Teamanalyse: Belgien bei der UEFA EURO 2024
Gruppe E ist wohl die schwächste des Turniers. Als Favorit auf den Gruppensieg gilt Belgien, die nach dem Ende der langjährigen Amtszeit von Roberto Martínez – jetzt Trainer der Portugiesen – in eine neue Ära stießen. Domenico Tedesco bringt bei seinem ersten Nationaltrainerposten frischen Wind in die belgische Auswahl.
Hinter den Roten Teufeln wird sich ein Dreikampf auftun. Die Slowakei geht dabei als Außenseiter in die Gruppe und hat wohl die schlechtesten Karten auf ein Weiterkommen. Nominell hat unser östliches Nachbarland die schwächste Auswahl. In der Defensive kann man jedoch auf zwei erfahrene Profis setzen.
Bei Rumänien ist die Perspektive ähnlich, auch bei ihnen ist die Abwehr der Antrieb des Teams. In der Qualifikation, die man ohne Niederlage auf Platz eins der Gruppe beendete, kassierte man so nur fünf Gegentore.
Die Ukraine hingegen scheint die besten Karten auf die K.O.-Phase zu haben. Bereits vor drei Jahren erreichte man das Viertelfinale. Dann folgte mit dem Krieg gegen Russland eine Zäsur. Die Nationalmannschaft spielt in Deutschland also sowohl für die nach dorthin Geflüchteten, als auch für die Soldaten an der Front.
Sechs Jahre lang war Roberto Martinez Cheftrainer der belgischen Nationalmannschaft, der größte Erfolg war die Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft 2018. Mittlerweile steht Domenico Tedesco der Mannschaft rund um Manchester-City-Legende Kevin de Bruyne vor und vollzog einen Kaderumbruch, wodurch das bei vielen Turniern als Geheimfavorit gehandelte Belgien eine kleine fußballerische Renaissance erlebte. Die Tedesco-Truppe verlor bisher noch kein Spiel und beendete in der EM-Qualifikation die niederlagenlose Serie Österreichs im Oktober 2023.
Torhüter
Den ersten Umbruch gab es auf der Torhüterposition. Thibaut Courtois, seines Zeichens auf Platz sieben der Rekordspieler mit 102 Einsätzen, wurde von Tedesco nach einem Streit aussortiert und fährt auch wegen eines gerade erst auskurierten Kreuzbandrisses nicht mit nach Deutschland.
Ein ausgeglichenes Torhüterduell lieferten sich anschließend Koen Casteels (Wolfsburg) und Mats Sels (Nottingham Forest), wobei beide seit Tedescos Antritt sechsmal spielten. Casteels scheint die Nase vorne zu haben und spielte in den letzten Testspielen vor der EM gegen Montenegro und Luxemburg durch. Sels wird also die Nummer zwei sein.
Der dritte Torhüter heißt Thomas Kaminski. Beim Premier League-Absteiger Luton Town ist er Stammtorhüter, für die Roten Teufeln spielte er jedoch erst sieben Minuten. Folglich ist er die dritte Wahl.
Verteidigung
Zwei Spieler der Martinez-Ära sind noch dabei. Rekordspieler Jan Vertonghen (154 Einsätze) ist auch bei Tedesco gesetzt, wegen einer Leistenverletzung muss er aktuell aber weichen. Die Rückkehr wagte indes Axel Witsel, der nach seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft aufgrund der Personalnot in der Abwehr zum Umdenken bewegt werden konnte.
Ein wahrer Dauerbrenner in Tedescos System ist jedoch Innenverteidiger Wout Faes. Der 26-jährige Leicester-City-Legionär spielte beinahe jedes Match in der Tedesco-Ära durch und wird auch Stammspieler bei der EM sein. Zeno Debast fand 2024 ebenfalls seinen Weg in die Elf, kam in den letzten drei Testspielen zum Einsatz.
Arthur Theate spielt bei Stade Rennes zwar ebenfalls in der Innenverteidigung, Tedesco setzt links hinten aber auf ihn. Sein Ersatz wäre Artur de Cuyper, der erst seit Juni dabei ist. Rechtsverteidiger Thomas Meunier ist erneut dabei, wird aber wohl Premier League-Legionär Timothy Castagne den Vortritt lassen.
Mittelfeld
Im 4-2-3-1 ist Everton-Legionär Amadou Onana auf der Doppelsechs gesetzt. Neben ihm gibt es zwei Kandidaten für die zweite Position im defensiven Mittelfeld, Orel Mangala von Olympique Lyon ist unter Tedesco in quasi jedem Spiel dabei, wird voraussichtlich auch bei der EM im Startaufgebot zu finden sein. Youri Tielemans darf sich jedoch als mittlerweile Erfahrenster auf dieser Position mit 67 Partien ebenfalls große Hoffnungen auf Einsatzzeit machen. Mit Aster Vranckx und Artur Vermeeren erleben zwei Talente ihr erstes Großturnier.
Im offensiven Mittelfeld führt kein Weg an Kapitän Kevin de Bruyne vorbei, der aber verletzungsbedingt in der vergangenen Saison oft aussetzen musste. Der frisch gebackene Europa-League-Sieger Charles de Ketelaere kann Abhilfe schaffen.
Angriff
Ersatz-Kapitän und Rekordgoalgetter Romelu Lukaku (85 Treffer) steht seit dem Trainerwechsel wieder voll im Saft. 17 Tore verbuchte er in elf Länderspielen seit März 2023, darunter ein Hattrick gegen Schweden, ein Viererpack gegen Aserbaidschan und drei Doppelpacks. Sein Ersatz Lois Openda bewies sich in der Bundesliga mit 24 Toren als drittbester Torschütze.
Den linken Flügel wird der dribbelstarke Jeremy Doku beackern, zuletzt zeigte er als Vorlagengeber gegen Montenegro und Luxemburg sein Können. Aber auch Yannick Carrasco ist noch mit an Bord. Ihn zog es nach Saudi-Arabien, Tedesco verlor ihn aber nicht aus dem Auge und gab ihm sogar einmal die Kapitänsbinde.
Zwei weitere Profiteure des Umbruchs sind Dodi Lukebakio und Johan Bakayoko, die in quasi jedem Spiel Minuten bekommen, während Arsenals Leandro Trossard in der Offensive durch seine Flexibilität besticht.
Trainer
Domenico Tedesco überzeugt bei seiner ersten Trainerstelle einer Nationalmannschaft bisher vollends und konnte den Umbruch erfolgreich gestalten. Zehn Siege aus 14 Spielen, darunter direkt ein 3:2 gegen Deutschland im zweiten Spiel. 2023 gab er elf Spielern ihr Debüt für Belgien, Johan Bakayoko, Arthur Vermeeren und Aster Vranckx haben es letztendlich in die endgültige Auswahl geschafft. Der Schwachpunkt ist jedoch die Defensive, wodurch man noch auf die Altstars Vertonghen und Witsel setzen muss.
Gesamtbewertung
In der Gruppe ist Belgien gegen drei mittelmäßige Gegner klarer Kandidat für den Platz eins. Danach muss man schauen, was noch möglich ist. Im Achtelfinale würde man auf einen Dritten der Gruppen A, B, C und D treffen, wobei insbesondere aus Gruppe B ein starker Gegner lauern könnte. Das Mindestziel scheint das Viertelfinale zu sein, was mit der neuen Garde ohne Courtois, Alderweireld, Hazard, Mertens und Co. erreichbar scheint – dieses erreichte man auch unter Martinez. Der Auftakt in die EM sollte im ersten Spiel gegen die Slowakei gelingen.
Belgien in Gruppe E
Montag, 17.6., 18 Uhr | Belgien – Slowakei (Frankfurt)
Samstag, 22.6., 21 Uhr | Belgien – Rumänien (Köln)
Mittwoch, 26.6., 18 Uhr | Ukraine – Belgien (Stuttgart)