Nationalteam

Faktencheck: Spielt Österreich wirklich das höchste Pressing?

Franco Foda sorgte zumindest unter der 12terMann.at-Community für einige Lacher, als er davon sprach, dass das ÖFB-Team aufgrund der hohen Bälle der Gegner gar nicht mehr ins Pressing kommt. Der Teamchef meinte, einige Statistiken würden belegen, Österreich hätte in puncto Balleroberung einen internationalen Bestwert vorzuweisen. Im ersten 12terMann.at-Faktencheck prüfen wir die Aussagen des Deutschen.

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Während viele Fans das ÖFB-Team am liebsten als eine Kopie von RB Salzburg sehen würden, lässt Foda anders spielen – so scheint es zumindest. Geht es nach dem Teamchef, so spielt Österreich bereits hohes Pressing und er hat recht. Im Spiel gegen den Ball gibt es keine aktivere Mannschaft als die heimische Nationalelf. Den Daten der Analyse-Plattform Opta-Sports zufolge, ließ man bei der erfolgreichen EM-Qualifikation im Schnitt nur acht Pässe des Gegners außerhalb des eigenen Verteidigungsdrittels zu, bevor man mit dem Pressing begann.

Kein anderes europäisches Land weist im Vergleich einen derartig niedrigen PPDA-Wert („Passes Per Defensive Action“) auf. Franco Foda hat recht, Österreich presst so früh wie kein anderes Team. Ist der Europameister-Titel damit fix? Leider nein. Der PPDA-Wert ist eine defensive Kennzahl, die es uns erlaubt, Rückschlüsse darüber zu ziehen, dass Foda seinen Spieler ein Phänomen des modernen Fußball antrainierte. Erst seit einigen Jahren wird von Fußballern höchstes Tempo gefordert, auch wenn sie nicht im Ballbesitz sind. Eine weitere wichtige Facette im modernen Fußball vernachlässigt Foda hingegen.

Während das Spiel gegen den Ball funktioniert, scheitert es meist am Umgang mit dem Spielgerät. Nach der Balleroberung fehlt es oft an der Bewegung im Spielaufbau. Viele Kicker in rot-weiß-rot bleiben bei Angriffen hinter dem Ball und ein schneller Aufbau über die Mitte findet praktisch nicht statt – auch weil Foda vermehrt auf Defensivspieler in seinen Aufstellungen setzt. Tiefstehende Gegner profitieren von der daraus folgenden Ungenauigkeit im Passspiel sowie den zaghaften Spieleröffnungen – so gesehen gegen Luxemburg und Nordirland.

Österreich hat aufgrund des guten Pressings oft den Ball – weiß aber bisher nur bedingt mit ihm umzugehen. Franco Foda sei in einem weiteren Punkt rechtgegeben: Österreichs Gegner setzen vermehrt auf hohe Bälle, um dem Pressing zu entkommen – leider mit Erfolg. Es hilft der beste Pressingwert nichts, wenn die Defensive über lange Bälle aushebelbar ist. Im Abschlussspiel der Nations-League, in der Österreich seinen PPDA-Wert nochmals verbesserte, kam die norwegische Ersatz-Elf nach einem hohen Ball zum Führungstreffer. Gegen Schottland und die Färöer kassierte das ÖFB-Team drei Gegentore aus der Folge von Standard-Situationen.

Österreich mag die europäische Nummer eins im Pressing-Fußball sein, darauf darf aufgebaut aber sich nicht ausgeruht werden. Gerade in der Spieleröffnung und der Sattelfestigkeit der Defensive bei ruhenden Bällen ist gehörig Luft nach oben.

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Tobias Kurakin

  Tobias Kurakin (Redaktionsleitung) Bei 12ter Mann seit 3/2018