Nationalteam

Fußballeuphorie in Österreich – ist das möglich?

Heute um 20:00 Uhr ist es endlich soweit – das erste Länderspiel unter der Leitung unseres neuen Teamchefs Marcel Koller! 

Unser“ Teamchef. Wann konnten wir uns zuletzt als Fans so mit einer Person identifizieren und woran liegt das? Wir versuchen ein paar Gründe für die neugewonnene Euphorie rund um das österreichische Nationalteam und den Teamchef zu finden.


Der Anti-Dico

Dietmar Constantini hat es sich – vor allem in den letzten Monaten seiner Amtszeit – sowohl mit Fans als auch mit den Medien komplett verscherzt. Wichtige Spiele wurden auf Grund eines fehlenden Matchplans und nicht vorhandener Taktik vergeigt, die Fehler wurden immer bei anderen gesucht, Individualfehler als Ausrede verwendet. Eine Pressekonferenz lief meist so ab, dass Journalisten verarscht oder beschimpft wurden bzw. keine sinnvollen Antworten gegeben wurden. Höhepunkt war die Skandal-Pressekonferenz, in der DiCo nach einer Frage eines 90Minuten.at-Redakteurs völlig trotzig die Pressekonferenz abbrach und seine zweifelhaften Adjutanten den Journalisten als Trottel bezeichneten. Selbst das neu geschaffene Job-Profil des ÖFB-Teamchefs zeigt, dass genau das Gegenteil von Constantini gesucht wurde.


Koller ist hungrig

Marcel Koller hat zwar schon einige Trainerstationen hinter sich, aber er wirkt alles andere als ausgebrannt. Ganz im Gegenteil, jedes seiner Interviews zeigt ein gewisses Feuer, einen großen Coup landen zu wollen (und als das wäre eine Qualifikation für ein Großereignis mit einer ÖFB-Auswahl derzeit durchaus zu bezeichnen) und etwas bewegen zu wollen.


Eigentor durch die Haberer-Partie

Die Koalition der unterversorgten Haberer, die bisher immer den ÖFB-Teamchefposten (und weitere Jobs im ÖFB) als ihr Erbrecht angesehen hatten, haben aus allen Rohren und mit teilweise an Dummheit kaum zu überbietenden Aussagen gegen Marcel Koller gewettert. Doch der Schuss ging nach hinten los. Nachdem diese Aktionen zuerst von diversen Fußball-Blogs und Online-Portalen (90minuten.at, ballverliebt.eu, Martin Blumenau, abseits.at, etc.) aufgezeigt und etwas später auch von einigen mutigen klassischen Medien übernommen wurden, schwenkte die Stimmung in der österreichischen Fangemeinde sehr schnell weg von den traurigen Legenden und hin zu Marcel Koller.


Koller ist abgeklärt

Diese gerade genannten Querschüsse hat Marcel Koller nicht nur gut weggesteckt, sondern auch sachlich kommentiert. Ein Medien-Hickhack kam damit auch gar nicht zustande und den Herrschaften Prohaska, Polster, Krankl, Schinkels, etc. wurde dadurch der Sauerstoff für weitere Zündeleien entzogen. Parallel dazu weiß Marcel Koller sehr geschickt mit den Medien umzugehen. Neben seiner schon oft zitierten Facebook-Präsenz mit derzeit über 9.000 Fans (Anmerkung: 12terMann.at war Fan Nr. 105) versteht er es auch hervorragend, mit anderen Medienvertretern umzugehen und – große Änderung zum Großteil seiner Vorgänger – beantwortet Fragen sachlich und fachlich fundiert. Er vermittelt auf eine klare Weise, dass er weiß, was er macht und was er will.


ÖFB-Strukturreform

Willi Ruttensteiner ist zweifellos der neue starke Mann im ÖFB. Das war nach der Bestellung von Marcel Koller sofort klar. Damit wurde auch der Weg zu einer längst überfälligen Strukturreform innerhalb des ÖFB frei. Diese Strukturänderungen sind zwar international betrachtet keine Sensation, auf Österreich bzw. den ÖFB umgemünzt eine wahre Revolution (Entwicklung einer von A-Team bis U-15 durchgängigigen Spielphilosophie, Erweiterung des Betreuerstabs des Nationalteams um zusätzliche Spezialisten, etc.). 


Betreuerteam rund um Marcel Koller

Auch im Umfeld des Teamchefs wurde kräftig aufgeräumt. Die Positionen der bisher wort- und ahnungskargen Co-Trainer wurden dankenswerter Weise mit Fritz Schmid, Mag. Thomas Janeschitz und Otto Konrad komplett neu und nach Kriterien der Qualität besetzt, Fitness-Guru Roger Spry wurde wieder installiert und auch im Bereich der medizinischen Betreuung wurde deutlich aufgestockt. Alleine die Trainingseinheiten im Vorbereitungslehrgang zeigten einen ganz anderen Zugang, als wir es von DiCo gewöhnt waren (Schwerpunkt auf Taktik, Einstudieren von Spielzügen und Laufwegen, permanentes Feedback) – hier sind ganz offensichtlich endlich einmal Profis am Werk!


Spielermaterial und Einstellung

Aus den Interviews mit den Teamspielern erkennt man auch deutlich eine Aufbruchstimmung und den Willen, etwas zu bewegen. Marcel Koller hat es scheinbar in kürzester Zeit geschafft, die unterschiedlichsten Persönlichkeiten auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören und ein Teamgefüge aufzubauen, das es vorher in der Form wohl nicht gab. Dies hat er durch unzählige Spiel- und Spielerbesuche, persönliche Einzelgespräche und innovative Ansätze („Best-of-Arnautovic“-CD für Marko Arnautovic) geschafft – Dinge, die seinen Vorgängern wohl nie eingefallen wären.


Conclusio

Natürlich ist Marcel Koller offiziell erst ca. zwei Wochen im Amt, erst ein Vorbereitungslehrgang absolviert und noch nicht einmal das erste Freundschaftsspiel gespielt. Und natürlich gibt es auch im und um den ÖFB etliches zu verbessern. Dennoch war in den letzten Wochen so ungewöhnlich viel Positives und Optimistisches aus dem Umfeld des Nationalteams zu hören, das Balsam für das geschundene österreichische Fußballherz ist – und warum sollten nicht auch wir irgendwann einmal ein kleines Fußballmärchen erleben dürfen?
 

Alexander Doubek

Alexander DOUBEK (Gründer/Chefredakteur) Bei 12terMann seit: 09/2011 M: alexander.doubek@12termann.at T: @AlexanderDoubek  

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