Österreich vs Rumänien – unsere Nachbetrachtung
Österreich – Rumänien 0:0 (0:0)
Spieltag: 5. Juni 2012 / Anpfiff: 20.30 Uhr MEZ
Spielort: Innsbruck (12.500 Zuschauer)
Aufstellung Österreich: Gratzei; Garics, Dragovic, Scharner, Suttner; Kavlak, Alaba; Burgstaller, Junuzovic, Arnautovic; Janko
Aufstellung Rumänien: Tatarusanu; Papp, Gaman, Goian, Rat; Chiriches, Florescu; Torje, Grozav, Tanase; D. Niculae
Das Publikum
Das Innsbrucker Publikum zeigte sich an diesem Dienstag bei weitem nicht so müde wie noch letzten Freitag am Ende einer Arbeitswoche. Diesmal also Daumen hoch dafür, dass von Beginn weg das Nationalteam unterstützt wurde. Sei es durch Szenenapplaus, hörbare Begeisterung bei Vorstößen und generellem gesanglichem Support. Es kam Stadionatmosphäre rüber.
Spielverlauf
Auch heute vertraute der Teamchef wieder Paul Scharner als Innenverteidiger. Sollen wir hier herauslesen können, dass dieser nun etatmäßig entweder mit Sebastian Prödl oder Aleksandar Dragovic das Verteidigerduo geben wird? Dragovic bekam heute übrigens den Vorzug vor Prödl. Mit Emanuel Pogatetz gibt jedoch noch einen vierten Spieler für diese Position, der ebenfalls das Zeug zum Stammspieler hätte. Scharner gefällt auf dieser Position durchaus gut und scheint sowohl mit Dragovic als auch Prödl zu harmonieren. Die letzteren beiden sind als die deutlich jüngeren Spieler klarerweise zukunftsträchtiger. Jedenfalls sollte Österreich in der Innenverteidigung mittelfristig kein Besetzungsproblem zu haben.
Die Österreicher starteten sehr druckvoll; dies konnten wir auch in vergangenen Spielen immer wieder beobachten. Die Frage wird also sein, wie lange dieser Druck aufrecht erhalten werden kann bzw. ob er zumindest so lange aufrecht erhalten werden kann bis sich ein Torerfolg einstellt. Bereits in der vierten Minute bekommt Marc Janko einen ersten guten Pass, den er aber noch nicht verwerten kann. In der siebenten Minute hat Paul Scharner die Führung am Kopf. Er kann den Ball aber nach Zuspiel von David Alaba nach einem Freistoß nicht im Tor unterbringen. In Minute acht folgen aus einem Eckball von Zlatko Junuzovic einige Torschüsse, es ergeben sich aber keine zwingenden Chancen.
In der 16. Minute ist es abermals Janko, der die Chance auf die Führung vorfindet. Da er den Ball aber nicht mit dem Kopf, sondern nur mit der Schulter erwischt, bleibt es bei der Chance. In der Anfangsphase des Spiels wirkt Janko in das Spiel der Österreicher integriert und nicht wie so oft, zuletzt erst gegen die Ukraine, wie ein Fremdkörper. Nach einem Schuss von Alaba in der 20. Minute muss sich der rumänische Keeper ordentlich strecken, um den Ball noch aus der Ecke zu fischen.
Elfemteralarm in der 24. Minute. Marko Arnautovic wird im Strafraum von zwei Rumänen in die Zange genommen und kommt zu Fall. Der holländische Schiedsrichter entscheidet auf Fortsetzung des Spiels ohne Strafstoß. Eine wahrscheinlich korrekte Entscheidung, wenn wir das natürlich mit dem rot-weiß-roten Herzen anders sehen. Ein Tor hätte sich Österreich mittlerweile verdient, da ein paar Chancen herausgespielt wurden, der Gegner gar nicht zur Entfaltung kommt und der Druck mittlerweile nachzulassen beginnt.
Dies mündet nun auch in den ersten Konter der Rumänen, der es bis vor das Tor von Christian Gratzei schafft. Dieser kann aber klären. Ausgangspunkt für diesen Gegenstoß war ein Eckball der Österreicher. Solche Situationen werden zwar immer seltener, sollten sie aber zu einem Tor führen, hört man dann oft von einem unglücklichen Gegentreffer, obwohl man ja das bessere Team war. Unglücklich ist daran nur nichts: das sind Fehler, die nicht passieren dürfen und auf diesem oder höherem Niveau eigentlich zu Toren führen. Hier hat Marcel Koller also immer noch einiges mit seinen Jungs zu analysieren und zu verbessern.
Sechs Minuten später wäre Gratzei, der zuvor noch pariert hatte, fast zur tragischen Figur geworden. Nach einem Fernschuss von Torje kann er den Ball nicht festhalten. Niculae kommt nach dem Abpraller zum Schuss, Gratzei ist aber bereits wieder auf den Beinen und kann blocken. Neben nachlässigem Spiel ist dies nun die zweite Variante, die Österreich oftmals um die Früchte seiner Arbeit bringt: individuelle Fehler. Gut, dass er diesmal ohne Folgen blieb und gut, dass es der einzige von Gratzei im gesamten Spiel blieb. Er hatte in weiterer Folge auch keinen großen Auftritt mehr.
Zur Pause wird Patrick Bürger für Janko eingewechselt. Die zweite Hälfte beginnt genauso druckvoll wie die erste. Noch etwas bleibt gleich: trotz guter Chancen bekommen Junuzovic (58.), Alaba (61.) und Dragovic (65.) den Ball nicht ins Tor. Dabei ist von allem etwas dabei, ein Strafraumgestocher, ein Fernschuss und unbedrängtes Chancenvernebeln aus kürzester Distanz.
65. Minute: Marcel Sabitzer kommt für Burgstaller. In der 70. Minute geschieht etwas äußerst seltenes: ein Entlastungsangriff der Rumänen, der mit einem harmlosen Schuss am Tor vorbei endet.
71. Minute: Einwechslung von Andreas Ivanschitz für Junuzovic. 85. Minute: Arnautovic macht Platz für Yasin Pehlivan. 88. Minute: David Alaba vom Platz, Julian Baumgartlinger hinein.
In Minute 90+1 kommt es zum ersten (!) Eckball für Rumänien. Nur kein Tor in letzter Minute, bitte! Gottseidank, das 0:0 hält. Auch weil aus einem Freistoß für Österreich in der 90.+3 Minute nichts Zählbares resultiert.
Aus den letzten 20 Minuten gab es tatsächlich nicht mehr zu berichten als die zahlreichen Spielerwechsel auf beiden Seiten. Das Spiel ebbte zusehends ab, die Österreicher wirkten trotz frischer Kräfte ausgepowert. Die Luft war draußen. Schade, eine Steigerung in der zweiten Halbzeit wie gegen die Ukraine vor ein paar Tagen, hätte durchaus die Entscheidung zugunsten der Österreicher bringen können – zumal Rumänien wirklich nicht mehr als eine äußerst kompakte Defensive aufzubieten hatte.
Augenscheinliches & Taktisches
In der ersten Halbzeit können wir phasenweise einen Ballbesitz der österreichischen Nationalmannschaft von 64% notieren. Dies ist eine Folge von konsequentem Pressing. Die Rumänen werden bereits sehr früh in ihrem Spielaufbau gestört und die Räume und Passwege wurden von den Österreichern konsequent zugestellt. So war es für die Rumänen unmöglich, einen kontrollierten Angriff aufzubauen – was in oftmaligen Ballverlusten resultierte. Diese Charakteristik des österreichischen Spiels wird von Mal zu Mal deutlicher erkennbar. Es wird aber auch eine Frage von Kraft und Kondition sein, wie lange diese kräftezehrende Spielweise praktiziert werden kann – gerade am Ende der Saison nach einem fast zweiwöchigen Trainingslager.
Im Vergleich zum Spiel gegen die Ukraine gab es aber deutliche Unterschiede zu sehen: durch die äußerst defensive Ausrichtung des rumänischen Teams wurde es den österreichischen Innenverteidigern ermöglicht, immer wieder in den Spielaufbau einzugreifen. Besonders Paul Scharner, den wir nach dem Ukraine-Spiel für seine mangelhafte Spieleröffnung kritisiert hatten, tat sich hier besonders positiv hervor und schaltete sich oftmals in den Spielaufbau ein. Dadurch ermöglichte er auch den defensiven Mittelfeldspielern Alaba und Kavlak, neue Positionen einzunehmen und die Offensive besser mitzugestalten.
Auch Markus Suttner zeigte deutlich mehr Offensivdrang als noch im letzten Spiel, in zwei drei Situationen erntete er für technische Gustostückerln sogar Szenenapplaus. Seine Vorstöße in den Angriff sind absolut als positiv zu werten, seine Abspiele (vor allem die Flanken, die oftmals ins Leere/Torout gingen) bieten jedoch noch viel Luft nach oben.
Ebenfalls sehr positiv aufgefallen ist Veli Kavlak auf der Position des 6ers (auch wenn sich das ORF-Superanalytiker Herbert Prohaska in der Vorberichterstattung nicht vorstellen konnte), der sich einerseits als hochgradig zweikampfstark und andererseits – ebenso wie David Alaba – sehr variabel in seinem Positionsspiel zeigte – nicht zuletzt eben auch dadurch ermöglicht, dass Paul Scharner an diesem Abend die Rolle des modernen Innenverteidigers ausgezeichnet interpretierte (von 2, 3 unnötigen Ballverlusten in der zweiten Halbzeit einmal abgesehen).
Besonders vielseitig im Positionsspiel sind auch David Alaba und Marko Arnautovic, der heute nicht nur immer wieder mit Junuzovic und Burgstaller die Positionen tauschte, sondern vor allem durch seinen kämpferischen Einsatz wieder unbedingt hervorzuheben ist. Völllig zu Recht erntete er oftmals Beifall von den Rängen, in dem er Zweikämpfe suchte/annahm/gewann und zahlreiche Bälle durch tollen Einsatz im Spiel bzw. in der Mannschaft hielt.
Marc Janko hat zumindest versucht, etwas mehr zu arbeiten und Bälle zu erkämpfen, seine Leistung zu bewerten fällt allerdings insofern etwas schwer, da dieser Spieler extrem von der hinter ihm bzw. an den Flügeln agierenden Offensivabteilung lebt. Und der Task „Spiel kreativ gestalten und Chancen herausspielen“ ist auf Marcel Kollers ToDo-Liste definitiv noch nicht abgehakt.
Fazit
Ohne Zweifel wieder ein Schritt in die richtige Richtung! Besonders die mannschaftsweite Defensivarbeit trägt ganz offensichtlich schon Früchte und ist bereits in einem wettbewerbsfähigem Zustand. In der Spielgestaltung ist jedoch noch einiges zu tun, wenn wir ernsthaft von einer Qualifikation für die WM 2014 reden wollen. Nicht vergessen darf man jedoch auch, dass wir noch einige Asse im Ärmel haben, die diesmal nicht im Kader waren (Martin Harnik und Christian Fuchs). Dennoch: es war das vierte Spiel unter Teamchef Marcel Koller und zum vierten Mal konnten wir von einem Fortschritt sprechen – wann war das zuletzt der Fall?
Besonders postiv in Erscheinung getreten sind:
Marko Arnautovic, Paul Scharner, Markus Suttner, Veli Kavlak, David Alaba
(Autoren: newton, thelex)
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