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Die Rolle der Defensive in Rangnicks System

Seit seinem Amtsantritt hat Ralf Rangnick dem österreichischen Nationalteam ein neues Selbstverständnis verliehen. Mehr Mut, mehr Aktivität, mehr Kontrolle über das Spiel – das sind die zentralen Säulen seiner Philosophie. Doch inmitten der offensiven Frische und dem druckvollen Auftreten stellt sich eine Frage immer dringlicher: Wie stabil ist die Defensive im Rangnick-System wirklich, besonders im Hinblick auf kommende Herausforderungen wie die Qualifikation zur WM 2026?

Die Rangnick-Idee im Reality-Check

Rangnicks Idee vom Fußball basiert auf Intensität, frühem Pressing und dem Mut, die Initiative dauerhaft zu übernehmen. Diese Ausrichtung führt zu einer hohen Ballbesitzquote, birgt aber gleichzeitig das Risiko offener Räume in der Defensive. Besonders deutlich wurde diese Schwachstelle zuletzt bei der Niederlage gegen Serbien (0:2) in den Nations-League-Playoffs, als Österreich trotz mutmaßlich starkem Spiel zu langsam umschaltete und seine Chancen nicht nutzen konnte.

Die defensive Anfälligkeit ist dabei kein Zufall, sondern Teil des kalkulierten Risikos in Rangnicks System. Die hoch stehende Abwehrlinie, eine kompakte, zentrale Staffelung und das permanente Antizipieren von zweiten Bällen fordern nicht nur die Innenverteidiger enorm, sondern das gesamte Team in der Rückwärtsbewegung. Gegentore können daraus natürlich resultieren. Dies kann aber nur dann in Kauf genommen werden, wenn die Chancenverwertung in der Offensive wie ein Uhrwerk funktioniert. Davon sind wir jedoch weit entfernt.

Mut zur Lücke und zur Durchschaubarkeit?

Gerade im modernen Fußball, der zunehmend von Datenauswertung und Echtzeitanalyse geprägt ist, werden solche Systeme schnell durchleuchtet. Die Öffentlichkeit ist heute nicht mehr nur passiver Konsument, sondern diskutiert und bewertet auf Basis von Live-Daten, Positionsanalysen und Zugriffen auf umfassende Leistungskennzahlen. Auch Sportportale, TV-Sender und sogar Anbieter von Sportwetten in Österreich tragen durch die Art der Darstellung von Favoritenrollen, Torwahrscheinlichkeiten oder Spielverläufen zur Meinungsbildung bei. In diesem Umfeld wird jede Unsicherheit im System verstärkt sichtbar – nicht nur für Gegner, sondern auch für mediale Beobachter und Fans.

Die Defensive und das Personalpuzzle

Ein zentrales Problemfeld bleibt die personelle Stabilität in der Abwehr. Zwar steht Rangnick aktuell mit Maximilian Wöber, Kevin Danso, Philipp Lienhart und Stefan Posch eine solide Auswahl an Innenverteidigern zur Verfügung, doch keiner der Genannten konnte sich bislang als unumstrittener Führungsspieler etablieren. David Alaba, dessen Verletzungsprobleme bereits länger zurückliegen, steht wieder regelmäßig zur Verfügung, jedoch häufig in einer flexibleren Rolle zwischen Defensive und Mittelfeld. Seine Führungsqualität ist unbestritten, doch eine klare Positionierung als Abwehrchef bleibt offen.

Auch auf den Außenpositionen besteht Unsicherheit. Andreas Ulmer, langjährige Konstante auf links, befindet sich in einer Übergangsphase, und auf der rechten Außenbahn fehlt weiterhin eine langfristig überzeugende Lösung. Spieler wie Christopher Trimmel oder Phillipp Mwene haben ihre Qualitäten, doch die fehlende Konstanz erschwert langfristige taktische Planungen.

Mittelfeld als Schlüssel der Defensive

Das Zusammenspiel der Abwehr mit dem zentralen Mittelfeld wird oft unterschätzt. Spieler wie der kürzlich verletzte Xaver Schlager und Nicolas Seiwald übernehmen in Rangnicks System eine Doppelrolle als Spielgestalter und defensive Absicherung. Doch die anspruchsvolle Aufgabe, konstant zwischen Angriffseinleitung und Defensivabsicherung hin und her zu pendeln, stellt die Spieler vor große Herausforderungen. Funktioniert das zentrale Mittelfeld nicht optimal, öffnen sich Räume für den Gegner – und die Defensive gerät schnell in Bedrängnis.

In den letzten Begegnungen experimentierte Rangnick vermehrt mit einer variableren Abstimmung zwischen Mittelfeld und Verteidigung. Ob sich die tiefere Staffelung trotz der Rückschläge gegen Rumänien im Juni auszahlen wird, steht derzeit natürlich noch in den Sternen.

Balance finden: Die große Aufgabe für Rangnick

Der Erfolg in zukünftigen Qualifikationen und Turnieren wird stark davon abhängen, wie gut Rangnick es schafft, sein ambitioniertes System weiterzuentwickeln und auszubalancieren. Denn so attraktiv offensiver Fußball sein mag, entscheidend wird letztendlich die defensive Stabilität sein. Das gilt natürlich besonders auf höchstem Niveau, wo kleine Fehler große Folgen haben.

Die kommenden Monate bieten Rangnick und seinem Team die Möglichkeit, aus den bisherigen Erfahrungen zu lernen und die taktischen Stellschrauben so zu justieren, dass Österreich nicht nur mutig, sondern vor allem stabil agiert. Denn am Ende siegt nicht zwingend das offensivste Team, sondern jenes, das seine taktische Balance am besten findet.