Teamanalyse: Portugal bei der UEFA EURO 2024
Mittlerweile spielt Portugal bei seiner neunten Europameisterschaft mit, die achte in Serie. Und zum fünften Mal ist Rekordspieler und -torschütze Cristiano Ronaldo dabei. Mittlerweile in Saudi Arabien aktiv wird er mit 39 Jahren nicht müde und will das Erfolgserlebnis von 2016 wiederholen. In der Qualifikation gewann man alle Spiele, kassierte nur zwei Gegentore, und Torschützenkönig wurde wieder einmal CR7. Perfekte Vorzeichen für die Gruppenphase.
Portugal ist der klare Favorit auf den Sieg in Gruppe F mit Tschechien, der Türkei und Georgien. In der Auswahl steckt sehr hohe Qualität, die meisten Spieler sind bei europäischen Top-Klubs unterwegs und mit Cristiano Ronaldo hat man einen der besten Spieler der letzten 20 Jahre im Team. Seit Jänner 2023 ist nun Roberto Martínez Trainer der Portugiesen, der zuvor Belgiens Goldene Generation coachte. Unter ihm holte Portugal in einer vergleichsweise leichten Qualifikation mit einem 9:0 gegen Luxemburg sogar den höchsten portugiesischen Sieg aller Zeiten. Einzig gegen wirkliche Schwergewichte konnte man sich noch nicht wirklich beweisen.
Torhüter
Martinez brachte dem portugiesischen Tor einen Tapetenwechsel. Die neue Nummer eins ist mit Diogo Costa ein Spieler aus der heimischen Liga. Der 24-Jährige ist Stammkeeper beim FC Porto, wo er in der abgelaufenen Saison die meisten Weißen Westen sammelte (14) und, wie bei der Nationalmannschaft, alle Jugendteams durchlief. So lenkte er bereits das Interesse von Bayern München, Chelsea oder Manchester United auf sich.
Der leidtragende der Veränderungen ist Rekordkeeper Rui Patricio (108 Spiele). Bereits nach der letzten EM wurde der mittlerweile 36-Jährige vom damaligen Nationalcoach Fernando Santos immer seltener eingesetzt, bekam bei der letzten WM keine einzige Spielminute und kam unter Martinez nur zu drei Einsätzen, zwei davon gegen die Fußballzwerge Liechtenstein und Luxemburg. Fällt Costa aus, fehlt es jedenfalls nicht an Erfahrung.
Dritter Keeper ist José Sá, der zur Portugal-Achse von Wolverhampton gehört. Bereits seit 2017 wird er für Portugal nominiert, spielte aber erst zweimal. Die Reservistenrolle kennt er also, füllt sie auch in Deutschland aus.
Verteidigung
Drei der vier Innenverteidiger sind bei Portugals drei großen Klubs aktiv. Urgestein Pepe ist mit 41 Jahren noch hungrig, beim FC Porto ist er Kapitän, in der Nationalmannschaft sind lediglich Ronaldo und Joao Moutinho in Sachen Einsätze vor ihm. Der erfahrene Abwehrchef hat es ohne Zweifel noch drauf. Benfica Lissabon stellt António Silva, Sporting hingegen Goncalo Inacio. Mit 20 bzw. 22 Jahren sind sie die zukünftigen Gesichter der portugiesischen Verteidigung und spielen eine immer wichtigere Rolle. Der größte Star der zentralen Abwehr heißt jedoch Ruben Dias. Seit Jahren setzt Pep Guardiola auf den 27-Jährigen, 56-mal trug er das rote Trikot seiner Heimat und wird Silva und Inacio auf die Bank drängen. Der Manchester-City-Star gilt als einer der besten Innenverteidiger der Welt.
Nach einer Oberschenkelverletzung verpasste spielte er 2023 nur einmal für Portugal, doch PSG-Star Nuno Mendes fand wieder seinen Weg zurück auf den Linksverteidigerposten. In der Zwischenzeit ersetzte ihn Joao Cancelo, spielerisch einer der besten Außenverteidiger der Welt und zudem auf beiden Abwehrseiten einsetzbar, was ihn zu einem heißen Anwärter auf die Startelf macht.
Das Äquivalent auf der Gegenseite ist Manchester Uniteds Diogo Dalot, der in der abgelaufenen Saison zum besten Spieler der Red Devils gewählt wurde. Auf rechts ist er angesiedelt, links kann er allerdings auch aushelfen. England-Legionär Nelson Semedo ist seine Vertretung, er ist ein weiterer Wolves-Portugiese.
Mittelfeld
Roberto Martinez rotiert im defensiven Mittelfeld immer wieder durch, Fulhams Joao Palhinha ist unter ihm der Dauerbrenner. Der 28-Jährige ist seit drei Jahren dabei, gibt die Rückendeckung für die Offensive und wird voraussichtlich Stammspieler sein. Saudi-Legionär Ruben Neves bekleidet dieselbe Position, in über 170 Einsätzen machte er sich vor allem für seine spektakulären Weitschusstore einen Namen. Seit Oktober 2023 wird auch Joao Neves nominiert, als Benfica-Eigengewächs zog er wie Keeper Costa das Interesse von Europas größten Klubs auf sich. Der vierte im Bunde ist Danilo Pereira, der für Portugal aber öfter als Innenverteidiger spielte.
Matheus Nunes (Manchester City) und Vitinha (PSG) finden mit insgesamt 31 Einsätzen bereits langsam ihren Weg in die Auswahl. Wichtiger sind jedoch United-Kapitän Bruno Fernandes, der seit Martinez‘ Amtsantritt neun Tore und neun Assists beisteuerte, sowie auf dem rechten Flügel Bernardo Silva vom Stadtrivalen, der bereits 89 Länderspiele auf seinem Konto hat und als einer der feinsten Techniker im Team und weltweit gilt. Dass es an ihm kein Vorbeikommen gibt, beweist die Tatsache, dass seine Ersatzspieler Pedro Neto (Wolves) und Sergio Conceicao (Porto) gemeinsam erst neunmal für Portugal spielten.
Auf der linken Schiene ist Rafael Leao gesetzt, der beim AC Milan zu einem der besten Angreifer der Serie A reifte. Auch Diogo Jota ist nomineller Linksaußen, agiert aber auch als zentraler Stürmer.
Angriff
Kaum einen Zweifel gibt es am Startplatz von Cristiano Ronaldo. Sein Torkonto baute er seit März 2023 um zwölf Tore aus, wobei der fünffache Ballon-d’Or-Gewinner in diesem Rahmen fünf Doppelpacks schnürte. Für seinen saudischen Arbeitgeber Al-Nassr traf er bereits 58-mal in 64 Einsätzen, wo er auch Spieler der Saison wurde – lediglich ein Titel in Saudi-Arabien fehlt ihm noch. Bereits seit dem letztem Turnier ist er Rekordtorschütze der EM, was er nun in Deutschland bei seiner sechsten Europameisterschaft, ebenfalls Bestmarke, auszubauen versucht.
Neben ihm bewies auch PSG-Angreifer Goncalo Ramos mit bisher acht Toren in dreizehn Länderspielen seinen Torriecher, musste aber öfter für Joao Felix Platz machen, der quasi ein Offensivallrounder ist und auch im offensiven Mittelfeld und im Sturm agieren kann.
Trainer
Roberto Martinez gewann mit Belgien bei der Weltmeisterschaft 2018 zwar die Bronzemedaille, wurde im Anschluss aber oft dafür kritisiert, keinen Titel mit der Goldenen Generation geholt zu haben. Nach der WM 2022 in Katar schloss er mit Belgien ab und ersetzte bei Portugal mit Fernando Santos den Trainer, der sein Land zum EM-Triumph 2016 führte. Zweimal verlor er mit Portugal schon, gegen Slowenien und Kroatien, konnte sich aber nicht wirklich gegen große Teams messen.
Gesamtbewertung
Portugal kann auf jeder Position auf Weltklasse zählen, wobei die Torhüterposition nominell die schwächste ist. Nichtsdestotrotz ist man den anderen Gruppengegnern qualitativ enorm überlegen und hat beide Augen auf dem ersten Gruppenplatz. Somit würde man auf einen Dritten der Gruppen A, B oder C treffen, wobei insbesondere aus Gruppe B ein schwieriger Gegner zu erwarten wäre. Mit diesem Kader kann man weit ins Turnier vorrücken, das Halbfinale sollte mit diesem Kader und dem nötigen Losglück fast Pflicht sein. In CR7s Kopf gibt es aber nur einen Plan: Kurz vor dem Karriereende das zweite Mal den Henri-Delaunay-Pokal in die Höhe zu stemmen.
Portugal in Gruppe F
Dienstag, 18.6., 21 Uhr | Portugal – Tschechien (Leipzig)
Samstag, 22.6., 18 Uhr | Türkei – Portugal (Dortmund)
Mittwoch, 26.6., 21 Uhr | Georgien – Portugal (Gelsenkirchen)