Kommentar

#Einwurf: Sittenverfall im Fußball?

Muss man sich Sorgen machen? Ist der Fußball nun tatsächlich zum Rüpelsport verkommen? Spieler streiken sich aus ihren Verträgen, Fans zerstören öffentliche Einrichtungen, Mannschaftsbusse werden mit Steinen beworfen und Verantwortliche befeuern dies auch noch mit ihren Aussagen.

Titelbild-Nachweis: By Tim Reckmann/ Wikimedia Commons/ [CC BY-SA 3.0]/Abwandlung

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In meinem #Einwurf zu den Vorfällen rund um Rapid-Goalie [spielerprofil spieler=“Richard Strebinger“] habe ich einen Teilbereich dieses Themas bereits angestreift. Schaut man über den Tellerand hinaus, offenbart sich in der großen, weiten Fußballwelt aber noch einmal eine ganz andere Dimension mit vielen Facetten.

Auba, Auba, aus der Zauber

Jüngstes Beispiel für astreines Fehlverhalten: Die Causa Auba. Vergangenen Sommer streikte sich Ousmane Dembele schon erfolgreich von Borussia Dortmund zum FC Barcelona, nun schaffte es Pierre-Emerick Aubameyang auf dem selben Weg. Nebenbei bemerkt ein kurzer Blick auf die bisherige Bilanz von Dembele bei Barca: Nur sieben Spiele und zwei Assists, bedingt durch Verletzungen. „Life is a boomerang“ denk ich mir. „Karma is a bitch“ denken sich wohl die BVB-Fans.

Nachdem sich Aubameyang in der Vergangenheit schon mehrere Verfehlungen leistete, war das Maß für die Verantwortlichen rund um Trainer Peter Stöger nun endlich voll. Man wollte ihn loswerden, eine Einigung mit dem FC Arsenal kam kurz vor Ende der Transferperiode also doch noch zustande. Bei allem was dieser Mann für seinen nun ehemaligen Arbeitgeber geleistet hat: Es ist für mich unverständlich, dass seine Eskapaden so lange geduldet wurden. Freilich geht es hier um einen „Batzen“ Geld. Dennoch sollte man nicht so lange Appeasement-Politik betreiben, das senkt am Ende die Hemmschwelle für etwaige Nachahmer.

Die betreffenden Umstände sind auch durch das hiesige Transfersystem bedingt. Es wird eine Menge an Ablösesummen bezahlt, dieses Geld muss man sich natürlich irgendwie wieder zurückholen. Diese Tatsache stellt den Hauptgrund dar, warum es für Spieler überhaupt möglich ist, sich aus einem Vertrag zu streiken.

Ein gutes Gegenbeispiel stellt hier die amerikanische NFL (National Football League) dar: Die Spieler haben auch dort „normale“ Verträge, jedoch gibt es keine Ablösesummen. Verweigern sie die Erbringung ihrer Leistung oder verhalten sich nicht entsprechend den Vertragsbedingungen werden sie vom Verein sofort entlassen. Würden diese Maßstäbe auch im Fußball angewandt, würde dem Gabuner keiner mehr die Schecks in seinen Lamborghini werfen. Eintracht Frankfurt-Trainer und Ex-Salzburg-Legionär Niko Kovac hat dazu eine ganz klare Meinung: „Es ist ein Unding, dass du als Klub und Trainer inzwischen ausgeliefert bist“, meinte er jüngst. „Wo ist das Gerechtigkeitsempfinden der Gesellschaft, auch der Medien? So etwas kann man nicht gutheißen. Wo endet das denn? In Anarchie! Da macht jeder, was er will, dann kommen Spieler zum Training, wann und wie sie wollen.“

Empathie, was ist das?

Diese Frage sollten sich nicht nur verhaltenskreative Fans stellen. Es wäre aus meiner Sicht absolut notwendig, dass dies auch so manche Spieler, Trainer und Funktionäre tun. Als aktuelles Beispiel lässt sich da etwa der Vereins-Boss von [spielerprofil spieler=“Alessandro Schöpf“] und [spielerprofil spieler=“Guido Burgstaller“], Clemens Tönnies, nennen, nachdem sich sein Star Leon Goretzka für einen Wechsel zum FC Bayern München entschied: „Meine erste Reaktion war: Das Trikot von Schalke 04, das solltest du am besten nicht mehr tragen“, und weiter: „Wir haben alles getan, um ihn zu halten, sind an die Grenze gegangen. Wir haben gesagt: Du gehörst hierher, das ist zu früh für dich.“

Erweckt auf mich den Eindruck als sei Tönnies schlichtweg beleidigt, er gab sogar zu „emotional aufgeladen“ gewesen zu sein. Mit solchem Herzblut für seinen Club da zu sein nötigt mir Respekt ab, sein scheinbar gekränktes Ego nach außen zu tragen dagegen macht mich einfach nur traurig. Dieser Mann steht einem der größten deutschen Vereine vor und schon öfters beschlich mich das Gefühl, dass er sich in manchen Situationen nicht im Griff hat und seiner großen Verantwortung nicht gerecht wird. Durch sein Verhalten legitimiert er gewissermaßen die Entgleisungen der Fans. Goretzka wurde kurz nach Bekanntgabe seines Wechsels von den Fans beim Training als „Bayernsau“ oder „ehrenloser Hund“ beschimpft. Was würde wohl Rudi Assauer dazu sagen?

„Tönnies hat Goretzka dem Schalke-Publikum zum Fraß vorgeworfen“ (Peter Neururer, 22.1.2018)

Um zum eigentlichen Punkt zurückzukommen: Emapthie ist – für jene, die es bisher nicht wussten – per Definition des Duden die „Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen“. Ich bin der festen Überzeugung, dass es im Fußball mehr Harmonie geben würde, wenn man versucht die Haltung des Anderen zu verstehen. Man muss sie deswegen ja keineswegs gut finden oder gar übernehmen. 

Rekordmeister? Ja, aber worin?

Rapid Wien oder Austria Wien? Oder gar Red Bull Salzburg? Oh ja, herrlich! Diskutieren wir doch wieder darüber, das ist schön! Dann brauchen wir uns wenigstens nicht mit der Gegenwart zu konfrontieren. Dass in diesem Zusammenhang jemals Einklang herrschen wird schließe ich mittlerweile aus. Es ist letztlich auch unerheblich. Das Verhalten der Verantwortlichen dagegen jagt mir, nicht nur diesbezüglich, regelmäßig die Zornesröte ins Gesicht. Derby-Ausschreitungen hier, Morddrohungen gegen Schiedsrichter da. Würde ein Meistertitel für Feindseligkeit vergeben, so hätte man auch dort den Rekordmeistertitel inne. Anstatt sich geschlossen gegen jede Form von Verhetzung, Gewalt (verbal und physisch), Respektlosigkeit oder Vandalismus zu stellen, lässt man sich auf einen Kleinkrieg ein. In beinahe jedem Interview können sich die Verantwortlichen einen Seitenhieb in irgendeine Richtung nicht verkneifen. Passiert etwas, so wird es häufig heruntergepielt oder die Schuld bei Anderen gesucht, scheinbar nur um den eigenen Anhang nur ja nicht zu verärgern.

Wie Kinder der Spiegel der Eltern sind, so gilt dies ein Stück weit auch für die Fans eines Vereins. Nur um es klarzustellen: Rapid und die Austria sind zwei große Clubs, stehen daher verstärkt im Licht der Öffentlichkeit und eignen sich deswegen gut als Beispiel. Derlei unlautere Vorfälle hat es in der Vergangenheit auch bei vielen anderen Vereinen gegeben, wie etwa die jüngste Posse um den Wechsel von [spielerprofil spieler=“Markus Wostry“] von der Admira zum LASK zeigt.

Doch irgendwie war es auch absehbar. Im modernen Fußball wird jedes Spiel verkauft, als ginge es um den Olympiasieg. Die TV-Gelder in manchen Ländern gehen in die hunderten Millionen oder gar in die Milliarden. Dort sind viele so fernab der Realität, dass man als Außenstehender nur mehr den Kopf schüttelt. Die riesige Blase namens Profifußball kann zur Gehirnwäsche werden.

Geh ich in den Zoo oder doch zum Fußball?

Wie wilde Tiere lassen Menschen ihrer Aggression in den Stadien zeitweilig freien Lauf. Wie sich manche Anwesende (Nein, das sind weder Fans, noch Anhänger oder Besucher, denn dies setzt voraus, dass sie um des Fußballs Willen dort sind) in den Stadien verhalten, ist einer zivilisierten Gesellschaft nicht würdig. Teils geht es nur noch darum den „Feind“ (allein dieses Vokabular versetzt mich als Geschichtsinteressierten in Angst und Schrecken) möglichst zu entwürdigen, ohne Rücksicht auf Verluste. Liebe Leute: Das kann doch nicht euer Ernst sein? Niemand verlangt von euch, dass ihr euch mögt, nein nichteinmal dass ihr euch einig seid. Aber wir leben in einem hochentwickelten Erste-Welt-Land und ich traue euch zu, dass ihr Euch mit Respekt auf Augenhöhe begegnet und an die Dinge um einer Lösung Willen sachlich herangeht. Euch, das sind ALLE, die mit dem Fußball zu tun haben, in welcher Form auch immer. Denn reduziert man es auf das Wesentliche, so bleibt es unterm Strich das Eine – Fußball. 22 Männer oder Frauen, die ihr Herz auf dem weiten Grün lassen, die sich nichts schenken und um jeden Zentimter kämpfen, um sich am Ende die Hand zu reichen.

Wollen wir diese Ereignisse weiter herunterspielen, um „den Fußball zu schützen“? Es kann doch nicht sein, dass hier immer wieder Menschen – vollkommen gleich ob physisch oder psychisch – verletzt werden. Es gibt leider eine steigende Zahl von Personen, die noch immer nicht verstanden haben, dass sie sich durch ihr Verhalten selbst ihrer Bühne, oder gar ihrer Lebensgrundlage berauben. Denn in mir keimt die Befürchtung auf dass, sollte sich die Spirale so weiter drehen, sich der Fußball langfristig zu einem Bereich der Gesellschaft entwickelt den eine überwiegende Mehrheit so nicht mehr haben will. Mir graut vor dem Tag, an dem das Realität werden könnte. Stellt euch vor es ist Fußball und keiner geht hin. Und um den Vorwurf gleich vorab zu entkräften: Wir 12ten Männer und Frauen arbeiten allesamt ehrenamtlich, ich persönlich könnte also auch ohne Fußball leben. Allein: Ich will es nicht. So, und jetzt kehre ich wieder vor meiner eigenen Haustür.

„Alle denken nur darüber nach, wie man die Menschheit ändern könnte, doch niemand denkt daran, sich selbst zu ändern.“ (Leo Tolstoi)

Ich verneige mich und danke für Eure Aufmerksamkeit.

Euer,

René Dutchy

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