Interview mit Johnny Ertl
Publikumsliebling im Mutterland des Fußballs
Seit Sommer 2008 lebt Johnny Ertl seinen Traum des Fußballprofis im Mutterland des Fußballs. Über die Stationen Crystal Palace und Sheffield United hat es den sympathischen Feldkirchner zum FC Portsmouth verschlagen. Was für ihn die Faszination des englischen Fußballs ausmacht, wie er seine Zukunft sieht und was er vom ÖFB-Team hält, das erfahrt ihr im untenstehenden Interview.
12terMann: Johnny – erstmals vielen Dank, dass du dir für ein Gespräch mit 12termann.at Zeit genommen hast.
Johnny Ertl: Nichts zu danken!
Kommen wir zu Beginn des Interviews auf deine aktuelle Situation zu sprechen – nach 44 Spieltagen in der League Two hältst du bei 12 Einsätzen und einem Tor. Bist du damit zufrieden oder hättest du dir mehr Einsätze erhofft?
Natürlich hätte ich mir erhofft, dass ich häufiger zum Einsatz komme, aber ich habe zurzeit die Rolle des „Covers“ für die defensiven Mittelfeldspieler oder Innenverteidiger inne. Außerdem repräsentiere ich den Club nach außen hin, helfe auch den jungen Spielern in ihrer Weiterentwicklung und arbeite somit aktiv im Verein mit. Doch in der neuen Saison werden die Karten wieder neu gemischt.
Ob deines enormen Einsatzes und deines Kampfwillens bist du einer der Publikumslieblinge, wenn nicht sogar der Publikumsliebling beim FC Portsmouth. Im Vorjahr bist du zum Spieler der Saison gewählt worden, zudem hallen häufig Johnny Ertl-Fangesänge durch euer Heimstadion. Das spricht einem doch Mut zu, oder?
Klar, spricht mir das Mut zu und – ich hatte bislang in Portsmouth drei fantastische Jahre. Die Fans sind ein Wahnsinn und für mich war es wirklich eine Ehre, dass ich zum Spieler der Saison gewählt worden bin und außerdem ein englisches Traditionsteam als Kapitän aufs Feld führen durfte. Das waren Momente, die ich nie im Leben vergessen werde. Portsmouth ist ein Traditionsclub, der mir wirklich sehr ans Herz gewachsen ist. Er ist ein Klub zum Angreifen, die Spieler gehen am Abend auch mal in die Stadt und reden dort mit den Fans, das hat tatsächlich einen familiären Charakter.
Ihr seid ad momentum auf dem vierzehnten Tabellenplatz, geht das mit euren Zielen konform?
Ganz ehrlich, mit der derzeitigen sportlichen Situation sind wir überhaupt nicht zufrieden, wir haben uns eigentlich erhofft, dass wir zumindest in die Playoffs kommen – das sollte mit dem Kader eigentlich auch möglich sein, doch unsere Auswärtsschwäche hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt hat auch unser Trainer die Konsequenzen gezogen und ist am 13.04.2015 zurückgetreten. Bis zum Saisonende übernimmt ein Interimstrainer, dann wird mit Beginn der neuen Saison ein neuer Trainer kommen und die Karten werden wieder neu gemischt.
Du bist seit Sommer 2012 bei einem ganz besonderen Verein unter Vertrag. 2010 durfte der FC Portsmouth noch die Premier League bereichern, mittlerweile findet man sich nach zwei Insolvenzverfahren in der vierten englischen Liga wieder. Das besondere an deinem Verein ist allerdings, dass er seit 2013 zum Teil im Besitz der eigenen Fans ist. Wie kann man sich das denn als Außenstehender vorstellen?
Der jetzige FC Portsmouth hat mit dem alten Klub nicht mehr viel am Hut, er ist seit zwei Jahren quasi ein neuer Klub – die „Supporters“ haben nach zwei Konkursen in drei Jahren damals den Verein teilweise übernommen und diese Eigenschaft macht den Club einzigartig. Der FC Portsmouth hat von seinen ehemaligen Erfolgen lange gelebt und musste dann Tribut zollen, da viele Dinge leider schief gelaufen sind – ehemalige Besitzer haben einfach missgewirtschaftet. So musste ein Neubeginn her, der gemeinsam mit den Fans gegangen wurde. Um bis zu 1000 Pfund konnte man sich bis April 2013 Anteile kaufen, damit ist man Mitglied des „Portsmouth Supporters Trust“, welcher einen Anteil von 48% am Klub innehat. Die Mehrheit gehört anderen Investoren, die Teil des Boards sind. Das Board des FC Portsmouth besteht aus sieben Personen, die die Entscheidungsträger sind und die von einem Chairman vertreten werden. Der Klub ist seit einem halben Jahr schuldenfrei, es gibt ein neues Trainingszentrum und man merkt, dass es Schritt für Schritt mit dem FC Portsmouth bergauf geht. Der Verein ist durch die Aufteilung der Anteile auf das siebenköpfige Board und 48% Fans der größte Community Club in England.
Dein Vertrag beim FC Portsmouth läuft im Sommer 2016 aus, ist man vom Verein schon bezüglich einer möglichen Vertragsverlängerung auf dich zugekommen?
Noch hat es diesbezüglich keine Gespräche gegeben und in der wirtschaftlichen Lage wird es frühestens im nächsten Jahr diesbezüglich Gespräche geben – das ist jetzt noch viel zu früh.
Hast du als Profi noch ein großes Ziel – würdest du zum Beispiel noch gerne in einem bestimmten Land dem runden Leder nachjagen?
Das ist eine gute Frage. Im Fußball kann man einfach schwer planen, da es ein Tagesgeschäft ist. Natürlich besteht der Reiz, dass ich noch etwas anderes sehe, aus sportlicher Sicht spricht da auch nichts dagegen, da ich nach wie vor körperlich in einer guten Verfassung bin und ich sicher noch mehrere Jahre auf hohem Niveau spielen könnte. Sollte mir ein interessantes Angebot vorgelegt werden, dann wäre ich auch nicht abgeneigt, noch etwas anderes zu versuchen – im Fußball muss man einfach spontan sein. Es gilt auch hier: „Wenn sich eine Tür schließt, dann geht eine andere Türe auf!“
Du hast mit Crystal Palace, Sheffield United und dem FC Portsmouth in drei verschiedenen englischen Ligen gespielt. Was ist aus deiner Sicht das Faszinierende am englischen Fußball?
Das ist leicht zu beantworten: Die Intensität in den englischen Ligen ist einzigartig – jedes einzelne Match ist ein Cupfinale, die Atmosphäre ist einfach ansteckend. Dazu kommt die enorme Anzahl der Spiele und dann natürlich auch wie der Fußball in England gelebt und zelebriert wird. Die Menschen sind fußballfanatisch, auch die TV-Übertragungen spielen alle Stückchen. Zudem kommt jetzt das Wettrennen um die TV-Rechte, der Markt ist hier einfach unermesslich groß. Man muss sich das mal vorstellen, in den ersten vier Ligen gibt es 92 professionelle Fußballmannschaften auch darunter geht es z.B. in die Conference Ligen weiter – doch auch da gibt es zumeist noch professionelle Mannschaften.
Johnny, du bist strikt deinen eigenen Weg gegangen, dein fußballerisches Können hat dich bis in das Mutterland des Fußballs getragen – ich nehme an, du bereust nichts?
Ganz ehrlich, ich halte von dem Wort „bereuen“ nichts. Die ganzen Erfahrungswerte, die man im Laufe seiner Karriere mitnimmt, prägen einen immens. Ich habe in Österreich alles erreicht, habe dort für Topclubs gespielt und durfte auch das Trikot des Nationalteams überziehen. Für mich war im Jahr 2008 einfach der ideale Zeitpunkt, um den Weg ins Ausland zu suchen und somit etwas anderes zu erleben. Als sich dann die Chance auftat, dass ich nach England, in das Mutterland des Fußballs, wechseln konnte, ging ein Traum in Erfüllung. Ich hatte bis dato wunderschöne Erlebnisse in diversen Vereinen und werde deshalb England immer eng verbunden bleiben. Es war bislang eine wunderschöne Reise und ich hoffe, dass diese Reise auch noch weitergeht!
Ganz ehrlich, ich halte von dem Wort „bereuen“ nichts.
Plaudern wir kurz über deine Karriere nach deiner Karriere. Du hast beispielsweise einen Master in Business Administration absolviert und machst derzeit die Ausbildung zum Sportdirektor – wäre das eine Richtung, in die es für dich nach dem Profidasein gehen könnte?
Ich habe in letzter Zeit tatsächlich viele Ausbildungen absolviert, habe zum Beispiel, wie du gesagt hast, den Master of Business Administration abgeschlossen, auch Kurse bei der PFA (Professional Football Association) und FA besucht. Zudem bin ich mitten in der Trainerausbildung für die UEFA-B-Lizenz beim West Ham Training Ground, darüber hinaus stand zuletzt eine Graduierungsfeier zum Thema „Corporate Governance (Effective Board Members)“ im Wembley Stadium am Programm. Dies ist eine Initiaitve und Studienform, die von der PFA gegründet wurde – es soll als Sprungbrett für ehemalige und aktive Sportler dienen, um sich in der Funktionärsebene als Manager oder als Sportdirektor zu etablieren. Beim letzten Kurs graduierte Les Ferdinand, der nun Director of Sport bei den Queens Park Rangers ist. Das ganze Programm ist aus meiner Sicht eine super Sache, welche mir auch einen sehr guten Einblick hinter die Kulissen von Fußballvereinen gab. So bereite ich mich auf meinen nächsten Schritt im Bereich Fußball vor.
Zusammengefasst dürfen wir somit davon ausgehen, dass wir Johnny Ertl auch in Zukunft in irgendeiner Funktion im Fußball erleben dürfen?
Ja, auf alle Fälle. Nächstes Jahr möchte ich auf jeden Fall noch spielen und dann würde mich zum Beispiel die Tätigkeit des Fußballmanagers im europäischen Sinn oder des CEOs reizen. Ich hätte große Lust in Zukunft meine Ideen einbringen zu können und werde somit dem Fußball sicher noch länger verbunden bleiben, da er mich auch einfach seit meiner Kindheit begleitet.
Deine Frau ist Musikerin, du bist teilweise bei ihren Konzerten selbst auf der Bühne, spielst dabei Gitarre – hätte doch auch bestimmt etwas, vom Profikicker zum Profimusiker?
(Lacht) Naja, meine Frau singt zwar in der Champions-League, ich spiele die Gitarre ungefähr in der Gebietsliga. Aber ich muss gestehen, dass es mir wirklich Spaß macht, wenn ich gemeinsam mit meiner Frau auf der Bühne stehe. Wir hatten auch schon mehrere gemeinsam Projekte, haben eine CD aufgenommen – meine Frau singt am Ende der Saison immer bei der Abschlussfeier des Klubs, auch bei Sheffield United haben wir gemeinsam beim Gala-Dinner musiziert.
Im Zuge meiner Interview-Vorbereitung bin ich auf eine Aussage von dir gestoßen, die mir wirklich gut gefallen hat und die dich wohl von vielen anderen Fußballern unterscheidet. In deiner Anfangszeit beim FC Portsmouth hast du dir mit mehreren Teamkollegen ein Haus geteilt – auf die Frage, wie viel Zeit ihr vor der Playstation verbracht habt, hast du geantwortet: „Gar keine“. Vielmehr habt ihr gemeinsam musiziert und gekocht – auch die Kunst ist eines deiner Interessen. Braucht man diese konträren Punkte als Profifußballer um abschalten zu können?
Jeder hat seine eigene Art, um abzuschalten und seine Energien wieder aufzuladen. Der eine läuft mit seinem Hund durch den Wald, der andere interessiert sich für Kunst und Kultur und der dritte hockt sieben Stunden vor der Playstation – jedem das seine. Wir waren damals im Klubhaus wirklich ein crazy Mix von verschiedenen Nationalitäten und bei uns hat es tatsächlich keine Playstation gegeben – es war wirklich eine coole Zeit. Ich bin mit den Spielern, mit denen ich im Klubhaus gewohnt habe, nach wie vor im Kontakt und wir sind wirklich enge Freunde geworden. Ich würde dies auch selbst bei einem Verein einführen, gerade junge Spieler in einem Klubhaus, das wäre fantastisch. Da wären die Jungs nicht auf sich alleine gestellt und könnten dort gemeinsam etwas unternehmen, was sich wiederum auf das Teamgefüge und die Kameradschaft auswirkt.
Bei uns hat es tatsächlich keine Playstation gegeben – es war wirklich eine coole Zeit.
Lass uns am Ende des Gesprächs noch kurz auf das ÖFB-Team zu sprechen kommen – ich nehme an, du verfolgst das Nationalteam nach wie vor? Wie groß schätzt du die Chancen auf die Teilnahme an der EM 2016?
Ja, natürlich verfolge ich das Nationalteam intensiv, die Chancen für eine Teilnahme bei der EM sind aus meiner Sicht riesengroß, ich bin wirklich ein Fan des Nationalteams. Man merkt, dass wichtige Spieler in ausländischen Ligen tätig sind und dort ihr Handwerk gelernt oder verfeinert haben. Wir haben ein paar Aushängeschilder in Deutschland, von denen der gesamte österreichische Fußball profitiert – stellvertretend möchte ich hier einfach mal Julian Baumgartlinger und David Alaba nennen. Der David und der Aleksandar Dragovic sind damals gemeinsam mit mir bei der Austria auf Trainingslager gewesen und dass die beiden ihren Weg so toll gegangen sind, das ist fantastisch für den österreichischen Fußball. Ich bin auch so froh, dass das gesamte Land endlich wieder hinter dem Nationalteam steht, denn das haben sich die Burschen redlich verdient.
Du warst selbst mal Teil des Nationalteams – auch wenn es schwer ist, das zu beurteilen, doch was hat sich unter Marcel Koller im Vergleich zu den vorherigen Trainern verändert?
Von meiner Seite kann ich natürlich nur Vermutungen anstellen, doch wenn ich das Ganze von außen betrachte, dann hat Marcel Koller dem Team eine Identität gegeben und das war von immenser Wichtigkeit. Das Nationalteam hat eine Identität gebraucht und Koller hat mit seiner guten und offenen Weise wirklich geschafft, die zu implementieren. Das ist beeindruckend und Koller hat bis dato wirklich einen guten Job gemacht.
Johnny, vielen herzlichen Dank für das Interview!
Bitte, sehr gerne!
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(Christian Semmelrock)