Nationalteam

Der Preis der Sympathie

„Deutschlands Fußball auf der Suche nach der eigenen Identität“

Ein Kommentar von Stefan Gargi.


Groß war die mediale Aufmerksamkeit, als Oliver Kahn nach der Niederlage der deutschen Nationalmannschaft gegen Argentinien seine Sicht der Dinge zum aktuellen Zustand der DFB-Auswahl der Öffentlichkeit präsentierte. Diese Niederlage hielt den deutschen Kickern knallhart die Realität vor Augen. Sie hatten – wie so oft – schön gespielt und verloren.

Seit 2006 steigerte sich die deutsche Nationalmannschaft kontinuierlich im spielerischen Bereich und zwang so manchen überzeugten Deutschland-Gegner dazu, der „neuen“ Spielweise zumindest Respekt zu zollen. Das Tabu, als Österreicher bei Großveranstaltungen zu Deutschland zu helfen – schrumpfte und schrumpfte, was in erster Linie dem deutschen Hurra-Fußball geschuldet war und ist. Man bedenke wie viele kleine Buben in Österreich heutzutage beispielsweise mit Trikots von Özil, Müller, etc. herumlaufen. Eine Tatsache, die noch vor 10 Jahren völlig undenkbar gewesen wäre.

Vor 10 Jahren wurde Deutschland übrigens Vizeweltmeister, nachdem man sich auf typische (unattraktive) Art und Weise ins Finale gekämpft (oder wie es so oft von der Presse genannt wurde, „gerumpelt“) hatte und im Finale nach einem Patzer von Oliver Kahn – des besten Spielers des Turniers – Brasilien unterlag. Die wohl größte Ironie seit dem verschossenen Elfmeter von Roberto Baggio im WM-Finale 1994.

Dieser Oliver Kahn, der sich nun mit seiner Kritik an der eigenen Nationalmannschaft Gehör verschaffte, war mit Sicherheit einer der letzten richtigen Leitwölfe im deutschen Fußball. Spieler wie Effenberg, Matthäus und eben Kahn wurden zwar vom Großteil der Fußballfans aufgrund ihres eigenwilligen Charakters abgelehnt, sie zeichneten sich jedoch vor allem durch die Tatsache aus, dass sie Siegertypen waren.

Nach der Jahrhundertniederlage gegen Manchester United im CL-Finale 1999 holte Bayern München 2001 mit einer Mannschaft die von den gleichen Spielern getragen wurde wie zwei Jahre zuvor – nämlich Kahn und Effenberg – den wichtigsten Pokal im Vereinsfußball. Aus solch einer brachialen Niederlage Motivation zu schöpfen zeugt von einem unglaublichen Siegeswillen. Eben der Siegeswille von Winner-Typen, von Alpha-Tieren. Da diese Typen heute beim FC Bayern fehlen, glaube ich nicht daran, dass die Bayern in den nächsten Jahren den CL-Titel holen können. Ein Schweinsteiger wirkt auf mich wie ein gebrochener Mann, was wohl auch die Bayern Verantwortlichen so sehen dürften, sonst hätte man wohl kaum um 40 Mio. einen Spanier für Schweinis Position erstanden.

Die mangelnde Routine in deutschen Teams, die seit Jahren einem fast blinden Jugendwahn und der konstanten Jagd nach der „Schönheitstrophäe“ verfallen scheinen, zeigt sich auch im letztjährigen Auftritt von Borussia Dortmund in der Gruppenphase der Championsleague bzw. der kürzlichen Niederlage von Borussia Mönchengladbach in der CL-Qualifikation. Fast immer wurde gut und attraktiv gespielt, letztlich konnte man jedoch nur seine Lehren aus dem jeweiligen Scheitern ziehen. Manchmal ist man dazu verleitet sich zu fragen ob man in Deutschland vergessen hat, dass es mindestens genauso wichtig ist zu Null zu spielen, wie die Fans mit attraktivem Angriffsfußball zu unterhalten.

Der deutsche Fußball ist populärer als je zuvor, erfolgreich waren bei den letzten drei Großtveranstaltungen jedoch die Spanier – mit der besseren „deutschen“ Spielweise. Während Deutschland in Schönheit starb und beispielsweise gegen Griechenland 2 Tore kassierte, holten die Spanier mit einer kompromisslosen Spielweise den dritten großen Titel in Serie. Die deutschen „Entertainer“ schauten einmal mehr durch die Finger.

Der „Titan“ hat einige Tatsachen angesprochen, die einfach nicht vom Tisch zu wischen sind. Seit 1996 hat Deutschland keinen Titel mehr erringen können. Eine Tatsache die seit 2006 im Schlaaand-Partywahn untergegangen zu sein scheint. 1996 bestand die Mannschaft aus den „Bravo Sport Stars“ meiner Kindheit. Spieler wie Klinsmann, Ziege, Helmer und vor allem Dieter Eilts, der für den EM-Titel aufgrund seiner kämpferischen Leistung seine sportliche Gesundheit gab und sich so wie Thomas Helmer im Finale nur durch unzählige Spritzen auf den Beinen halten konnte. Solche Typen gibt es in der heutigen DFB-Auswahl meiner Meinung nach nicht mehr.

Nach der Niederlage im Halbfinale der EM gegen Italien und dem verloren gegangenen Spiel gegen Argentinien ist bei unseren Nachbarn Feuer am Dach. Daran ändert auch eine relativ trocken erfüllte Plichtaufgabe gegen die Färöer nichts, vor deren fußballerischen Fähigkeiten haben bekanntlich nur wir Österreicher Angst… ;-)

Oliver Kahn hat einen wunden Punkt getroffen, den man sich in Deutschland viel zu lange schön geredet hat. Mangelnde Chancenverwertung und fehlender Kampfgeist lassen sich auf Dauer nicht unter den Teppich kehren und auch durch Fallrückzieher und Übersteiger nicht ausgleichen. Die über 15 Jahre andauernde Titellosigkeit der A-Nationalmannschaft des DFB lässt sich ganz einfach nicht schönreden. Der Druck auf die deutschen Stars wird aus diesem Grund immer größer. Man erwartet in Deutschland, trotz allem Starkredens der ÖFB-Elf, einen klaren Sieg gegen unsere Nationalmannschaft. Nur dann kann wieder Ruhe einkehren und Jogi Löw in gewohnter Art und Weise seiner Arbeit als Bundestrainer nachgehen.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser Druck beim einen oder anderen Spieler im Trikot mit den – nach wie vor – 3 Sternen ein wenig Verkrampfung auslöst und unsere Burschen in einem packevollen Happelstadion für eine Sensation sorgen können.


Qulle des Fotos von Oliver Kahn: © The Guardian (guardian.co.uk)

  

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Viel Erfolg unserem Nationalteam für die WM-Qualifikation! 

(Autor: stefan)

Alexander Doubek

Alexander DOUBEK (Gründer/Chefredakteur) Bei 12terMann seit: 09/2011 M: alexander.doubek@12termann.at T: @AlexanderDoubek  

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