Österreichische Bundesliga

„Ich weiß nicht, ob wir in Österreich die Spielertypen dafür haben“ – Nicolas Seiwald im Interview

[spielerprofil spieler=“Nicolas Seiwald“] vom FC Red Bull Salzburg hat in den vergangenen Monaten einen kometenhaften Aufstieg hingelegt. Im vergangenen Jahr debütierte der 20-Jährige, der in Salzburg alle Nachwuchsteams durchlaufen hat, in der Champions League und im A-Nationalteam. Wir haben den „Prototyp-Bullen“ am vergangenen Dienstag zum Interview getroffen und über seine Verletzung, den Konkurrenzkampf in Salzburg sowie den SV Kuchl gesprochen. Wer das Gespräch lieber als Podcast hören will, ist hier richtig.

Interview: Tobias Kurakin & Christoph Bosnjak

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12terMann.at: Lieber Nicolas, vielen Dank, dass du bei uns bist und dir die Zeit für uns nimmst.

Seiwald: Servus, ich freue mich da zu sein.

12terMann.at: Eine wichtige Frage in Zeiten wie diesen: Wie geht’s dir?

Seiwald: Gesundheitlich gut. Aktuell habe ich jedoch Knieprobleme wegen einer Meniskusverletzung. Am 11. Jänner hatte ich deswegen eine OP. Die Reha verläuft aber gut und ich komme Schritt für Schritt zurück.

12terMann.at: Die Operation ist auch gut verlaufen?

Seiwald: Ja, alles ist gut verlaufen. Es geht mir gut und ich bin auch schon relativ weit im Heilungsprozess. Mal schauen, wann ich wieder auf dem Platz stehe.

12terMann.at: Wie läuft so eine Reha eigentlich ab? Wie hält man sich in so einer Phase fit?

Seiwald: Die ersten sechs Tage hatte ich Krücken und ich habe wenig gemacht, nur Therapien und Massagen. Danach kommen die Krücken weg und man fängt mit dem Gehen an, damit man das Gehen sozusagen wieder richtig lernt. Da ist dann auch schon Krafttraining dabei, für den Oberkörper kann man die ein oder andere Übung machen. Dann baut man im Fuß Stück für die Stück die Muskeln wieder auf, vor allem beim verletzten Fuß, der bei mir der linke ist. Ich war auch schon auf dem Anti-Schwerkraft-Laufband „AlterG“, dass dir beim Laufen eine gewisse Prozentzahl deines Körpergewichts nimmt. Mittlerweile war ich auch schon am Platz und hab dort kurze Laufeinheiten gemacht.

12terMann.at: Wie bist du eigentlich zum Fußball gekommen? Wie wurde deine Begeisterung für den Sport geweckt?

Seiwald: Durch meine Familie. Mein Vater und meine beiden älteren Brüder haben schon Fußball gespielt. Sehr früh, mit vier Jahren, habe ich im Garten mit dem Fußballspielen angefangen. Meistens Zwei gegen Zwei mit dem Nachbarn (grinst). Bis ich acht Jahre alt war, war ich beim SV Kuchl, wo ich aber tatsächlich nie angemeldet war. Offiziell habe ich also bei Red Bull Salzburg in der U9 angefangen. Das hat mir irrsinnig Spaß gemacht, weil wir auf viele Turniere gefahren sind, auch auf Hallenturniere, wovon wir einige gewonnen haben. Ich habe dann den Weg über die Akademie bis zum FC Liefering gemacht und von dort den Sprung zu den Profis geschafft. Jetzt geht’s noch weiter.

12terMann.at: Einer deiner Idole ist Kevin de Bruyne. Was fasziniert dich an ihm und wo siehst du Parallelen zu dir – außer vielleicht bei der Haarfarbe?

Seiwald: Die Art, wie er spielt, dieses einfache Spiel, seine Schüsse, seine Übersicht und auch das Spiel gegen den Ball gefallen mir wirklich gut. Er ist ein Weltklasse-Spieler. Von ihm abschauen will ich mir die Ruhe am Ball und das simple Spiel, das nicht so einfach klingt, wie es scheint. Es ist sehr schwer, einfach Fußball zu spielen, aber das zeichnet ihn aus.

12terMann.at: Einige dieser Tugenden, die du angesprochen hast, hast du von klein auf bei Red Bull Salzburg gelernt. Gab es eigentlich eine Schlüsselperson, die dich nach Salzburg geholt hat?

Seiwald: Ich weiß gar nicht, wer das genau war, aber mein Vater wurde angesprochen. Ich bin der Person auf jeden Fall dankbar. Ich wurde dann zum Probetraining eingeladen und war auch beim Talente-Tag dort, was mir Spaß gemacht hat. Und anscheinend habe ich überzeugt (grinst).

12terMann.at: Kannst du dich noch an das erste Probetraining erinnern?

Seiwald: Ja. Eigentlich wollte ich nie weg von zuhause und ich habe mir schwergetan mit acht Jahren zu einem anderen Verein zu gehen, weil meine Freunde alle in Kuchl waren. Deswegen war ich anfangs ein bisschen traurig, aber im Endeffekt bin ich froh, dass das Ganze funktioniert hat. Spätestens nach einem halben habe ich mich in der Mannschaft sehr wohl gefühlt.

12terMann.at: Salzburg ist im Bereich der Nachwuchsarbeit sehr professionell. Die Spielsysteme sind mit dem hohen Pressing quer durch alle Nachwuchsteams ähnlich. In der „La Masia“ vom FC Barcelona lernt man von klein auf „Passen, Passen, Passen“. Ist das in Salzburg „Pressing, Pressing, Pressing“? Welche Rolle spielt Taktik in diesem Bereich?

Seiwald: Am Anfang der Ausbildung ist die Technik wichtig. Von der U9 bis zur U14 haben wir extrem viel Technik-Training gehabt. Dann kommt auch die Taktik ins Spiel. Ab der Akademie ist das Pressing, das Spiel nach vorne, das Spiel gegen den Ball, das was uns ausmacht, im Training enthalten.

12terMann.at: Salzburg bringt laufend Talente hervor. In deiner ersten Saison beim FC Liefering hast du mit Dominik Szoboszlai, Karim Adeyemi oder Luka Sucic – mit klingenden Namen – zusammengespielt. Gibt es ein Erfolgsrezept für die erfolgreiche Nachwuchsarbeit?

Seiwald: Wir haben die besten Bedingungen, um das umzusetzen, was wir wollen und um unser Potenzial komplett auszuschöpfen. Ich denke, das ist das Erfolgsrezept: es wird jeden Tag extrem professionell gearbeitet. Deswegen ist das kein Zufall.

12terMann.at: Auf der anderen Seite kann man beobachten, dass es nur wenige Spieler zu den Profis schaffen. Spielt da der Konkurrenzkampf eine Rolle? Spricht man das in der Mannschaft an?

Seiwald: Der Konkurrenzkampf spielt schon eine Rolle, er gehört aber dazu und man kann ihn bei jeder Mannschaft beobachten. Bei uns ist er vielleicht etwas größer als bei anderen Mannschaften. Das wichtigste ist, sich durchzusetzen. Zudem denke ich, dass ein Konkurrenzkampf die Spieler besser macht. Das hat auch mich besser gemacht. Wenn man nicht gefordert wird, ist die Gefahr groß, dass man sich ausruht und stagniert. So ist man stets gefordert und muss immer einen Schritt nach vorne machen, um auf Spielzeit zu kommen. Das taugt mir.

12terMann.at: Du hast es schon angesprochen, es braucht eine eiserne Disziplin, um zu bestehen. War es für dich manchmal schwierig am Wochenende daheimzubleiben, während die Freunde fortgegangen sind? Vor allem, weil es keine Garantie gibt, dass der Traum der Profikarriere in Erfüllung geht.

Seiwald: Da meine Freunde auch Fußball gespielt haben, hat man das Fortgehen mit 16, 17 Jahren noch gar nicht wirklich gekannt. Das kam erst ein bisschen später. Damals stand am Wochenende Fußball im Vordergrund, was mit Sicherheit ein Vorteil war. Wenn man in eine andere Freundesgruppe rutscht, ist es sicher schwieriger.

12terMann.at: Gab es einen bestimmten Zeitpunkt, an dem du gemerkt hast, dass sich die Mühen auszahlen und dass es mit der Profi-Karriere wirklich etwas werden könnte?

Seiwald: Das war so weit, als ich Stammspieler bei Liefering war und schon „oben“ bei Red Bull Salzburg mittrainieren durfte. Da dachte ich mir: Wenn ich den Sprung schaffe, hat sich die investierte Zeit auf jeden Fall ausgezahlt. Aktuell bin ich überglücklich, dass ich das damals so durchgezogen habe.

12terMann.at: Was man auch beobachten kann, ist, dass das Fußballgeschäft sehr schnelllebig ist. Große Talente werden teilweise mit Verletzungen aus der Bahn geworfen. Einer deiner Brüder hat sich beispielsweise beide Kreuzbänder gerissen. Haben Verletzungen früh in der Karriere bei dir eine Rolle gespielt?

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Seiwald: Mit der Meniskusverletzung habe ich jetzt die erste größere Verletzung. Davor hatte ich so gut wie nie etwas. Vielleicht mal einen Bänderriss im Knöchel, der jedoch nach drei bis vier Wochen wieder verheilte. Ich hoffe, dass ich die Knieverletzung gut überstehe. So wie es ausschaut, bin ich auf einem guten Weg und ich versuche jeden Tag daran zu arbeiten, wieder auf den Platz zurückzukehren.

12terMann.at: Wir haben uns bereits über die Nachwuchsarbeit bei Red Bull Salzburg unterhalten. Uns ist jedoch auch die Nachwuchsarbeit in Kuchl aufgefallen. Gerhard Struber, Josef Weberbauer, Luca und Matteo Meisl sowie Matthias Seidl haben in Kuchl gespielt und sind heute im Profi-Bereich tätig. Gibt es in Kuchl einen Zaubertrank, so ähnlich wie bei Asterix und Obelix, der einen zum Profifußballer macht?

Seiwald: Das kann sein (lacht). In der Jugend wird jedenfalls gut gearbeitet und Kuchl hat schon sehr bald mit Salzburg zusammengearbeitet . Die guten Spieler sind oft nach Salzburg gewechselt. Matthias Seidl, Luca Meisl, Josef Weberbauer haben ja alle in der Vergangenheit bei Red Bull Salzburg gespielt, dort eine super Ausbildung bekommen und dadurch den Sprung in die Bundesliga bzw. 2. Liga geschafft.

12terMann.at: Seid ihr auch untereinander vernetzt?

Ja! Mit Matthias Seidl habe ich einen wirklich guten Kontakt. Er hatte erst vor kurzem Geburtstag (lacht). Die anderen kennt man natürlich auch. Wenn wir uns treffen, verstehen wir uns gut.

12terMann.at: Du hast im letzten Jahr einen kometenhaften Aufstieg hingelegt, inklusive A-Nationalteam-Debüt. Du wohnst aber noch zuhause. Hilft ein kleiner Ort wie Kuchl, dieses Familiäre, dabei, bodenständig zu bleiben?

Seiwald: Ja, ich denke schon. Kuchl erinnert mich auch immer an meine Kindheit. Ich habe noch meine ganzen Freunde in Kuchl, was sich nicht geändert hat. Ich persönlich habe mich auch nicht verändert. Die Familie und Freunde helfen mir, so zu sein, wie ich bin. Das ist eine gute Sache.

12terMann.at: Du bist noch ein sehr junger Spieler und bist jetzt das erste Mal schwerer verletzt. Welche Rolle spielt der Heilungsprozess im Profifußball? Wird einem Profifußballer dabei genug Zeit gegeben oder ist der Kalender mittlerweile so durchgetaktet, dass da manchmal Schwierigkeiten auftreten?

Seiwald: Es ist zwar stressig, aber bei meiner Verletzung mache ich mir weder selbst, noch macht der Verein Druck. Die Zeit, die ich brauche, nehme ich mir. Der Spieler kann also entscheiden, ob er bereit ist oder nicht. Unter der Saison gibt es natürlich intensive Phasen, obwohl wir dazwischen auch immer freie Tage bekommen. Von dem her kann man sich nicht beschweren.

12terMann.at: Im Februar steht das Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Bayern München an. Geht sich das, im Hinblick auf deine Verletzung, mit einem Einsatz bis dahin aus?

Seiwald: Das ist schwer zu sagen. Es kommt darauf an, wie meine nächsten Schritte ausschauen, ob das Knie hält, ob ich Schmerzen habe oder nicht. Bis jetzt habe ich keine Schmerzen und es schaut gut aus. Schauen wir mal, ich gehe Schritt für Schritt.

12terMann.at: Traust du den Salzburgern den Aufstieg gegen die Bayern zu?

Seiwald: Ja, auf jeden Fall!

12terMann.at: Kommen wir noch kurz zum Nationalteam: Könnte es sich mit eine Rückkehr bis zum WM-Play-off Ende März ausgehen?

Seiwald: Ich wäre schon enttäuscht, wenn sich das nicht ausgeht.

12terMann.at: Geht sich dann auch die WM aus?

Seiwald: Das wird man sehen (grinst). Wir setzen natürlich alles daran, dass wir die zwei Spiele gewinnen. Aktuell ist ja noch ein bisschen Zeit bis dahin.

12terMann.at: Du kennst das „Red-Bull-System“ sehr gut. Von der Öffentlichkeit wird immer wieder gefordert, dass das österreichische Nationalteam diesen Spielstil kopieren soll. Was hältst du von diesen Forderungen?

Ich weiß nicht, ob wir in Österreich die Spielertypen dafür haben. Mir gefällt das System sehr gut, aber ich will keine Vorschläge machen, wie wir im Nationalteam spielen sollen. Ich richte mich nach der Taktik des Trainers und die versuche ich mit 100% umzusetzen.

12terMann.at: Vielen Dank für deine Zeit!

Seiwald: Dankeschön, es hat mich gefreut!