ÖFB

Die Teamchefs der Zukunft – aufgebaut aus den eigenen Reihen?

Nach Marcel Koller ist vor Franco Foda?

So sieht es zumindest aktuell aus, wenn man diversen Medienberichten betreffend Ausgang der Teamchef-Suche Glauben schenken will. Doch unabhängig davon, was man vom künftigen starken Mann im Nationalteam hält, der ÖFB hat in den letzten Wochen und Monaten alles andere als professionell gewirkt und die Rufe nach einer Strukturreform werden immer lauter.

In einer idealen Welt würde sich der ÖFB nicht auf Erfolgen ausruhen, sondern sich stets hinterfragen und reflektieren sowie ständig verbessern wollen. Warum also nicht auch einmal über ein Trainer-/Betreuerteam der Zukunft nachdenken, bei dem durch ein nachhaltiges Ausbildungskonzept aus einer jungen, hungrigen Trainergeneration der künftige Trainer-/Betreuerstab der Nationalteams heranwächst.

Wir haben uns darüber unsere Gedanken gemacht und wollen euch in der Folge unsere Ideen präsentieren.

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Die Grundidee

Was wäre, wenn es für die ÖFB-Nationalteams in der Zukunft eine ganz andere – auf den ersten Blick unkonventionelle – Lösung gäbe, die so vielleicht noch nicht angedacht wurde? Eine Lösung, die sowohl die vielfachen Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt, aber auch gleichzeitig die Teamchefs der Zukunft in den eigenen Reihen aufbaut und auch viel flexiblere Konstellationen ermöglichen könnte. Lösungen, bei denen nicht Namen und Seilschaften im Vordergrund stehen, sondern ein Nationaltrainer-Team mit den notwendigen fachlichen und menschlichen Qualifikationen.

Eckpunkte

  • Ein neuer Ausbildungszweig „Nationaltrainer“ in der ÖFB-Trainerausbildung
  • Absolventen dieses Ausbildungszweigs bilden die künftigen Nationaltrainer-Teams
  • Aufteilung der Teamchef-Agenden auf diese multiprofessionellen Teams in flacher Hierarchie
  • Die Trainer in diesen Teams arbeiten dem Teamchef entsprechend ihrer jeweiligen Aufgaben zu
  • In diesen Teams werden die Teamchefs der Zukunft über Jahre aufgebaut, kennen das Nationalteam-Umfeld und die ÖFB-Spielphilosophie
  • Teamchef ist der „Head of Coaching“ im Nationalteam und trägt die Gesamtverantwortung
  • Teamchef könnte – zumindest in der Übergangszeit – parallel auch als Clubtrainer arbeiten

Multiprofessionelles Team auf Augenhöhe

Grundsätzlich sieht die Idee vor, eine multiprofessionelles Team zu installieren, welches dem Teamchef zuarbeitet.

Wie in der Grafik ersichtlich, ist der Teamchef seinem Betreuerstab natürlich weiterhin übergeordnet. Die umliegenden Bereiche sind im Allgemeinen gleichgestellt, was die Zusammenarbeit und Kommunikation flexibilisieren und auflockern soll.

Für drei der vier großen Aufgabenbereiche (Network, Analyse, Training) sollen aufstrebende, hochmotivierte und selbstredend fachlich absolut versierte (Jung-)Trainer installiert werden, welche die in der Grafik dargestellten Aufgaben entweder selbst übernehmen oder an die Fachleute in ihrem Staff weiterdelegieren. Für den Bereich „Medical“ ist vorgesehen, dass ein erfahrener Teamarzt die Führung für dieses Gebiet übernimmt, aktuell stünde beim ÖFB hierfür Dr. Richard Eggenhofer zur Verfügung.

Folgend möchten wir auf die einzelnen Aufgabenfelder näher eingehen:

Teamchef

Die Aufgabe des neuen Nationaltrainers unterscheidet sich von den bisherigen Strukturen dahingehend, als dass er einige seiner bisherigen Tätigkeiten bewusst delegiert. Wichtig bei der Bestellung dieser Personalie sind Eigenschaften wie Erfahrung, Führungsqualitäten, Reputation oder Erfolge.

Seine Kernaufgabe besteht darin, nach Abwägung aller ihm durch sein Team zur Verfügung gestellten Inputs sowie durch Einbeziehung seiner Erfahrung und des berühmten „Bauchgefühls“ bzw. seiner Intuition als Trainer die Letztentscheidung zu treffen.

Eine wichtiger Punkt ist weiters, die jungen Coaches an seiner Erfahrung teilhaben zu lassen, was vor allem im Hinblick auf die Ausbildung (dazu später mehr) und Heranführung etwaiger späterer Nationaltrainer elementar ist. Zudem entsteht für ihn so die Möglichkeit, parallel auch als Vereinstrainer zu arbeiten.

Training

Vor allem der Trainings- und Belastungssteuerung kommt heute große Bedeutung zu. In Zusammenarbeit mit der medizinischen sowie sportwissenschaftlichen Abteilung sollen von den Fachtrainern individuelle sowie mannschaftliche Schwerpunkte herausgearbeitet werden, gemeinsam mit dem Teamchef kümmert sich das Trainerteam um deren Umsetzung, wobei sich natürlich alle an der vorgegebenen ÖFB-Spielphilosophie langfristig zu orientieren haben.

Im Fachbereich Training sieht dieses Modell einen deutlichen Kontrast zu bisherigen Modellen vor. Ein gänzlich neuer Bereich kommt hier hinzu: Der des „Innovationsbetreuers“. Dessen Aufgabe besteht darin, sich ständig und ausschließlich dem Erschließen neuer und stets aktueller Trainingsmethoden zu widmen, diese zu analysieren und an das Betreuerteam heranzutragen. So kann die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, immer auf möglichst höchstem Niveau arbeiten zu können. Zudem könnte man auf diesem Wege zu einem Vorbild für andere Verbände in Sachen Innovationskompetenz werden.

Analyse

Der Fachbereich Analyse unterscheidet sich im Wesentlichen wenig von etablierten Modellen. Hier geht es vorrangig darum, Spiele von anderen sowie jene des eigenen Teams zu beobachten, zu analysieren und grafisch bzw. optisch für das Trainerteam und den Teamchef zu Schulungszwecken aufzubereiten. Des weiteren sollen auch Informationen aus der Spieldatenerfassung (über Anbieter wie beispielsweise optasports oder soccerlab) aufbereitet und in die Analysen eingebunden werden. 

Network

Tätigkeiten, welche früher im Rahmen von „Spielerbeobachtung/Scouting“ vom Teamchef oder dessen Co-Trainer(n) übernommen wurden, sollen nun im eigens dafür angedachten Bereich Network verankert sein. Auf dem Gebiet des Scoutings ist der zuständige Betreuer für ein Team von internen und/oder externen Mitarbeitern verantwortlich, die in seinem oder im Auftrag des Teamchefs den Pool an (potentiellen) Teamspielern im Auge behalten.    

Im Vergleich zu früher, wird der Umfang der Aufgaben hinsichtlich Kommunikation und Zusammenarbeit auf allen Ebenen und in alle Richtungen erweitert, um die Gefahr eines „Scheuklappen-Verhaltens“ zu reduzieren. So soll ein kontinuierlicher Kontakt zu den Teamkickern und deren Vereinen bestehen, um im stetigen Austausch etwaige Probleme erst gar nicht aufkommen zu lassen. Dies bedeutet, dass (kritisches) Feedback von Vereins- und Spielerseite durchwegs erwünscht ist, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass weniger Angelegenheiten nach außen getragen werden.

Der angesprochene Kontakt sowie das Feedback sollen sich ebenfalls wie ein rot-weiß-roter Faden durch die Nachwuchsmannschaften (Männer und Frauen) bis hin zum A-Nationalteam ziehen. 

Das Modell sieht ferner vor, regelmäßig im Rahmen bestimmter Schwerpunkte externe Experten zu Rate zu ziehen, vor allem in Zusammenarbeit mit dem Innovationsbetreuer.

Medical

Im Bereich Medical laufen alle Stränge zusammen, welche das Team abseits des sportlichen Bereiches weiterbringen können. Dieser Bereich nimmt gegenüber den anderen eine Sonderstellung ein, da er nicht von einem Fußballfachmann, sondern von einem Mediziner geleitet wird.

Besonders im Bereich der Sportpsychologie hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Viele Jungtrainer, wie Julian Nagelsmann (Hoffenheim) oder Hannes Wolf (Stuttgart), messen diesen Themen einen hohen Stellenwert zu und binden sie in ihre täglich Arbeit ein. Auch beim ÖFB-Frauennationalteam sind die Erfolge zu einem großen Teil der mentalen Betreuung anzurechnen.

Auf dem Gebiet der Sportwissenschaft gibt es ebenso laufend neue Erkenntnisse. Als Beispiel sei hier der Trainer des VFL Wolfsburg, Martin Schmidt, angeführt. Er ordnete seinen Spielern erst kürzlich an, sich nach jedem Training die Zähne zu putzen, da ansonsten Säuren entstehen können, welche die Regeneration hemmen.

Masseure und Physiotherapeuten sind in modernen Trainerstäben ohnedies obligatorisch und von wesentlicher Bedeutung. 

Der „Staff-Tisch“

Um etwaige Komplikationen rechtzeitig erkennen und bearbeiten zu können, ist ein regelmäßiger „Staff-Tisch“ vorgesehen, um allen Mitgliedern des Betreuerteams eine Refelxions-Plattform zu bieten. Hier soll Kritik wie auch Wertschätzung gegenüber der Arbeit jedes Einzelnen unter Einhaltung von zuvor gemeinschaftlich festgelegten (Kommunikations-)Spielregeln zum Ausdruck gebracht werden. Dadurch ermöglicht sich eine Stärkung des Teamgefüges und des Zusammenhalts, um sicher gehen zu können, dass (weiterhin) alle an einem Strang ziehen.

Die Trainerausbildung des ÖFB

Quelle: ÖFB

So sieht die Trainerausbildung des ÖFB aktuell aus, doch auch hierzu haben wir uns Gedanken gemacht. Unsere Idee sieht vor, in der Ausbildung einen eigenen Zweig für Nationaltrainer zu implementieren, um eine Möglichkeit zu schaffen, bei der von Beginn an die Philosophie des ÖFB nachhaltig vermittelt wird.

Unser Modell sieht nach dem Jugendtrainer-Diplom den ersten Teil des Nationaltrainer-Diploms vor:

Das aktuelle Modell des ÖFB ist ausschließlich auf die Ausbildung von Clubtrainern ausgerichtet. Im Eigeninteresse des ÖFB erscheint es aber durchaus sinnvoll, sich durch die Schaffung eines Ausbildungszweiges zum Nationaltrainer im Rahmen der hauseigenen Philosophie kompetenten Nachwuchs heranzuziehen. Diese Möglichkeit würde durch zwei Umwege nach dem Jugend- und A-Diplom geschaffen.

Elementarer Inhalt dieser Ausbildung wären u. a. verstärkte Hospitationen/Praktika bei den eigenen Nationalteams (A-Nationalmannschaft, U-Auswahlen, Frauen-Nationalteam). Genau durch diesen Ausbildungszweig „Nationaltrainer“ sollen die Fachkräfte gefunden werden, die dem jeweiligen Teamchef in den verschiedensten Bereichen zuarbeiten und aus deren Kreisen sich die kommenden Nationaltrainer entwickeln. Denn genau diese Trainer sind dann bereits jahrelang beim Nationalteam, haben die ÖFB-Spielphilosophie intus und kennen die agierenden Personen im und ums Nationalteam bereits bestens.

Keine großen Namen, sondern ausschließlich die Qualifikation wäre für die Trainerbestellung ausschlaggebend – der Vorwurf der Verhaberung wäre damit wohl ausgeschlossen. 

Nachdem der ÖFB und vor allem diverse Landespräsidenten in den letzten Wochen und Monaten aber ein eher ambivalentes Verhalten gegenüber Innovantionen gezeigt haben, ist es eher unwahrscheinlich, dass sich derartige Strukturen in absehbarer Zeit etablieren werden können. Dennoch halten wir es durchaus für eine zumindest diskutable Theorie und sind natürlich auch auf eure Meinungen dazu sehr gespannt. 

 

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