind bei Top-Klubs unterwegs und wollen ihren Landsleuten, deren Leben durch den Krieg seit Februar 2022 für immer verändert wurde, wieder die Freude in einer sehr schwierigen Zeit zurückgeben.

Torhüter

Im Tor wird voraussichtlich Andriy Lunin stehen. Bei Real Madrid etablierte er sich im Zuge der Verletzung von Thibaut Courtois zu einem der besten Torhüter der spanischen Liga und war ein wichtiger Bestandteil des Champions-League-Triumphs 2024.

Hinter ihm lauert mit Anatoliy Trubin der Stammtorhüter von Benfica Lissabon, den man in Österreich noch von den Duellen der Portugiesen gegen RB Salzburg in der Gruppenphase der abgelaufenen Champions League kennt. Mit 13 weißen Westen war er der zweitbeste der Liga Portugal hinter Diogo Costa vom FC Porto.

Der dritte Torhüter kommt aus der heimischen Liga. Dynamo Kiews Georgiy Bushcan ist mit 30 Jahren der älteste des Trios und stand 18-mal auf dem Platz, am öftesten aus dem Trio. In über der Hälfte seiner Einsätze in der höchsten ukrainischen Liga hielt er seinen Kasten sauber.

Verteidigung

In der Innenverteidigung formte Rebrov ein starkes Duo. Der 21-jährige Ilya Zabarnyi ist bei Bournemouth Stammspieler, kein anderer stand in der abgelaufenen Spielzeit für die Cherries mehr Minuten auf dem Platz. Neben ihm ist der erfahrenere Mykola Matvienko von Shakhtar Donetsk gesetzt, beide kamen bereits zu 31 gemeinsamen Spielen seit 2020. Matvienkos Teamkollege Valeriy Bondar ist ebenfalls dabei, erfüllt aber genauso wie Dnipro-Kapitän Oleksandr Svatok und LASK-Verteidiger Maksym Talovierov die Ersatzrolle.

Den Linksverteidiger gibt in der Regel Vitaliy Mykolenko, der beim letzten Test gegen Moldawien aber nach 30 Minuten verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste. Der beste Ersatz wäre Premier-League-Kollege Oleksandr Zinchenko, der normalerweise das Mittelfeld beackert und einer der besten Spieler seines Landes ist. Reservist für die Position ist Bogdan Mykhaylichenko aus der heimischen Liga.

Rechts hinten nominierte Rebrov ebenfalls zwei Akteure aus der Premjer Liha. Yukhym Konoplya ist der dritte Shakhtar-Verteidiger, der seit 2023 nur dreimal nicht auf dem Platz stand. Reservist als Rechtsverteidiger ist mit Oleksandr Tymchyk ein Kicker von Dynamo Kiev, wo er Teil der Vizemeistermannschaft war.

Mittelfeld

Die Achsen der beiden besten Klubs der Ukraine werden im Mittelfeld fortgeführt. Kapitän Taras Stepanenko ist das Herzstück des Mittelfelds, sofern Zinchenko in der Abwehr aushilft. Mit 34 Jahren führte er Shakhtar als Kapitän zum ukrainischen Meistertitel, das Armband trägt er auch für die Gelb-Blauen. Neben ihm verdrängte Dynamos 22-jähriger Volodymyr Brazhko vor wenigen Monaten den älteren Sergiy Sydorchuk, der nach zehn Jahren beim Hauptstadtklub im vergangenen Sommer zum belgischen KVC Westerlo wechselte.

Offensiver orientiert sind hingegen Ruslan Malinovskyi, der über 140 Serie-A-Spiele absolvierte und Teil von Gian Piero Gasperinis aufstrebenden Atalanta-Mannschaft war. Zudem spielt Shakhtars Georgiy Sudakov seit über einem Jahr groß für die Ukraine auf. Durch seine beiden Vorlagen zum 2:1-Sieg im Playoff-Finale gegen Island verhalf er den Gelb-Blauen maßgeblich zur Teilnahme. Insgesamt kommt er bisher auf 17 Nationaleinsätze, 14 davon sind alle Einsätze seit März 2023 für sein Land. Nach einem Kreuzband riss kommt Dynamos Mykola Shaparenko langsam wieder zurück, gab in der EM-Vorbereitung sein Comeback nach zwei Jahren.

Angriff

Im Angriff mischt sich die alte Garde mit jungen Wilden. Am linken Flügel gibt es kein Vorbeikommen an Mykhaylo Mudryk, der nach seinem Transfer zum FC Chelsea der teuerste ukrainische Fußballer aller Zeiten wurde. Als Dauerbrenner im Nationalteam saß er seit seinem Debüt im Juni 2022 nur einmal auf der Bank, obwohl es bei Chelsea bisher noch nicht nach Wunsch verlief.

Rechts scheint Viktor Tsygankov die Nase vorne zu haben. Mit Girona erreichte er in LaLiga sensationell den dritten Platz hinter Real Madrid und dem FC Barcelona, wozu er mit acht Toren und sieben Assists großen Anteil hatte. Sein Herausforderer ist jedoch kein geringerer als Andriy Yarmolenko, auf Platz zwei in Sachen Rekordeinsätze und -torschütze. Auf Ballon d’Or-Gewinner Andriy Shevchenko fehlen lediglich zwei Tore, um mit dessen Bestmarke gleichzuziehen. Bei den Einsätzen liegt er ihm bereits voraus. Nach einer Knie-OP muss sich Yarmolenko seinen Stammplatz aber wieder erkämpfen.

Shaktars Oleksandr Zubkov hat indes bereits 33 Länderspiele auf dem Buckel, kann auf beiden Flügeln agieren, was ihn zu einer attraktiven Option von der Bank macht.

Im Sturmzentrum findet sich mit Artem Dovbyk ein Mitspieler Tsygankovs im Sturm. Der 26-Jährige krönte sich zum Torschützenkönig von LaLiga mit 24 Treffern, selbigen Titel sicherte er sich in den beiden Vorsaisonen in der ukrainischen Liga.

Dort gelang es in der abgelaufenen Saison Dynamos Vladyslav Vanat, der seit seinem Debüt im Juni 2023 noch auf sein erstes Länderspieltor wartet. Der erfahrene Roman Yaremchuk hat indes schon 15-mal in 50 Einsätzen eingenetzt, muss aber aufgrund seiner Form Platz für Dovbyk machen.

Trainer

Ex-Profi Sergiy Rebrov hat als Klubtrainer Erfahrung bei mehreren Klubs gesammelt und war zwischen 2010 und 2011 sogar einmal Co-Trainer der Nationalmannschaft. Seit Juni 2023 ist der Chefcoach der Ukraine, seit Jänner 2024 sogar einer der Vizepräsidenten des Verbandes. Er kann die Stärken und Schwächen seines Teams gut einschätzen und weiß, wie er sich auf seine Gegner einstellen muss: Gegen stärkere Mannschaften spielt man konservativer, vertraut auf das Umschaltspiel, aktiver tritt man lediglich gegen Schwächere auf, weshalb man in der qualitativ nicht hochwertigen Gruppe E eher auf eine aktive Ukraine hoffen darf. Gegen England, Italien und zweimal gegen Deutschland erkämpfte man sich mit dieser guten Selbsteinschätzung Unentschieden.

Gesamtbewertung

Viele Spieler sind in guter Form, vor allem profitiert man von den Grüppchen von Shakhtar Donetsk und Dynamo Kiev, die im abgelaufenen Spieljahr erneut die beiden besten ukrainischen Teams waren. Hinzu kommen Akteure, die in Top-Ligen ihre Qualität zeigen konnten: Zabarnyi und Zinchenko in der Premier League, Lunin, Tsygankov und Dovbyk in LaLiga. An Motivation wird es dem Kader von Sergiy Rebrov nicht mangeln. Der Krieg beschäftigt das ukrainische Volk täglich und eine erfolgreiche Europameisterschaft kann für ein bisschen Ablenkung sorgen. Die K.O.-Phase ist das Ziel der Ukraine, alles über dem Achtelfinale wäre für das Team bereits großartig. Wenn man die Linksverteidigerposition gut ausfüllen und Zinchenko ins Mittelfeld vorrücken kann, steht dem nichts im Wege, zumal man erst im dritten Match auf den stärksten Gruppengegner Belgien trifft.

Die Ukraine in Gruppe E

Montag, 17.6., 15 Uhr | Rumänien – Ukraine (München)
Freitag, 21.6., 15 Uhr | Slowakei – Ukraine (Düsseldorf)
Mittwoch, 26.6., 18 Uhr | Ukraine – Belgien (Stuttgart)