Nationalteam

Interview mit Jakob Jantscher

Kurz vor dem finalen Länderspieldoppel gegen Montenegro und Liechtenstein haben wir für euch mit Jakob Jantscher ein Interview geführt. Der 26-Jährige, der seit Sommer 2014 als Schweiz-Legionär beim FC Luzern unter Vertrag steht, berichtet in unserem Gespräch über seine Situation bei seinem Klub, vergleicht seine bisherigen Stationen und gewährt ein paar Einblicke in das österreichische Nationalteam.


 

Jakob, lass uns am Anfang kurz über deine aktuelle Situation beim FC Luzern reden. Nach einem starken Frühjahr habt ihr eure Form konserviert und seid gut in die Saison gestartet. Wie ist dein bisheriges Resümee dieser Spielzeit?

Im Grunde genommen war der Start in die Saison durchwegs positiv, wir liegen derzeit mit Tuchfühlung zur Spitze auf dem vierten Tabellenplatz. Fußballerisch haben wir in den bisherigen Partien nicht immer geglänzt, dafür haben wir aber Gott sei Dank die Punkte gemacht. Im vorherigen Herbst hatten wir ja genau die umgekehrte Situation.

 

In sieben von zehn Saisonspielen standst du bisher in der Startelf, wurdest zweimal zur Pause eingewechselt. Im Gegensatz zur Vorsaison, wo du ja vermehrt als 10er im Einsatz warst, kommst du heuer wieder öfters über die Flügel. In welcher Rolle gefällst du dir besser?

In der bisherigen Saison ist es derzeit ein ständiger Wechsel zwischen der Außenbahn und der Zehnerposition. Grundsätzlich muss ich sagen, gefällt mir die Position am Flügel besser, ich habe mich, da ich in der Rückrunde der Vorsaison eigentlich immer auf der Zehnerposition gespielt habe, mittlerweile auch damit anfreunden können. In der laufenden Spielzeit haben wir das Spielsystem immer wieder dem Gegner angepasst, dadurch ergaben sich auch für mich unterschiedliche Positionen. Doch dank der Rückrunde weiß ich mittlerweile, welche Aufgaben ich als 10er übernehmen muss und wie ich mich am Platz verhalten muss.

 

Im Vorjahr warst du mit elf Vorlagen bester Assistgeber in der Super League, auch heuer hältst du bereits bei drei Assists. Du scheinst dich in der Schweiz fußballerisch richtig wohl zu fühlen, dürftest dich nach ein paar Jahren des Wandels nicht nur sportlich, sondern auch örtlich gefunden haben?

Ja, tatsächlich fühle ich mich in Luzern sehr wohl. Durch die nicht vorhandene sprachliche Barriere habe ich mich schnell einleben können. Zudem fühlt sich meine Frau hier zu Hause, was durchaus ein wichtiger Punkt ist, um als Fußballer seine Leistung bringen zu können. Privat passt also wirklich alles, jetzt muss ich nur schauen, dass ich weiterhin am Platz meine Leistung bringe und es auch sportlich so gut weitergeht.

… jetzt muss ich nur schauen, dass ich weiterhin am Platz meine Leistung bringe…

Luzern bietet ja auch eine gewisse Wohlfühlatmosphäre.

Genau! Du hast hier einen hohen Lebensstandard, den See und die Berge direkt vor der Haustüre, man kann es bei dem herrlichen Panorama in Luzern wunderbar aushalten.

 

Dein Anfang in Luzern war allerdings alles andere als einfach. Du bist vom NEC Nijmegen gekommen, der damals gerade aus der niederländischen ersten Liga abgestiegen ist, und hast dich gleich wieder mitten im Abstiegskampf befunden. Hast du dir damals gedacht, du bist im falschen Film?

Nein, im falschen Film würde ich nicht sagen. Der FC Luzern wurde in der Saison, bevor ich dort hin gewechselt bin, Vierter, in der folgenden Europa-League-Qualifikation sind wir damals äußerst unglücklich ausgeschieden (Anm. d. Red.: Im Elfmeterschießen zog man gegen den FC St. Johnstone mit 5:4 den Kürzeren). Ich persönlich war anfangs auch noch verletzt, hatte einen Muskelfaserriss, das hat mir natürlich auch den Start in Luzern etwas erschwert. Aus sportlicher Sicht war es ja so, dass wir in der Hinrunde eigentlich keinen schlechten Fußball gespielt haben, wir haben aber einfach zu viele Punkte liegen lassen und sind dann in eine negative Spirale hineingeraten. Wir hatten als Mannschaft aber immer eine große Qualität, konnten das dann nach dem Trainerwechsel, dem Systemwechsel und der Winterpause auch zeigen und anschließend die wichtigen Punkte holen. Nimmt man allein die Tabelle der Rückrunde her, dann waren wir Zweiter, mit lediglich einem Punkt Rückstand auf den FC Basel.

 

Mit Markus Babbel arbeitest du unter einem Trainer, der einerseits das Spielsystem beim FC Luzern geändert hat und vor allem auf die körperliche Fitness großen Wert legt. Für sein aggressives Spiel ist dies eine Grundvoraussetzung. Wie groß war für euch Kicker damals die Umstellung, als Babbel im Oktober 2014 den FC Luzern übernahm?

Wir haben schon davor unter Carlos Bernegger sehr professionell und intensiv im physischen Bereich gearbeitet. Unter Markus Babbel kam dann das neue Spielsystem, wo ich beispielsweise als Zehner längere Wege hab gehen müssen und das ganze Spiel noch intensiver wurde. Durch diese Intensivierung musste auch im Trainingsbereich noch eine Schippe draufgelegt werden. Bei Markus Babbel erkannte man sofort, dass er von Deutschland geprägt ist, das heißt, dass man als Kicker 90 Minuten Vollgas geben muss und das hat er bei uns erfolgreich umgesetzt.

Bei Markus Babbel erkannte man sofort, dass er von Deutschland geprägt ist, das heißt, dass man als Kicker 90 Minuten Vollgas geben muss…

Nach deinen Stationen in Österreich hat es dich nach Russland, in die Niederlande und in die Schweiz verschlagen. Kannst du grob zusammenfassen, wodurch sich die Ligen voneinander unterscheiden?

Ganz grob kann man sagen, dass im schweizerischen Fußball viel Wert auf das Spektakel und das Fußballerische gelegt wird. Hier enden Topspiele dann auch mal mit 5:4 oder 4:3, es wird teilweise wirklich mit offenem Visier gespielt. In Russland ist das kampfbetonte Spiel im Vordergrund, da stehst du vom Namen auch ganz anderen Spielern gegenüber. In Österreich liegt der Fokus, würde ich sagen, eher auf der Taktik und auf dem Defensivverhalten, das unterscheidet sich mal deutlich von der Schweiz. Und die Eredivisie ist einfach eine große Ausbildungsliga, wo viele junge Spieler im Einsatz sind – das hat aber auch einen Haken. Hast du in deiner Mannschaft nicht genügend etablierte Spieler, so wird es schwer, dass du dich langfristig in der höchsten Spielklasse hältst. Das war auch damals in Nijmegen der Fall; wir hatten eine junge Mannschaft, in der die gewisse Erfahrung fehlte, so war es schwer, die Klasse zu halten.

 

Ein frappanter Unterschied zwischen der österreichischen Liga und der Super League liegt in der Stadioninfrastruktur. Als Aufsteiger wird einem in der Schweiz die Bewilligung des Aufstiegs erst dann erteilt, wenn die Anforderungen an das Stadion seitens des Vereins erfüllt werden oder wenn ein Umbau geplant wird. Beispielsweise ist eine Rasenheizung verpflichtend. Was hältst du von diesen strikten Regelungen?

Ich habe das bislang eigentlich nur nebenbei mitbekommen, weiß zum Beispiel, dass das Stadion eines Erstligavereins zumindest 8000 Plätze sowie eine Rasenheizung vorweisen muss. Gerade die Rasenheizung ist natürlich, bedenkt man die Winter in der Schweiz, eine wichtige Sache und mitunter sicher ein Grund, warum die Plätze in der Schweiz in einem besser Zustand sind als jene in Österreich. Im Zuge der EM 2008 hat die Schweiz tolle neuen Stadien gebaut und somit ist es auch klar, warum die Schweiz derzeit den Österreichern in Punkto Infrastruktur ein Stückchen voraus ist.

 

Dein Vertrag beim FC Luzern läuft bis zum Sommer 2017, du verfügst aber über eine Ausstiegsklausel. Eine rein hypothetische Frage: Welche Liga würde dich denn bei einem Wechsel am meisten reizen?

Ganz ehrlich, ich habe wirklich keine Traumliga, in der ich gerne einmal spielen will. Ich lasse das alles auf mich zukommen, erst wenn etwas Relevantes aus einer anderen Liga kommt, dann werde ich mich damit beschäftigen.

Ganz ehrlich, ich habe wirklich keine Traumliga, in der ich gerne einmal spielen will.

Du, Marc Janko und Adi Hütter, ihr drei sorgt in den letzten Wochen für rundum positive Schlagzeilen in der Schweiz. Wird man, auch ob des Erfolgs des Nationalteams, als österreichischer Legionär mittlerweile anerkannt?

Auf jeden Fall, ja. Ich kann jetzt nur von meiner Person sprechen, in Luzern wird sehr viel über das österreichische Nationalteam geredet und durch die gute Qualifikation und den guten Fußball, den wir spielen, ist das Nationalteam auch in der restlichen Schweiz ein großes Thema.  

 

Im Mai hast du nach eineinhalb Jahren dein Comeback im Nationalteam gefeiert, beim letzten Länderspieldoppel wurdest du sowohl gegen Moldawien als auch Schweden eingewechselt und konntest dabei einen Assist verbuchen. Was ging dir nach dem sensationellen 4:1-Sieg gegen die Schweden durch den Kopf?

Ich war, wie du gesagt hast, jetzt eineinhalb Jahre nicht im Team und wurde dann für das Länderspiel gegen Russland wieder einberufen. Das war für mich persönlich sehr wichtig, da ich dadurch den Anschluss nicht verloren habe – die Einberufung folgte wegen meiner guten Leistungen in der Schweiz. Natürlich war es dann für mich schön, dass ich in den letzten beiden Spielen gegen Moldawien und Schweden auch eingewechselt wurde und gerade das Spiel in Schweden, das ja wirklich ein einmaliges Erlebnis war, war etwas ganz Besonderes und ich werde mich sicher sehr gerne an dieses Spiel zurück erinnern.

 

Du hast in einem Interview einmal erwähnt, dass sich Marcel Koller, obwohl du nicht im Kader des Nationalteams gestanden bist, laufend bei dir gemeldet und sich erkundigt hat, wie es dir geht. Man hört diese Aussage von mehreren Kickern – macht diese Eigenschaft Marcel Koller als Menschen so speziell?

Ja, natürlich auch. Den Spielern ist es wichtig, dass sich der Teamchef bei ihnen meldet, auch wenn es einmal nicht so gut läuft. Das war beispielsweise bei mir in Nijmegen der Fall, wir hatten damals öfters Kontakt und man konnte sich austauschen, wie es weitergehen soll beziehungsweise wie man gewisse Situationen verbessern könnte. Als ich nach eineinhalb Jahren wieder im Kader des Nationalteams stand, war das ein Gefühl, als ob ich nie weggewesen wäre. Das ist mit Sicherheit auch Marcel Koller geschuldet.

Als ich nach eineinhalb Jahren wieder im Kader des Nationalteams stand, war das ein Gefühl, als ob ich nie weggewesen wäre.

Zurzeit kursieren Gerüchte, wonach Marcel Koller bei Borussia Mönchengladbach im Gespräch sei. Marc Janko tat zuletzt in einem Interview kund, dass euch das als Team nicht belastet. Ist man als Profi solche „Nebengeräusche“ gewohnt?

Ja, der Marc hat das schon richtig gesagt, als Fußballer ist man solche Dinge gewohnt. Im Endeffekt ist es ja nicht unsere Entscheidung, wir können das auch nicht wirklich beeinflussen. Wie es weitergeht, das liegt nur in den Händen des Trainers. Für uns ist es wichtig, dass wir weiter kontinuierlich arbeiten und die letzten beiden Spiele noch gut über die Runden bringen – das haben wir uns und das haben sich auch die Fans verdient.

 

Ihr habt jetzt mit Montenegro und Liechtenstein noch zwei Qualifikationsspiele vor euch. Die Qualifikation ist fix, der erste Gruppenplatz ist fix, es geht allerdings noch um die Topfeinteilung für die EM-Auslosung. Motivation genug, um nochmal 100% abzurufen?

Richtig, unser Ziel ist es, den zweiten Topf zu erreichen, dadurch könnten wir ja auch einige starke Gegner umgehen. Dementsprechend motiviert werden wir zu Werke gehen.

 

Zuletzt noch eine kurze Frage: Gibt es für dich einen absoluten Wunschgegner bei der EM 2016 bzw. mit welchen Zielen fährst du nach Frankreich?

Über beide Themen will ich jetzt eigentlich noch gar nicht nachdenken. Einerseits ist die Qualifikation ja noch nicht zu Ende und andererseits kämpfen einige große Teams auch noch um die Chance, überhaupt nach Frankreich zu kommen. Auch über die Ziele müssen wir jetzt noch nicht wirklich reden, die EM ist für mich einfach persönlich noch viel zu weit weg. 

 

Vielen Dank für das Gespräch

Das Interview führte Christian Semmelrock

 

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Christian Semmelrock

 

Christian SEMMELROCK
(Redaktion / Charity)

Bei 12terMann seit: 11/2013

M: christian.semmelrock@12terMann.at

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