UEFA EURO 2024

Teamanalyse: Polen bei der UEFA EURO 2024

Die Polen gehen in Gruppe D mit den schlechtesten Vorzeichen in die Europameisterschaft. In der regulären Qualifikation scheiterte man, Albanien und Tschechien, gegen die man jeweils einmal verlor, belegten die ersten beiden Plätze. Über die Play-offs gegen Estland und Wales zitterte man sich letztlich doch zum Turnier im westlichen Nachbarland. Nach der Entlassung von Fernando Santos, der mit Portugal die EM 2016 und Nations League 2019 gewann, bei Polen aber schon nach acht Monaten gehen musste, holte man den U21-Coach Michal Probierz ins Boot der A-Mannschaft.

Unter ihm kam wieder Stabilität in die Mannschaft, mit der er nach acht Spielen noch ungeschlagen ist. In der unmittelbaren Vorbereitung hat man mit der Ukraine und der Türkei zwei Mannschaften auf ungefährer Augenhöhe besiegt, ist also nicht ganz abzuschreiben. Der Trupp rund um Barcelona-Star Robert Lewandowski geht als Außenseiter in das Turnier und hat bei seiner siebten Teilnahme an einem Großbewerb in Serie nichts zu verlieren. Das beste Ergebnis, das Viertelfinale von 2016, wird man aber wohl nicht wiederholen können.

Torhüter

Polen ist keinesfalls ein Team voller No-Names und hat im Tor drei verhältnismäßig gute Keeper vorzuweisen. Die Nummer eins hat noch immer Wojciech Szczesny inne, der vor Lukasz Fabianski die meisten Weißen Westen aller polnischen Nationalkeeper vorweisen kann, 34 sind es an der Zahl. Über 250-mal stand er nun im Tor von Juventus Turin, über 100-mal hielt er die Null. In der Nationalauswahl ist er gesetzt, 82 Einsätze verbuchte er bisher.

Dass an Szczesny kaum ein Vorbeikommen ist, beweist die Tatsache, dass der zweite Schlussmann Lukasz Skorupski bereits seit 2012 für die Orly nominiert wurde, doch gerade einmal zehn Einsätze auf seinem Konto hat. Das einzige Pflichtspiel war dabei ein 45-minütiger Einsatz gegen San Marino in der Qualifikation für die WM 2022. Gleichwohl ist der 33-Jährige bei Bologna gesetzt, das unter Thiago Motta überraschend die Champions League erreichte.

Mit 24 Jahren ist Marcin Bulka die dritte Wahl. Er kommt aus dem Chelsea- und PSG-Nachwuchs, feierte seinen Durchbruch aber 2023/24 bei OGC Nizza. Der Trainer Francesco Farioli führte den Klub mit einem sehr innovativen Spielstil auf Platz fünf, Bulka blieb dabei in der Hälfte der Spiele ohne Gegentor. Dadurch verdiente er sich die Nominierung für die polnische Nationalelf.

Verteidigung

Probierz‘ System ist ein 3-5-2. Der wichtigste Teil in der Defensive ist dabei Jakub Kiwior vom FC Arsenal. Er ist der Dauerbrenner und verpasste seit seinem Debüt im Juni 2022 kein einziges Spiel. Zudem ist der Allrounder auch im defensiven Mittelfeld und dem linken Abwehrposten einsetzbar und ist einer von Polens Schlüsselspielern, hat so bereits 23 Spiele gesammelt.

Erfahrener ist ein weiterer England-Legionär. Jan Bednarek kann auf 57 Einsätze zurückblicken, bereits seit sieben Jahren wird er nominiert und auch bei Southampton Stammspieler mit über 40 Einsätzen in der abgelaufenen Spielzeit.

Der letzte Posten geht aller Voraussicht nach an Pawel Dawidowicz, der einer der wenigen beidfüßig versierten Profis im Kader ist und beim Sieg gegen die Türkei für eine Hälfte ran durfte. Sebastian Walukiewicz und Bartosz Salamon sind auf der Bank eingeplant.

Mittelfeld

Bartos Slisz beackert den defensiven Bereich im Fünfermittelfeld von Probierz. Im Winter wechselte er in die MLS zu Atlanta United, wo er seitdem in etwa 80% Prozent der Spiele von der ersten Minute ran durfte.

Vor ihm steht ein Duo, wobei vor allem ein Name hervorsticht. Piotr Zielinski ist einer von Napolis Stammspielern über die letzten Jahre und zuletzt sogar als Kapitän der nationalen Auswahl auserkoren worden. In Italien gewann er den Scudetto und die Coppa Italia und ist der zentrale Anker. Neben ihm ist Jakub Piotrowski gesetzt, der Held des Playoffs gegen Estland, wo er mit einem Tor und einem Assist maßgeblichen Anteil am Sieg hatte. Zwar hat der Bulgarien-Legionär insgesamt erst sechs Länderspiele auf dem Buckel, muss sich als Kapitän von Ludogorets Rasgrad aber keinesfalls verstecken.

Die linke Schiene ist die Heimat von Nicola Zalewski, einem Spieler für die Zukunft der Nationalmannschaft. Der erst 22-Jährige gewann mit AS Rom die Conference League 2022 mit Jose Mourinho, der ihm sein Serie A-Debüt gab und ihn vom Jugendspieler zu einem gestandenen linken Mittelfeldspieler erhob. Das Gegenstück zu Zalewski ist Przemyslaw Frankowski, rechter Mittelfeldspieler von RC Lens, einer Überraschungsmannschaft in Frankreich, die 2023 Vizemeister hinter PSG wurde.

Über Einwechslungen müssen sich Damian Szymanski (AEK Athen), Jakub Moder (Brighton), Kacper Urbanski (Bologna), Tarasz Romanczuk (Jagiellonia), Bartosz Bereszynski (Empoli) und Tymoteusz Puchacz (Kaiserslautern) wieder in die Mannschaft einfinden. Qualität ist zwar da, aber in der Breite wird es bei Polen eher mau.

Angriff

Eine Hiobsbotschaft ereilte Michal Probierz nach dem letzten Testspiel gegen die Türkei, denn Kapitän, Rekordspieler und -torschütze Robert Lewandowski wird das Auftaktspiel gegen die Niederlande aufgrund einer Muskelverletzung verpassen. Das ist ein herber Dämpfer für die polnische Offensive, die bereits Arkadiusz Milik verletzungsbedingt zuhause lassen muss.

Während Sebastian Szymanski als Verbinder zwischen Mittelfeld und Angriff gilt, ist der 36-jährige Altmeister Kamil Grosicki erneut im Kader, nachdem er beachtliche 13 Tore und 14 Vorlagen für Pogon Stettin ablieferte. Das namentlich beste Stürmerpaar, das man zumindest im Eröffnungsspiel noch aufbieten kann, besteht aus Karol Swiderski und Krzysztof Piatek, die beide jeweils elf Tore für die Orly schossen. Swiderski kennt die Abläufe besser, ist er doch seit über drei Jahren einigermaßen regelmäßig dabei. Er verletzte sich allerdings im letzten Test und ist für das Turnier fraglich.

Piatek hingegen spielte nach der WM 2022 nur zwei Spiele im weißen Trikot, wird sich also nicht problemlos einfinden – allerdings erzielte er in der abgelaufenen Saison 17 Saisontore für Istanbul Basaksehir. Etwas ähnliches gelang Adam Buksa (Alanyaspor), denn in der Süper Lig blitzte er mit 16 Toren auf und verdiente sich so ebenfalls seine Nominierung.

Trainer

Mit Fernando Santos war als Startrainer Chef der Polen. Michal Probierz kommt mit deutlich weniger Glamour, der ehemalige U21-Coach konnte der Truppe demgegenüber aber mehr Selbstvertrauen einimpfen. Sein Aufgebot meisterte zudem die beiden Generalproben Ukraine und Türkei. Im Umbruch will Probierz mit erfahrenen Spielern für Sicherheit sorgen, nur zwei Spieler sind unter 23 Jahre alt, acht dagegen 30 oder älter. Gegen Kaliber, wie man sie in Gruppe D vorfindet, trat er bisher noch nicht an und qualitativ ist definitiv ein großer Unterschied bemerkbar.

Gesamtbewertung

Polen ist der Underdog der Gruppe. Die verletzungsbedingten Ausfälle von Arkadiusz Milik und Robert Lewandowski, zumindest für die Auftaktbegegnung mit den Niederlanden, sind ein schwerer Schlag einer ohnehin nicht perfekt ausbalancierten Mannschaft. Die Erwartungen sind niedrig, dementsprechend wäre alles andere als Platz vier bereits eine Überraschung.

Polen in Gruppe D

Sonntag, 16.6., 15 Uhr | Polen – Niederlande (Hamburg)
Freitag, 21.6., 18 Uhr | Polen – Österreich (Berlin)
Dienstag, 25.6., 18 Uhr | Frankreich – Polen (Dortmund)