UEFA EURO 2024

Teamanalyse: Tschechien bei der UEFA EURO 2024

Einmal wurde Tschechien zwar Europameister, doch das als Tschechoslowakei im Jahre 1976. Finalgegner? Deutschland. Beim ersten Turnier als eigene Nation erreichte man sofort das Endspiel. Finalgegner? Deutschland. Man war seit der Aufteilung der Tschechoslowakei in Tschechien und Slowakei bei jeder EM dabei, zuletzt erreichte man 2021 das Achtelfinale. Die Deutschland-Connection reißt nicht ab.

Patrik Schick und Co. fahren mit ihrem Land zur achten EM, der neue Trainer Ivan Hasek erlebt nach vier Freundschaftsspielen gleich eine Feuertaufe, dementsprechend niedrig sind die öffentlichen Erwartungen – allerdings verfügen die Tschechen über einen oder anderen Topmann.

Torhüter

Mit Jindrich Stanek wird ein Keeper eines heimischen Klubs voraussichtlich erste Wahl sein. Zwar absolvierte er erst zehn Länderspiele, ist in der tschechischen Liga aber eine Bank. Slavia Prag ist sein mittlerweile vierter Klub, wo er immerhin in 14 Einsätzen sechs Weiße Westen sammelte.

Hinter ihm versammeln sich lediglich drei weitere Einsätze auf Nationalebene, insgesamt 180 Minuten. Haseks Nummer zwei kennt man in Deutschland als Europa-League-Keeper bei Bayer Leverkusen, es ist Matej Kovar, dem Xabi Alonso das Vertrauen für die internationalen Spiele schenkte.

Die Nummer drei ist zwar bei Liverpool unter Vertrag, in Österreich kennt man Vitezslav Jaros aber als (Leih-)Torwart von Sturm Graz. Bei seinem Debüt spielte er lediglich 45 Minuten, Hasek nominierte ihn erst im März. Für Jaros kommt – nach starken Leistungen im letzten Halbjahr – die EM wohl zu einem schlechten, etwas zu frühen Zeitpunkt.

Verteidigung

In der Abwehr sind fünf der sechs Spieler in der Hauptstadt unter Vertrag, drei bei Slavia Prag, zwei bei Sparta. Robin Hranac ist als Viktoria-Pilsen-Kicker die Ausnahme, in der Nationalmannschaft jedoch die Regel. Hasek setzte ihn in drei seiner bisherigen vier Spiele ein. Neben ihm wird die Bandbreite an Fixstartern dünn. Von Martin Krejci, der gegen Armenien die Kehrtwende zum 2:1-Sieg einleitete, kann man ebenfalls in der Startelf ausgehen. Die Dreierkette findet ihre Vollendung wohl mit dem 23-jährigen David Zima, doch auch sein Teamkollege kam in zwei von vier Hasek-Partien zum Einsatz. Auf der Bank werden wahrscheinlich Martin Vitik und Tomas Vlcek Platz nehmen.

Mit dem linken Flügelverteidiger David Jurasek ist ein weiterer Bundesligalegionär dabei, der bei seiner Leihe zu Hoffenheim im Schnitt aber nur 37 Minuten pro Spiel bekam. Auf der Gegenseite kommt mit Vladimir Coufal einer der beiden Tschechen von West Ham zum Einsatz, wo er Stammspieler ist. Als Wechseloption für beide Seiten gilt mit David Doudera ein weiterer Slavia-Kicker.

Mittelfeld

Der zweite Tscheche bei den Hammers ist gleichzeitig Mannschaftskapitän – Tomas Soucek. Keiner im Kader durfte sich das Trikot seiner Heimat öfter überstreifen als er. Der Dauerbrenner fehlt nur selten und besticht vor allem durch Defensivaktionen, gilt als echter Abräumer auf der Sechs.

Vor Soucek setzt Hasek auf zwei offensive Mittelfeldspieler. Antonin Barak von Viktoria Pilsen geht dabei als Gewinner des Trainerwechsels hervor, mit drei Toren und einem Assists stehen seine Chancen auf den Startplatz sehr gut. Um die andere Stelle duellieren sich Pavel Sulc, Teamkollege von Barak, und Feyenoord Legionär Ondrej Lingr, wobei Ersterer mehr Minuten absolvierte, Letzterer sich dafür durch Jokereinsätze zeigen konnte. Die Reservisten geben Petr Sevcik (Slavia) und Lukas Cerv (Pilsen).

Angriff

Der Angriff ist qualitativ der beste Mannschaftsteil der Tschechen. Insgesamt sind drei Bundesliga-Legionäre und vier Spieler der tschechischen Fortuna Liga dabei. Mit einem Startplatz kann dabei das Bayer-Leverkusen-Duo bestehend aus Adam Hlozek und Patrik Schick rechnen. Beim deutschen Meister sind sie zwar nicht gesetzt, doch der positionstechnisch flexible Hlozek gilt als eine große Hoffnung, die mit 21 Jahren noch viel Entwicklungspotenzial hat, während Schick für Tschechien quasi unverzichtbar ist.

Das Trio aus Mojmir Chytil, Tomas Chory und Matej Jurasek hat jedoch auch gute Möglichkeiten auf Einsatzzeiten, gemeinsam teilen sie sich seit Haseks Antritt vier Tore. Sparta-Stürmer Jan Kuchta sowie Wolfsburg-Legionär Vaclav Cerny kamen im selben Zeitraum kaum zu Einsätzen.

Trainer

Ivan Hasek ist gewissermaßen eine Notlösung. Er beerbt den langjährigen Chefcoach Jaroslav Silhavy, der die Mannschaft nach großer Kritik um das Verhalten einiger Spieler verließ. Die vier Spiele, die er sein Heimatland bisher betreute, sind eine geringe Urteilsbasis, sein Debüt war gleich das Highlight – man besiegte Norwegen mit Superstar Erling Haaland. Sein Kader ist der durchschnittlich jüngste der EM, doch das kann die tschechische Elf mit ihrer Eingespieltheit kaschieren, zumal zahlreiche Spieler in der heimischen Liga und meist auch bei denselben Klubs spielen.

Gesamtbewertung

Alles in allem sind die Erwartungen in Tschechien nicht hoch. Man befindet sich gerade in einem Umbruchsprozess und mit dem Rücktritt von Silhavy begann eine neue Ära. Dass dies nun quasi mit einer EM vor der Brust passiert, ist zwar eher ungünstig, doch das große Ziel ist das Erreichen der Weltmeisterschaft 2026, wo sich Talente wie Adam Hlozek gereift auf Weltbühne präsentieren sollen. Die Tschechen werden sich nominell mit der Türkei um den zweiten Rang in Gruppe F matchen, dürfen aber auch Georgien nicht unterschätzen. Durch das Auftaktspiel gegen Portugal könnte man bereits früh mit dem Rücken zur Wand stehen.

Tschechien in Gruppe F

Dienstag, 18.6., 21 Uhr | Portugal – Tschechien (Leipzig)
Samstag, 22.6., 15 Uhr | Georgien – Tschechien (Hamburg)
Mittwoch, 26.6., 21 Uhr | Tschechien – Türkei (Hamburg)