Nationalteam

Das USA-Länderspiel als Start in Kollers zweite Amtsperiode – eine Vorschau

Am 30.10.2013 hatte das Warten für Fußball-Österreich ein Ende, ließ der ÖFB doch verlauten, dass der vielerorts liebgewonnene Schweizer Marcel Koller seinen Vertrag verlängere und so bis Ende Dezember 2015 das Zepter des Nationalteams schwingen würde – das Gros der österreichischen Fußballfans atmete erleichtert auf. Bei einer geglückten Qualifikation für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich, bei der erstmals 24 Teams teilnehmen, würde sich sein Kontrakt automatisch um ein weiteres Jahr verlängern.

 

Was darf von Marcel Kollers zweiter Amtsperiode erwartet werden?

Nach der durchaus erfolgreichen ersten Amtsperiode Marcel Kollers, bei der es für Fuchs und Co. zwar leider nicht für das Weltmeisterschafts-Playoff reichen sollte, hob der Tross rund um das österreichische Nationalteam am Montag, den 11.11.2013, vom Wiener Flughafen ab, um in den darauffolgenden Tagen in wärmeren Gefilden den ersten Schritt in Richtung EM 2016 zu setzen; überdies gilt es am 19.11.2013 in aller Freundschaft ein Länderspiel gegen die von Jürgen Klinsmann betreute USA zu absolvieren, auf das man sich schließlich auch vorbereiten muss.

In Spanien startet Marcel Koller somit offiziell in seine zweite Schaffensphase, beginnt diese gleich mit einem Trainingslager außerhalb Österreichs und gibt klare Ziele für das Nationalteam vor. Eines davon ist der kontinuierliche Einbau neuer Spieler; ganze 4 Kicker, die noch nie für das Nationalteam aufgelaufen sind, befinden sich derzeit im spanischen Orihuela. Der Tiroler Lukas Hinterseer und Martin Hinteregger von Red Bull Salzburg durften zumindest schon zuvor unter Koller trainieren –  Philip Zulechner, Stürmer des SV Grödig, sowie Kevin Wimmer, Schützling von Peter Stöger in Köln, schnuppern erstmals A-Team-Luft. Diese vier haben somit die Okkasion, sich über einen längeren Zeitraum beim Teamchef zu präsentieren, hoffen einerseits einen guten Eindruck zu hinterlassen und andererseits auf einen Einsatz am Dienstag gegen die USA.

Außerdem, so ließ Koller gegenüber den Medien verlautbaren, geht es dem Teamchef darum, an einem zweiten Gesicht des Teams zu arbeiten. Folglich wird neben dem schon bekannten anfänglichen Angriffspressing und der frühen Balleroberung im Rahmen des Trainingslagers Neues probiert. Geht es nach dem Schweizer, soll nun versucht werden, dass Spiel auch etwas zu beruhigen. Die Devise lautet deshalb: Hinten kompakt und dicht gestaffelt stehen und anschließend durch schnelles Umschalten einen Angriff starten; vice versa gilt ein weiteres Hauptaugenmerk dem schnellen Umschalten in die Defensive, um die Gefahr eines gefährlichen Gegenangriffs zu minimieren. So sollen sich durch neue Varianten mehrere Möglichkeiten ergeben, im Spiel selbst taktisch intensiver eingreifen zu können. Zusätzlich wird bereits Erlerntes vertieft, um gemeinsam mit dem Neuerlernten in Zukunft für die Gegner unberechenbarer zu sein. Man darf gespannt sein, welche Novitäten die Fans der österreichischen Nationalmannschaft bereits am Dienstag zu sehen bekommen werden; die Möglichkeiten, die im Training erlernten taktischen Finessen auch in Spielen vor dem EM-Qualifikationsstart umsetzten zu können, sind für Alaba und Kollegen rar gesät, trifft man doch nach dem dienstägigen Länderkampf bis September 2014 lediglich auf zwei weitere Testspielgegner.

 

Die Crux mit den Freundschaftspielen

Schon seit geraumer Zeit hat es den Anschein, Österreichs Nationalteam nähme Freundschaftsspiele allzu wörtlich, so wurden in der Ära Constantini sieben von neun Freundschaftsspielen verloren und lediglich zwei gewonnen; unter Koller zeigt der Trend wohl etwas bergauf, so durfte man bei acht amikalen Begegnungen über drei Siege jubeln, einmal wurde remisiert, bei vier Spielen musste man als Verlierer den Platz verlassen. Auf den letzten Sieg in einem Testspiel warten die Österreicher bereits seit August 2012, die letzten drei Länderspiele wurden allesamt verloren, teils mit wenig berauschenden Leistungen. Meist hatte es den Anschein, es würde nicht mit absolut letztem Einsatz in ein Spiel gegangen. Einerseits ist dies zum Teil verständlich – um beispielsweise keine schlimme Verletzung zu riskieren –, andererseits bringen auch Freundschaftsspiele Punkte für die UEFA-Nationen-Rangliste, welche wiederum bei der Topfeinteilung für die folgende EM-Qualifikation ausschlaggebend ist. Ein Grund mehr, das Länderspiel gegen die Amerikaner wirklich ernst zu nehmen, liegen diese doch in der Weltrangliste auf Platz 13, was bei einem Sieg wichtige Punkte für das heimische Nationalteam bedeuten würde.  Sollten die Österreicher die USA besiegen, stiege das Punktekonto von derzeit 596 Punkten auf 648 Punkte an; dies würde dazu führen, dass das ÖFB-Team im UEFA-Nationen-Ranking vom Schleuderplatz 28 – welcher noch einer Zuteilung in den 3. Topf entspräche – auf den 24 Platz vorrücken würde und Topf drei somit abgesichert ist. Ein Unentschieden dürfte wahrscheinlich ebenso noch für das Erreichen des dritten Topfes genügen, bei einer Niederlage besteht indes die Gefahr, dass beispielsweise Albanien mit einem Sieg in Weißrussland an den Österreichern vorbeiziehen könnte und diese somit in Topf vier zurückfallen würden.

Auf Grund der durchaus brisanten Situation soll auch der kommende Länderspielgegner hier mehr als nur eine kurze Erwähnung finden. Die Amerikaner, wie bereits erwähnt 13. der FIFA-Weltrangliste, waren seit 1990 bei jeder Weltmeisterschaft am Start und konnten mit dem Erreichen des Viertelfinales bei der WM 2002 den größten Erfolg der jüngsten Geschichte bei einer WM verbuchen; 2010 reichte es immerhin zu einem Einzug ins Achtelfinale, wo man allerdings gegen Ghana den Kürzeren zog.

Am vergangenen Freitag, 15.11.2013, erreichten die US-Boys in Schottland lediglich ein torloses Unentschieden, ein Ergebnis, welches zu keiner Schockstarre im österreichischen Nationalteam führen sollte. Doch auf die leichte Schulter dürfen die Amerikaner mit Sicherheit nicht genommen werden, dafür reicht alleine schon ein Blick auf den aktuellen Kader. Vier Spieler aus der Premier League wurden von Klinsmann in das Nationalteam berufen, darunter Tim Howard, der seit 2007 das Tor des FC Everton hütet und der bullige Stürmer Jozy Altidore, der in der Vorsaison die Tornetze der niederländischen Eredivise zerschoss, in dieser Saison bei Sunderland allerdings noch nicht restlos überzeugen konnte. Neben diesen beiden stößt Marko Arnautovic  mit Geoff Cameron (RV) und Brek Shea (LM) auf zwei Teamkollegen von Stoke City. Doch nicht nur die Legionäre aus Englands höchster Liga wissen mit dem Ball umzugehen, auch das zentrale und defensive Mittelfeld mit Michael Bradley von AS Roma, Jermaine Jones von Schalke 04 und Sasha Kljestan von Champions League Teilnehmer RSC Anderlecht sind auf ihren Positionen überzeugend. Zudem befinden sich mit Mikkel Diskerud (Rosenborg Trondheim), Alejandro Bedoya (FC Nantes) und Brad Evans (Seattle Sounders) weitere Alternativen im Kader. In der Verteidigung findet man mit Youngster John Anthony Brooks von Hertha BSC und Fabian Johnson von der TSG Hoffenheim zwei Deutschland-Legionäre, welche von Legionären aus Englands zweiter Liga (Lichaj), der mexikanischen ersten Liga (Orozco, Beasley) und Kickern der amerikansichen MLS (Gonzales) unterstützt werden. Auch ist die Offensivabteilung der USA, trotz des Fehlens des langjährigen Kapitäns Landon Donovan, gut bestückt. So warten auf die Defensive der Österreicher Spieler wie Aron Jóhannsson, der als Nachfolger von Jozy Altidore dessen vorjährige Arbeit in Alkmaar fortsetzt, und Clint Dempsey, der etwas überraschend trotz guter Leistungen in den vergangen Saisonen beim FC Fulham und den Tottenham Hotspurs in der Sommertransferperiode 2013 zu den Seattle Sounders wechselte, wo er somit Kollege des ehemaligen österreichischen Teamgoalies Michael Gspurning geworden ist. Ergänzt werden diese drei durch den ebenso europageprüften Eddie Johnson (Seattle Sounders), Chris Wondolowski  (San Jose Earthquakes) und den Rapidler Terrence Boyd.

Aus taktischer Sicht wartet auf Österreich am Dienstag ein mit Sicherheit gut eingestelltes Team, das im Speziellen auch durch seinen Einsatzwillen bereits große Gegner ärgern konnte; stellvertretend seien hier der 4:3-Sieg gegen die Deutschen sowie der 1:0-Sieg gegen Italien genannt. Jürgen Klinsmann lässt sein Team bevorzugt in den Systemen 4-2-3-1 und 4-4-2, zumeist mit Doppel-Sechs, auflaufen, alternativ werden die Systeme etwas adaptiert. Man darf gespannt sein, mit welcher Starting-11 Klinsmann seine Mannen auf den Platz schickt, in den zuletzt absolvierten Spielen wurde seitens des Teamchefs öfters auf Rotation gesetzt.

Eine Prognose für den Ausgang des Spiels kann, ob der relativ ausgeglichen Kader, schwer abgegeben werden; mit dem Heimvorteil, den hoffentlich zahlreich erscheinenden Fans sowie dem Wissen um die Wichtigkeit eines positiven Resultats, geht Österreich jedoch als leichter Favorit in diese Partie.

 

Ein offener Brief an die Zeitung „Österreich“

Dem Großteil der österreichischen Fußballfans trieb es wahrscheinlich die Zornesröte ins Gesicht, als tags vor der Vertragsverlängerung Marcel Kollers die Tageszeitung „Österreich“ mit einer unfassbar reißerischen Kolumne aufhorchen ließ. In dieser forderte Herausgeber Wolfang Fellner dazu auf, Teamchef Marcel Koller in einem Paket verpackt zurück in seine Heimat Schweiz zu schicken. Zudem wurde der Schweizer als Verräter und billiger Söldner tituliert, ferner erklärte ein ehemaliger Teamstürmer, es sei hier Cordoba erwähnt, in ebendieser Zeitung, dass Koller sich nicht mit Österreich identifizieren könne; die Unterschrift unter dem neuen Vertrag ließ für die Protagonisten des Mediums zu lange auf sich warten. Die Chuzpe allerdings wurde am Tag nach der offiziellen Bestätigung der Vertragsverlängerung von Marcel Koller seitens „Österreich“ veröffentlicht: Im plötzlichen Sinneswandel gratulierte das Boulevard-Blatt dem Schweizer zu seiner Vertragsverlängerung, freute sich und stellte fest, dass es mit Abstand das Beste für alle sei, die Zusammenarbeit fortzusetzen.

Bereits bei der Pressekonferenz zur Vertragsverlängerung wurde seitens des ÖFB-Präsidenten Leo Windtner zu verstehen gegeben, dass Marcel Koller in jeglicher Hinsicht bei einem Vorgehen gegen die Tageszeitung unterstützt würde. Doch nicht der Schweizer reagierte auf die Unterstellungen, vielmehr bezogen die Nationalspieler zur, freundlich ausgedrückt, etwas missratenen Vorgehensweise von „Österreich“ Stellung. Im Zuge des Trainingslagers wurde mit einem Tabu gebrochen, ein offener Brief verfasst und direkt an die Zeitung gerichtet: In diesem wiesen die Kicker auf die, in letzter Zeit vermehrt auftretende, unfaire Berichterstattung hin; ebenso veröffentlichte, jedoch nie getätigte Interviews, wurden angeprangert. Die Spieler distanzierten sich klar von der Linie „Österreichs“, hoben jedoch die gute Zusammenarbeit mit dem Rest der österreichischen Medienwelt hervor und zeigten sich auch dafür offen, konstruktive Kritik von diesen anzunehmen.

Auf den offenen Brief reagierte „Österreich“ prompt; so bezeichnet Fellner in einer Stellungnahme den Brief als bemerkenswert, da es nicht alle Tage vorkäme, dass sich Fußballprofis hinsetzen und „stundenlang“ gemeinsam einen Brief an eine Zeitung verfassen. Außerdem wird die Reaktion der Teamspieler gar als Zeichen der Wertschätzung und Leserkritik betitelt; zudem distanziert sich der Herausgeber des Blattes von den Vorwürfen der angeblich nicht geführten Interviews, stellt schlussendlich die Fußballer als Mimosen dar und führt dies auf den „Verhaberungsjournalismus“ in Österreich zurück.

Man darf gespannt sein, welchen Verlauf diese Geschichte noch nehmen wird, doch wie lautet schließlich ein altbekanntes Sprichwort – richtig: „Der Klügere gibt nach.“Einleitung.

(Autor: CHS)

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Alexander Doubek

Alexander DOUBEK (Gründer/Chefredakteur) Bei 12terMann seit: 09/2011 M: alexander.doubek@12termann.at T: @AlexanderDoubek  

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