Analyse: Österreich startet mit Sieg und Weltrekord ins EM-Jahr
Die österreichische Nationalmannschaft startete mit einem Sieg ins Kalenderjahr 2024. Wir analysieren den 2:0-Erfolg gegen die Slowakei für euch.
Blitzstart in Bratislava
Die österreichische Nationalmannschaft startete im Vergleich zum letzten Spiel gegen Deutschland mit fünf Veränderungen in der Mannschaft, wobei Teamchef Rangnick bereits im Vorfeld ankündigte, dass dies keine Experimente seien. Bis auf Debütant Querfeld, der eine starke Saison bei Rapid spielt und sich aufgrund einiger Verletzungen erstmals präsentieren durfte, rutschten auch nur ausschließlich gestandene Kaderspieler in die Startelf und durften sich beweisen. Rangnick setzte in diesem Spiel gegen die Slowakei auf ein 4-2-3-1, wobei interessanterweise Seiwald und Grillitsch das Zentrum bildeten und hier eher die spielerische Variante gewählt wurde, während Kapitän Sabitzer und Laimer die Flügelpositionen besetzten.
Ehe man gewisse Abläufe und taktische Ausrichtungen betrachten konnte, startete das Spiel schon mit einem richtigen Paukenschlag: Nach einer einstudierten Anstoßvariante passte „Zehner“ Christoph Baumgartner den Ball nicht wie üblich zurück, sondern marschierte direkt auf seine Gegenspieler zu, spielte sehenswert gleich mehrere davon aus und kam so freistehend aus rund 20 Metern zum Abschluss und setze das Spielgerät ins lange Eck zum 1:0. Das war nicht nur ein Traumstart, da man quasi mit dem Anpfiff in Führung ging, sondern auch ein Weltrekord – es war das schnellste Länderspiel-Tor in der Fußballgeschichte!
Ein Auftakt nach Maß natürlich und normalerweise sollte das die eigene Brust nur noch zusätzlich anwachsen lassen. Die Österreicher wollten auch mit der Führung im Rücken ihre gewohnte Spielanlage durchziehen und versuchten aus einer 4-4-2 Formation die Gastgeber anzupressen. Die beiden Stürmer orientierten sich an die beiden Innenverteidiger und auch die restlichen Spieler wählten einen mannorientierten Ansatz. Doch trotz der Führung wirkte das Spiel der Gäste von Beginn an etwas unrund und das eigene Pressingspiel war nicht so griffig, wie man es aus den letzten Spielen gewohnt war.
Pressing mit Lücken
Die Slowakei setzte auf einen recht ähnliche Grundformation und wechselte zwischen einem 4-2-3-1 und 4-4-2 je nachdem, in welcher Spielphase man sich gerade befand. Im Ballbesitz verfügt man mit Lobotka über einen enorm pressingresistenten „Ankersechser“, der auch unter Druck die Ruhe bewahrt und eine Herausforderung darstellen sollte. Die Slowaken binden den Napoli-Legionär auch dementsprechend ein und bauen von hinten das Spiel flach auf, wobei auch Torhüter Dubravka hier aktiv eingebunden wird. Im Verbund mit den beiden Innenverteidigern entsteht so bei der Slowakei eine „Raute“ im Aufbauspiel. Interessanterweise versuchten die Gäste dennoch mit nur zwei Stürmern sich dieser „Raute“ entgegenzustellen, was selbst für gute Pressingspieler wie Gregoritsch und Baumgartner eine Herausforderung sein sollte.
Die Slowakei im Ballbesitz, man baut mit einer „Raute“ das Spiel auf und bindet den Torhüter Dubravka aktiv ein. Dadurch hat die erste Pressinglinie der Österreicher im Anlaufen eine konstante Unterzahlsituation und eine schwierige Aufgabe im Versuch, Zugriff zu erlangen.
Durch diesen strategischen Nachteil war das eigene Pressingspiel von Anfang an löchrig und wurde die erste Pressinglinie ein ums andere Mal aufgerissen, wodurch man in weiterer Folge den Rückzug antreten musste. Glücklicherweise ist die Slowakei in der Offensive qualitativ nicht hochwertig aufgestellt und konnte nicht wirklich Kapital daraus schlagen, aber ein nominell besserer Gegner weiß solche Dinge wohl auszunutzen.
Statisches Ballbesitzspiel und leichtfertige Ballverluste
Doch nicht nur das Spiel gegen den Ball war problematisch und recht untypisch für das österreichische Team. Auch mit dem Ball zeigte man einige ungewohnte Nachlässigkeiten und das gesamte Auftreten wirkte recht unrund. Die Slowaken ließen zunächst die österreichischen Innenverteidiger das Spiel aufbauen und formierten sich zu einem kompakten 4-4-2, welches die zentralen Räume zumachen sollte und enge Abstände aufwies. Die beiden Stürmer sollten als erste Pressinglinie die gegnerischen Sechser markieren und in den Deckungsschatten nehmen, um das Spiel von ihnen wegzulenken. So blieb dann oftmals nur noch der Weg über die Flügelzonen und die Gäste mussten sich etwas überlegen.
Das war allerdings ein großes Problem. Mit Danso spielte nämlich ein Rechtsfuß als linker Innenverteidiger und mit Mwene ein weiterer als Linksverteidiger. Die beiden bekommen klarerweise Probleme, sofern sie nach außen gedrängt werden – quasi auf ihren linken Fuß. Genau das erkannte die Slowakei recht schnell und lief in weiterer Folge Danso an, um ihn nach außen zu drängen. Dadurch blieb dem Innenverteidiger einzig der Pass auf Mwene und das Aufbauspiel war sehr ausrechenbar. Das durchschauten die Gastgeber und pressten so Danso und Mwene an, die dadurch konstant in eine missliche Lage gebracht und mehr oder weniger isoliert wurden.
Diese Isolation war aber auch eine Folge des Positionsspiels, welches äußerst statisch war. Es wurden kaum „Dreiecke“ gebildet und kam zu selten auch ein Sechser den beiden zur Hilfe, um eine Anspielstation zu bieten. Aufgrund der wenigen positionellen Rochaden sahen sich die Österreicher laufend einem Gegenspieler gegenüber und wurden kaum Räume geöffnet, wodurch sehr viele lange Bälle und Ballverluste die Folge waren. Dadurch hing das Mittelfeld völlig in der Luft und kamen insgesamt zu sehr wenigen Ballkontakten. Als wären diese Probleme nicht gravierend genug, schlichen sich auch noch recht viele einfache Eigenfehler ein, wodurch man die Slowakei immer wieder zu Umschaltsituationen einlud. Eine solche musste etwa Debütant Querfeld mit einem Foul unterbinden und holte sich so eine frühe gelbe Karte ab, sonst wäre der Stürmer alleine auf das Tor gezogen.
Wie man sieht war das Auftreten sowohl mit, als auch gegen den Ball sehr ausbaufähig und man agierte in vielen Bereichen fahrig. Daher konnte man im ersten Durchgang auch nie wirklich die Kontrolle über dieses Spiel erlangen, und das obwohl man knapp über 60 Prozent Ballbesitz hatte. Nach gut 30 Minuten versuchte man dann die Statik im Ballbesitzspiel etwas aufzulösen und Sechser Grillitsch kippte öfter zwischen die beiden Innenverteidiger ab, um im Spielaufbau zu helfen. Allerdings verpuffte dieser Kniff, da es nicht entsprechend eingebunden wurde und Grillitsch auch individuell keinen guten Tag erwischte. Da aber die Slowaken in der Offensive zu ungefährlich blieben, ging es dennoch mit einer 1:0-Führung in die Halbzeitpause.
Umstellungen beleben das Spiel der Österreicher
Auch Teamchef Ralf Rangnick dürfte mit dem Auftreten seiner Mannschaft alles andere als zufrieden gewesen sein und entschied sich daher schon zur Halbzeit auf mehreren Positionen zu reagieren. Mit Wöber, Schlager und Wimmer kamen gleich drei Akteure neu ins Spiel und sollten die dringend benötigten Impulse liefern. Die Adaptionen zielten dabei deutlich auf das Ballbesitzspiel ab und sowohl Wöber, als auch Xaver Schlager sollten hier eine Schlüsselrolle einnehmen. Die Österreicher versuchten nämlich die Statik aus dem ersten Durchgang aufzubrechen und mit mehr Rochaden Räume gegen die gut organisierte Defensive der Slowaken zu öffnen. Hierfür kippte „Sechser“ Schlager konstant links neben den beiden Innenverteidigern ab und man bildete situativ eine Dreierkette. Damit war man nun in der Lage, die gegnerische erste Pressinglinie leichter auszuspielen, da die Gäste nun eine nummerische Überzahl kreierten.
So blieben die Österreicher nicht mehr ständig an der ersten Pressinglinie hängen, wie dies noch in den ersten 45 Minuten der Fall war. Man ließ den Ball länger in den eigenen Reihen zirkulieren und erlangte so mehr Kontrolle über das Spiel. Dazu hatte man nun mit Wöber und Schlager zwei „Linksfüße“ im Aufbauspiel, die in der Lage waren, scharfe Vertikalbälle nach vorne zu spielen, wodurch auch das Übergangsspiel nach vorne entlastet wurde. Das war auch wunderbar bei der ersten Topchance im zweiten Durchgang zu sehen, als Xaver Schlager aus dem Aufbau heraus in den Zwischenlinienraum spielte und über mehrere Stationen der Ball bei Baumgartner landete, dessen Abschluss auf der Linie geklärt wurde.
Abwartendes Verteidigen statt hohes Pressingspiel
Auch gegen den Ball nahm man zur Halbzeit einige Anpassungen vor und reagierte damit auf die Probleme im Anlauf- und Pressingspiel. Womöglich nutzte man auch gleich die Chance, mit der Führung im Rücken einen etwas passiveren Ansatz zu trainieren und auf ein klassisches Mittelfeldpressing zu setzen. Man ließ die Slowakei vermehrt kommen und formierte sich zu einem kompakten 4-4-2 und verteidigte nun quasi so, wie es die Gastgeber selber praktizierten. Das war auch ein kluger Ansatz, nahm man so Tempo aus dem Spiel heraus und ließ sich nicht mehr auf einen offenen Schlagabtausch ein, wie es noch im ersten Durchgang häufig der Fall war.
Die Slowaken hatten aber letztlich auch nicht die Qualität im Ballbesitz, um einen kompaktstehenden Gegner auszuspielen und spielerische Lösungen zu kreieren. Dadurch erlangte Österreich trotz passiverem Verteidigen und weniger Ballbesitz, mehr und mehr Spielkontrolle und ließ quasi nichts mehr anbrennen. Nach vorne setze man Nadelstiche und wartete auf die Gelegenheit, im Stile einer Spitzenmannschaft dem Gegner den Todesstoß zu versetzen. Der kam dann auch nach einem toll herausgespielten Spielzug, bei dem man aus dem Spielaufbau heraus über wenige Stationen bis ganz nach vorne kam und Weimann das 2:0 besorgte. Den Ursprung des Treffers und die zur Halbzeit vorgenommenen Adaptionen im Ballbesitz kann man im nächsten Bild gut erkennen:
Österreich im Spielaufbau, ein Sechser kippt ab und bildet mit den beiden Innenverteidigern eine Dreierkette, weshalb die Innenverteidiger breiter stehen können. Wöber hat nun mit seinem linken Fuß auch einen einfacheren Passwinkel und bedient mit einem Vertikalball Sabitzer im Zwischenlinienraum, der sich aufdreht und auf Schmid verlagert, der schließlich die Vorlage für das 2:0 durch Weimann liefert.
Mit dem 2:0 war schlussendlich der Deckel auf diese Partie gesetzt und es war klar, wer als Sieger vom Feld gehen würde. Es war letztendlich zwar kein spektakulärer Auftritt der Österreicher, allerdings bewies man dafür Anpassungsfähigkeit und zog aus der schwachen ersten Halbzeit die richtigen Schlüsse, weshalb das Auftreten im zweiten Durchgang auch wesentlich besser ausfiel und man verdientermaßen als Sieger vom Platz ging.
Dalibor Babic, 12termann.at