Nationalteam

Können sich Marcel Koller und der ÖFB neu erfinden?

Taktische Aufarbeitung

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Mitgeschleppte Probleme

Leider wurde im Spiel gegen die Iren deutlich, dass die österreichische Nationalmannschaft nach wie vor dieselben Probleme im Spielaufbau hat, wie man das vor allem bei der Europameisterschaft in Frankreich gesehen hat. Wenn Österreich im Zentrum zu wenig Freiheit gewährt wird bzw. wenn der Gegner die zentralen Mittelfeldspieler durch eine konsequente Manndeckung komplett zustellt, schafft es Österreich weiterhin nicht, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Wenn man also vor der Situation steht, dass die zentralen Mittelfeldspieler Baumgartlinger und Alaba manngedeckt werden und ein vernünftiger Spielaufbau durch die Mitte nicht möglich zu sein scheint, so muss man nach Alternativen suchen. Österreich spielte zwar häufig über die Außenbahnen, was durchaus sinnvoll war; verstand es aber nicht, dort durchzubrechen, weil die Iren geradezu darauf lauerten und Österreich bereits in der eigenen Hälfte mit mehreren Spielern unter Druck setzte. Zudem haben die Iren erkannt, dass man Spieler wie Arnautovic die Dynamik und die Räume im Spiel nehmen muss, um sie möglichst gut in Schach zu halten.

Insgesamt schaffte es Österreich viel zu selten über die Außenbahnen einen vernünftigen Spielaufbau zu gestalten. Für das zentrale Mittelfeld war es sicherlich sehr schwer sich vom Gegner zu lösen und eine gute Anspielposition für die Außenspieler zu schaffen. Dennoch kann man Schwächen ausmachen, was das geschickte Freilaufen vom Gegner betrifft. Ein Vorstoß von Innenverteidiger Dragovic zeigte auf, wie es funktionieren könnte. Er dribbelte sich bis ins letzte Drittel und die Iren wussten nicht so recht, ob sie sich von den österreichischen Spielern – welche sie manndeckten – lösen sollten oder eben nicht. Die Folge war, dass Dragovic einfach durchmarschieren konnte und eine große Chance einleiten konnte. Durch die Herausforderung, ob sich die irischen Spieler in solchen Situationen von den jeweiligen Gegner lösen sollten oder nicht, kommt es normalerweise immer wieder zu Unstimmigkeiten und wichtige Räume im Spiel nach vorne können entstehen.

Die Fehler beim Gegentor und danach

Nach dem folgenschweren Gegentor, bei dem es zu einer Verkettung von Fehlern kam (Wimmer will Foul und bleibt liegen; Klein stellt sich zwischen zwei Iren anstatt Hoolahan anzulaufen, der den einleitenden Pass spielt; Özcan sieht nicht gerade gut aus), hat sich das Spiel etwas verändert und die Iren zogen sich noch weiter zurück. Sie pressten Alaba und Baumgartlinger meist kurz nach der Mittellinie an und diese versuchten dann oftmals mit hohen Bällen ihre Vorderleute (oft fünf Spieler auf einer Linie) zu füttern. Dass hohe Bälle noch nie die Stärke der Österreicher waren, ist an diesem Punkt wahrscheinlich jedem klar. Das Nationalteam versuchte zwar die Außenverteidiger nach vorne zu bringen, um von der Außenbahn einen Angriff zu starten bzw. Räume für die Zentrale zu schaffen, dennoch konnte weder das eine und noch das andere für einen guten Angriff genutzt werden.

Die Thematik des Spiels über die Außen, welche eine adäquate Lösung sein kann, wird zudem dadurch verschärft, dass Koller sich auf den Außenverteidigerpositionen erneut für eine Defensivvariante entschied. Mit Wimmer und Klein bot der Teamchef auch gegen Irland Spieler auf, die definitiv nicht den nötigen Offensivdrang in sich tragen. Das führte dazu, dass der einzig verbliebene Freiraum, nämlich jener auf den extremen Außenbahnen, durch personelle Entscheidungen quasi aufgegeben wurde. Spätestens nach knapp 60 Minuten hätte Koller reagieren müssen und entweder Alaba auf diese Position links stellen müssen, oder aber Wimmer durch einen 1:1-Spieler ersetzten müssen. Denkbar hierfür wären Spieler wie Onisiwo gewesen. Koller reagierte taktisch aber nicht wirklich, brachte mit Ilsanker (viel zu spät) einen weiteren Zentrumsspieler und beging somit einen weiteren taktischen Fehler.

Man durfte sich schon darüber ärgern und wundern, dass in der letzten halben Stunde gegen die Iren  nur noch mit der Brechstange gespielt wurde. Hohe Bälle und eine Art „Hoffen auf den glücklichen Zufall“ war prägend für die zweite Halbzeit. Ein Trainer sollte jedoch in der Lage sein, Spielern auch während eines Spiels Lösungsansätze zu vermitteln. Mehr Breite und eine bessere Raumaufteilung wären offensichtlich angebracht gewesen. Wimmer drehte nicht nur einmal in einer Offensivposition ab, weil ihm schlicht die Anspielstationen fehlten. Ähnliches gilt auch für Alaba und Baumgartlinger.

Fazit

Klar ist, dass es von Spiel zu Spiel immer augenscheinlicher wird, warum die Gegner der Österreicher so gerne auf eine mannorientierte Deckung setzen. Denn Österreich scheint gegen dieses Verhalten der Gegner einfach keine adäquate Antwort parat zu haben. Und gerade die zweite Halbzeit zeigt auf, obwohl das Aufrücken der Außenverteidiger grundsätzlich gut ist und Räume schafft, dass Koller der Mannschaft zu wenig Alternativen mit auf den Weg gab. Dieser Umstand verwundert doch sehr, gerade in Anbetracht dessen, dass dieses Problem keine Neuigkeit darstellt. Eine Mannschaft, die sich mit diesem Problem wirklich beschäftigt hat, versucht andere Lösungen zu finden, als den Ball knapp eine Halbzeit lang hoch in den Strafraum zu befördern. Aber vielleicht wird dem ÖFB gerade jetzt die quasi nicht vollzogene Aufarbeitung der Europameisterschaft zum Verhängnis.

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2 thoughts on “Können sich Marcel Koller und der ÖFB neu erfinden?

  • Danke für kompakte Aufarbeitung, eine äußerst willkommene Abwechslung zum Event-Journalismus.

    Hier noch 2 Punkte die ich noch ergänzen würde:
    – Wir haben mit Alessandro Schöpf einen für Österreich ungewohnt guten Techniker mit hoher Spielintelligenz, der Junuzovic perfekt ersetzen kann. Stattdessen wird der durchaus engagierte, technisch allerdings weit weniger beschlagene M. Sabitzer als 10 aufgeboten.
    – In der Kausa „Alaba“ gibt es noch eine weitere Komponente: Spielt er wirklich linker Aussenverteidiger, haben wir zwar mit der Achse „Alaba-Arnautovic“ eine internationale Top-Besetzung (die im Dreieck mit Juno oder Schlöpf sicherlich herrlich funktioniert). Stellt man diese allerdings ihrem rechtem Pendant „Klein-Sabitzer“ gegenüber, wird einer klarer Qualitätsunterschied ersichtlich. Dies würde sich nicht gerade positiv auf die Gewichtung unseres Spiels auswirken, war so in Ansätzen schon gegen Serbien zu erkennen.

    Bin schon gespannt in wie weit während der Winterpause die letzten Spiele bzw. Trends reflektiert werden. Denke ist langsam Zeit für mehr Flexiblität im Kader. Freu mich trotzdem noch auf jedes Länderspiel :-)

    LG Nops

    P.S. „Aufgebn‘ damma an Briaf“

  • Als (historisch leidensfähiger) Fan des Nationalteams stimmt mich die derzeitige Entwicklung (=der Stillstand) doch nachdenklich. Die Fakten wurden gut dargestellt, es scheint als würde Koller genau das Gegenteil von dem machen was die Öffentlichkeit fordert.

    Es gibt (wie erwähnt) die Optionen:
    – Burgstaller als Spitze. Okotie wurde auch aus der 2. dt. Liga (bei weit weniger Treffern) einberufen, die Liga kann keine Ausrede sein.
    – Harnik als Spitze. Hat sich schon öfter bewährt.
    – Gregoritsch: Warum nicht, weniger als Janko würde von ihm auch nicht kommen.

    Mein Lieblingsthema – Alaba: wie schon oft erwähnt einer der besten LV der Welt und im Mittelfeld ein guter, aber keineswegs überragender Spieler. Dazu kommt seine persönliche Entwicklung in den letzten Monaten/Jahren, die mir als Außenstehenden nicht mehr so gefällt wie früher. Der Fokus auf den Fußball ist nicht mehr so da wie noch vor 4-5 Jahren. Es gibt zu viele Nebenschauplätze für ihn und dann noch die komplett falsche Selbsteinschätzung, dass er ein zentraler Mittelfeldspieler sei. Ich glaub den kolportieren Sager von im („wenn er mich links aufstellt, fahr ich zurück nach München“) und glaube, dass sich Koller mit dem Thema Alaba immer mehr in eine Sackgasse manövriert. Das Nationalteam darf nicht die Spielwiese des David A. sein, wo er ein wenig im MF kicken kann, mal mit einem Gustostückerl 3 Iren ausspielt (=brotlose Kunst). Das soll er auf der Playstation machen. Ich denke weiter, dass das die Mannschaft (oder den „soliden Teil“ der Mannschaft) doch auf den Keks geht und die Chemie leidet (seit der EM in Frankreich). Alaba-Arnautovic wäre so ziemlich die beste linke Seite, die man sich vorstellen kann und braucht international keine Vergleiche scheuen. Im Zentrum gibts genügend Alternativen für ihn (Ilsanker, Grillitsch, Junuzovic, …).

    Kurz gesagt: ich hoffe, dass jetzt entweder ein „Schnitt“ kommt, die Quali nicht mehr im Fokus steht sondern die Weiterentwicklung für die nächste Quali und gewisse Spieler in die 2. Reihe gestellt werden (Janko, Klein) und dort Alternativen gesucht und aufgebaut werden.

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