Interview mit Alessandro Schöpf
„Mein persönlicher Traum ist es, eines Tages in der Champions League aufzulaufen“
Wir erwischen Alessandro Schöpf unter der Woche vor dem Ligaspiel gegen den FC St. Pauli. Bevor er zur Nachmittagseinheit muss, erzählt er uns in glattem Hochdeutsch (weil er uns sein tiefes „Ötztalerisch“ nicht zutraut) über seine Zeit in Nürnberg. Ab und an rutscht in ihm aber doch der Tiroler raus, dass kann auch das Medientraining á la Bayern München nicht verhindern – und das ist auch gut so. Im Gespräch erzählt uns Schöpf über seinen Wechsel zu 1. FC Nürnberg, dem Traum vom A-Nationalteam, über seine persönlichen Ziele in Deutschland und über das neu formierte U21-Nationalteam.
Im Sommer hast du dich für eine neue Herausforderung in der 2. Deutschen Bundesliga entschieden. Was hat für den Traditionsverein aus Nürnberg gesprochen und was gegen den vielleicht härteren Weg über die Bayern-Profis oder Mönchengladbach?
Für mich war klar, dass ich im Sommer den nächsten Schritt gehen möchte. Wo der Weg hingeht war lange Zeit nicht sicher, da beim FC Bayern die Konkurrenz im Kader sehr groß ist. Ich habe mich für Nürnberg entschieden, weil es für einen jungen Spieler sehr schwer ist, sich bei der aktuellen Kaderbesetzung von Bayern durchzusetzen. Da war es für mich klar, dass ich für meine persönliche Weiterentwicklung einen Schritt nach vorne machen musste. Im Nachhinein betrachtet war Nürnberg genau die richtige Entscheidung.
Borussia Mönchengladbach hat ebenfalls Interesse gezeigt, die Gespräche haben sich aber sehr lang hinausgezogen. Ich wollte Gewissheit über meine Zukunft. Im Endeffekt wollte Gladbach mich verpflichten, es gab aber keine Einigung zwischen den Bayern und der Borussia. Genau weiß ich auch nicht, warum es nicht geklappt hat, ich wollte dann aber auch nicht mehr länger warten. Nürnberg setzte sich sehr für mich ein, sie wollten mich unbedingt haben, da war es für mich klar, dass ich zum Club wechseln werde.
Über die AKA (damals BNZ) Tirol fandest du 2009 den Weg zum großen FC Bayern München und durchliefst dort alle Nachwuchsmannschaften von der U16 bis hinauf zu den Profis. Welcher Trainercharakter bleibt dir dabei am besten in Erinnerung? Von welchem Übungsleiter hast du deiner Meinung nach am meisten für deine fußballerische Weiterentwicklung mitgenommen?
Ich glaube ich hatte in meiner Karriere sehr viele gute Trainer, natürlich sticht die Bayern-Akademie da hervor, die Nachwuchsarbeit dort ist überragend. Besonders möchte ich Peter Wenninger hervorheben, er hat mich damals von der AKA zu den Bayern geholt und war seit jeher eine Identifikationsfigur. Er war immer für mich da und hat sich für mich eingesetzt, wir sind nach wie vor in Kontakt. Bei der U16 habe ich sehr viel von ihm gelernt, er ist eine wichtige Ansprechstation für mich.
„In meinem Alter wünscht man sich immer,
so viel Spielzeit wie möglich zu bekommen“
Du bist eines der vielen neuen Gesichter im Kader der Nürnberger. In wie weit hast du, in deinem noch jungen Alter, damit gerechnet dass du von Anfang an eine tragende Rolle in der Mannschaft der Franken einnehmen kannst?
Ich habe mir am Anfang nicht viel erwartet, mein Ziel war natürlich der Mannschaft zu helfen und so zu Einsatzminuten zu kommen. In meinem Alter wünscht man sich immer, so viel Spielzeit wie möglich zu bekommen und so viele Fähigkeiten wie möglich von den arrivierten Spielern zu erwerben. Außerdem ist das Tempo in dieser Liga viel höher, davon kann ich lernen. Dass ich in letzter Zeit der Mannschaft helfen konnte freut mich natürlich sehr. Mit der Mannschaft gemeinsam funktioniert es natürlich viel leichter, bis zum letzten Spiel gegen Darmstadt waren wir wirklich gut drauf. Nun gilt es wieder dort anzuknüpfen, wo wir gegen Leipzig (Anm. d. Red.: 1:0-Sieg, Schöpf erzielte das entscheidende Tor) aufgehört haben.
Lange sah es für den Absteiger 1. FC Nürnberg in der laufenden Spielzeit nicht rosig aus. Neo-Trainer Valerien Ismael stand heftig in der Kritik und die Mannschaft befand sich in einer kleinen Krise. Mit deiner Leistungsexplosion gegen Kaiserslautern kam auch der Umschwung beim Club. Wie erklärst du dir die Anlaufschwierigkeiten des 1. FC Nürnberg?
Am Anfang ist es immer schwer, der Abstieg aus der Bundesliga, viele Spieler gehen weg und wollen in der Bundesliga bleiben und die neuen jungen Spieler müssen sich erst finden. Das System soll umgestellt werden, die Chemie unter den Spielern muss sich erst entwickeln. Wie bei einem Getriebe, die einzelnen Zahnräder müssen erst ineinander greifen. Zudem gab es einen neuen Trainer, das ist für die Spieler von letzter Saison dann auch eine Umstellung.
Gegen Kaiserslautern kam dann der Umschwung, dir sind in diesem Spiel zwei Tore gelungen und ein weiteres hast du aufgelegt. Ein guter Zeitpunkt für die ersten Tore in der zweiten Liga, oder?
Ja, das war natürlich sehr gut. Vor heimischem Publikum gleich zwei Tore zu machen ist wirklich ein tolles Gefühl. Das wichtigste waren aber die drei Punkte, am Schluss wurde es ja noch spannend (Anm. d. Red.: nach 3:0-Führung stand es ab der 73. Minute nur noch 3:2). Das war eine unglaubliche Mannschaftsleistung, wir sind als gesamtes Team damals 125 Kilometer gelaufen, das ist ein extremer Wert. Alles in allem war es für mich persönlich sehr gut.
„Das schaut man sich gerne an,
wenn ein Landsmann in der gleichen Liga spielt“
Der momentane Trend unter ÖFB-Talenten geht vermehrt in Richtung Deutschland. Etliche Youngsters aus Österreich schlagen ihre Zelte in der anscheinend „Besten Zweiten Liga der Welt“ auf. Verfolgst du laufend die Entwicklung der ÖFB-Kicker bzw. mit welchen von denen pflegst du regelmäßigen Kontakt?
Natürlich verfolge ich die Spiele der anderen Österreicher. Persönlichen Kontakt pflege ich vor allem mit Robert Zulj, ich kenne ihn vom U21-Team. Aber auch Lukas Hinterseer kenne ich noch von Innsbruck, da verfolgt man die Spiele der anderen natürlich. Das schaut man sich gerne an wenn ein Landsmann in der gleichen Liga spielt.
Im U21-Team stehen zurzeit neben dir noch sieben weitere Spieler im Kader von Werner Gregoritsch, die in Deutschland aktiv sind. Die ersten beiden Testspiele konnten gewonnen werden. Mitte November steht ein 4-Nationen-Turnier in Zypern auf dem Plan. Was erwartet ihr euch gegen Tschechien und in weiterer Folge gegen Zypern/Schweden?
Das Turnier wird ein sehr guter Test für uns, man kann schon herausfiltern, wo wir stehen und wie gut sich das Team gefunden hat. Es ist wichtig, dass wir jetzt so viele Spiele wie möglich absolvieren, um uns so schnell wie möglich zu finden um dann bei der Quali voll angreifen zu können.
Mit Kevin Friesenbichler und Ylli Sallahi stehen zwei ehemalige Teamkollegen von dir im U21-Kader. Vor allem Kevin Friesenbichler traf bei den Bayern regelmäßig, verfolgst du seinen Werdegang über Benfica und aktuell Gdansk?
Ich bin mit Kevin gut befreundet, zurzeit haben wir aber wenig Kontakt zueinander. Er hat mit seinem Team genug zu tun, ich hier in Nürnberg. Dadurch bleibt der Kontakt ein wenig auf der Strecke, wenn wir uns aber im Nationalteam wieder sehen ist alles wie immer. Uns verbindet eine super Freundschaft und ich freue mich auf jedes Treffen mit ihm.
„Bei den Spielern der Bayern-Schule
sieht man schon einen gewissen Spielstil“
Spielst du mit deinen ehemaligen Bayern-Kollegen besonders gut zusammen, habt ihr eine eigene Chemie?
Ja, kann man schon so sagen. Bei den Spielern der Bayern-Schule sieht man schon einen gewissen Spielstil den wir dort gelernt haben. Für uns ist es natürlich etwas Schönes, wenn wir uns beim Nationalteam wieder treffen.
Mit Roman Kerschbaum steht noch ein U21-Spieler im Kader von Nürnberg II, trefft ihr euch auch öfters in der Freizeit? Wann traust du Kerschbaum den Schritt zu den Profis zu?
Mit Roman habe ich in der Freizeit wenig Kontakt. Wir sehen uns aber öfters am Trainingsgelände, da reden wir immer und tauschen uns aus. Ich würde es ihm wünschen, dass er so schnell wie möglich in den Profikader aufsteigen kann, das würde mich natürlich freuen – neben Samuel Radlinger – noch einen Österreicher in der Mannschaft zu haben.
„…dass ich mal ins Nationalteam einberufen werde,
das ist ein Kindheitstraum von mir.“
Als aktueller U21-Nationalspieler steht man natürlich auch im Blickfeld des österreichischen Teamchefs Marcel Koller und sicherlich verfolgst du auch die momentane Entwicklung der Nationalmannschaft. Besteht mittlerweile schon der Kontakt zum A-Nationaltrainer, er hat dich ja öfters beobachtet?
Persönlichen Kontakt hat es noch keinen gegeben. Ich habe aber mitbekommen, dass er hier in Nürnberg war. Aktuell liegt mein Fokus aber auf Nürnberg und auf meiner Leistung, das ist schwierig genug. Ich sage immer, der Rest kommt von alleine. Ich hoffe natürlich, dass ich mal ins Nationalteam einberufen werde, das ist ein Kindheitstraum von mir. Das wäre etwas ganz Besonderes für mich.
Vor allem wärst du nicht der erste Spieler aus der zweiten Bundesliga der ins Nationalteam einberufen wird. Stichwort Okotie oder Liendl.
Ja, das ist schon ein gutes Gefühl. Das Niveau der zweiten Bundesliga ist sehr hoch, es ist sicher die beste zweite Liga in Europa. Es ist schon schön, wenn der Teamchef das nicht ignoriert, ich hoffe das in Zukunft mal ein Anruf kommt (lacht).
„Ich traue dem Nationalteam alles zu“
Angesichts der momentanen Tabellensituation in der EM-Qualifikation dürfen sich die heimischen Kicker berechtigte Hoffnungen auf die Endrunde 2016 in Frankreich machen. Wie siehst du generell die Entwicklung des ÖFB-Teams? Was traust du den Jungs in der laufenden Qualifikation zu?
Ich traue dem Nationalteam alles zu, ich hoffe dass sie die Qualifikation schaffen. Mit dem Potential das es zurzeit im Team gibt, ist die Qualifikation möglich. Es wäre natürlich etwas Schönes, wenn wir als Österreicher dabei wären. Das wäre für ganz Österreich und den österreichischen Fußball wichtig. Ich glaube der österreichische Fußball hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt, es kommen derzeit viele gute junge Spieler nach.
Du zum Beispiel!
Das weiß ich jetzt nicht (lacht).
Es ist immer wichtig, dass viele junge Spieler nachrücken, zurzeit sind auch viele Junge bei guten Vereinen und spielen dort. Die Kaderbreite für das Nationalteam wird immer größer, das ist für Herrn Koller natürlich wichtig.
Momentan schnürst du deine Fußballschuhe für den Traditionsklub aus Nürnberg und das sogar ziemlich erfolgreich. Dein Karriereweg endet bestimmt nicht in der 2. Deutschen Bundesliga. Siehst du dich eines Tages wieder im Dress des FC Bayern München, oder wie sieht deine weitere Karriereplanung aus?
Mit meiner Zukunft beschäftige ich mich relativ wenig. Ich schaue, dass ich der Mannschaft hier helfen kann, was in der Zukunft passiert kann man nicht voraussagen. Ich bin froh, dass ich hier spielen darf und hoffe, dass ich mich weiterentwickeln kann.
Das sind natürlich die „klassischen“ Antworten, die Frage anders gestellt: Was sind deine großen fußballerischen Träume?
Mein persönlicher Traum ist es, eines Tages in der Champions League aufzulaufen und in der Bundesliga zu spielen.
Um auf die aktuelle Situation beim 1. FC Nürnberg kurz nochmals zurückzukommen: was traust du deiner Mannschaft in den verbleibenden Spielen der Herbstunde zu? Und wo siehst du den „Club“ am Ende des 34. Spieltages?
Ich traue uns noch sehr viel zu, man hat gesehen, dass wir auch die Topteams der Liga schlagen können. Man hat hier das Potential gesehen, das in der Mannschaft steckt. Das Ziel ist vor der Winterpause im gesicherten Mittelfeld der Tabelle zu stehen und uns eine gute Ausgangssituation für die Rückrunde zu schaffen. Beim Club ist das Ziel natürlich immer der Aufstieg, wir als Mannschaft schauen aber von Spiel zu Spiel, der Rest kommt von selbst.
Vielen Dank, dass du Zeit gefunden hast und viel Erfolg weiterhin beim Club! Und wer weiß, vielleicht sehen wir dich in naher Zukunft im Trikot der österreichischen Nationalmannschaft.
Vielen Dank, das wäre natürlich toll.
(Martin Hanebeck, Daniel Rózsa)