Marko Arnautovic und Stoke City: eine Beziehung, die passt
Viele werden sich noch an die Worte des ehemaligen U21-Teamchefs Andreas Herzog erinnern, als dieser seinen damaligen Schützling Marko Arnautovic zum besten österreichischen Fußballer in den letzten 30 Jahren adelte. Bedingung: der heute 24-Jährige müsse sein Potenzial abrufen. Genau das gelang ihm bei seinen Engagements bei Inter Mailand und Werder Bremen aber viel zu selten, weswegen er im letzten Sommer zu Stoke City wechselte. Dort blüht er in den letzten Wochen auf. Eine Analyse von Alexander Semeliker.
Die meisten sahen diesen Transfer als letzte Chance dafür, dass sich Arnautovic international noch einen Namen machen könnte. Denn sowohl in Italien als auch Deutschland brachte man seinen Namen mit negativen Schlagzeilen in Verbindung. In England scheinen ihm die Medien neutraler gegenüberzustehen, liegt der Fokus mehr auf den sportlichen Leistungen. In diesem Artikel wollen wir uns mit diesen bzw. generell mit seiner Rolle bei den Potters befassen.
Weniger Kick and Rush: das „neue“ Stoke
Das Spiel von Stoke City galt in den letzten Jahren als äußerst unattraktiv. Wie kein anderes Team in der Premier League praktizierten sie das altmodische Kick and Rush – körperbetont, mit vielen langen Bällen und ohne technische Glanzlichter. Zwar hielten sie sich beständig im Tabellenmittelfeld, dennoch trennte man sich im Sommer von Langzeittrainer Tony Pulis und installierte Mark Hughes als neuen Manager. Der Waliser kündigte zwar an, die Spielphilosophie nicht radikal umkrempeln zu wollen, dennoch sieht man positive Änderungen.
In den Ballbesitzstatistiken fand man Stoke stets am unteren Ende des Rankings. Sie setzten kaum auf lange Passstafetten, sondern spielten direkt und hoch nach vorne, wo man mit hoher Physis den Ball im wahrsten Sinne des Wortes ins Tor treten wollte. So hatten die Potters in der Saison 2010/2011 pro Spiel durchschnittlich gar nur 38,9% Ballbesitz. Einhergehend damit ist eine niedrige Passerfolgsquote – letzte Saison kamen 70,2% aller Pässe an. Unter Hughes stiegen diese Zahlen merkbar an. Der durchschnittliche Ballbesitzanteil pro Spiel beträgt nun 45,9% und die Passquote erhöhte sich auf 76,3%.
Während Stoke unter Pulis weitestgehend in einer 4-4-2-Formation agierte, setzt Hughes auf eine 4-2-3-1-artige Grundordnung, die je nach Besetzung auch in ein 4-1-4-1, 4-3-3 oder 4-5-1 übergehen kann. Die offensichtlichsten Änderungen findet man dabei auf den Seiten, wo man am Transfermarkt auch sehr aktiv war. Neben Arnautovic schlugen beispielsweise auch Linksverteidiger Erik Pieters und die beiden Flügelspieler Oussama Assaidi und Peter Odemwingie ihre Zelte in den Midlands auf.
Kreativ- und Aktivposten am linken Flügel
Arnautovic agiert wie im ÖFB-Team meist am linken Flügel, kam aber auch schon rechts, als Stürmer und zentral hinter einem solchen zum Zug. Statistisch gesehen ist er der offensiv auffälligste Akteur seines Team, denn kein anderer Stoke-Spieler schießt pro Spiel so oft aufs Tor wie er und keiner bereitet so viele Schüsse vor. In Kombinationen ist er jedoch seltener eingebunden, denn er spielt pro Spiel im Schnitt nur 25 Pässe.
Am interessanten in dieser Hinsicht ist sein Zusammenspiel mit Pieters. Der Niederländer legt sein Spiel sehr balanciert aus, ist defensiv sicher und hinter- sowie vorderläuft Arnautovic im Offensivspiel. Besonders im letzten Spiel gegen Aston Villa konnte man diese Synergie häufig sehen – beispielsweise beim 2:1 als Pieters von Arnautovic per Ferse eingesetzt wurde und den finalen Pass in den Strafraum spielte. Öfter genutzt wird bei Stoke allerdings die individuelle Offensivqualität von Arnautovic.
Die meisten Angriffe von Stoke laufen nämlich über die rechte Seite. Der Österreicher bleibt auf der linken Seite dabei meistens breit und wird mit Wechselpässen eingesetzt und so in eins-gegen-eins-Situationen gebracht. In diesen kann er seine Stärke in Dribblings einbringen und zieht gerne in die Mitte. Herausstechend dabei ist auch seine gute Technik bei der Ballannahme. Die Wechselpässe kommen meist hoch, dennoch gelingt es Arnautovic, sich den Ball mit dem ersten Kontakt so herzurichten, dass er sofort ins Dribbling gehen kann.
Kommt Arnautovic die Premier League entgegen?
Problematischer ist die Bewertung der Defensivleistungen, da die entsprechenden Statistiken weniger aussagend sind und so die subjektive Wahrnehmung stärker gewichtet ist. Ein großer Kritikpunkt an der Spielweise von Arnautovic ist, dass er zu wenig für Mannschaft arbeiten würde. Andererseits ist nicht zu leugnen, dass er immer wieder Aktionen in seinem Spiel hat, in denen er sehr aggressiv wirkt und im Defensivzweikampf überaus überzeugend ist.
Der springende Punkt dabei ist, dass Arnautovic sehr wohl defensiv stark ist, dies jedoch je nach der Position des Balls und seiner eigenen unterschiedlich einbringt. Ist die Gefahr greifbar, zum Beispiel wenn sich das Spiel nahe am eigenen Tor aufhält oder es nahe des gegnerischen Strafraums eine Pressingmöglichkeit gibt, ist die Spannung in Arnautovics Spiel äußerst hoch. In vermeintlich unwichtigeren Zonen wirkt er jedoch weniger engagiert. Ähnlich verhält es sich, wenn sein Team in Ballbesitz ist.
Diese Aspekte sieht man sowohl bei Stoke als auch im Nationalteam und auch bei Werder Bremen war dies so. Dennoch ist die Resonanz auf seine Leistungen derzeit positiver. Dies hängt unter anderem mit dem generellen Spielcharakter in der Premier League zusammen. Zwar zeigt die jüngste Entwicklung, dass die gruppentaktischen Abläufe auch dort an Bedeutung zunehmen, auf dem Niveau der deutschen Bundesliga sind sie jedoch nicht. Die Bedeutung der individuellen Qualitäten der Einzelspieler ist weiterhin groß.
Das Spiel von Arnautovic charakterisiert sich ähnlich. Ballfernen Aktionen wird weniger Wichtigkeit zugesprochen, Einzelaktionen dafür umso mehr. Insofern könnte sich die Beziehung zwischen ihm und dem britischen Fußball in der Zukunft noch weiter intensivieren und er den Worten von Herzog vielleicht doch noch gerecht werden.